Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Der Weg der Barmherzigkeit von Gnadenfeld nach Niesky

Am 26. Juli verkündete das Welterbe-Komitee der UNESCO, dass die Siedlungen der Brüdergemeine,unter anderem in Herrnhut (Oberlausitz) und Niesky (Niederschlesische Oberlausitz), zum Weltkulturerbe zählen. Damit sind die Bauwerke der evangelischen Glaubensgemeinschaft der Herrnhuter Brüdergemeine in Christiansfeld in Dänemark, den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland Teil des Menschheitserbes.


Auch in Schlesiengab es bis zur Vertreibungder Deutschen Siedlungen der Brüdergemeine, unter anderem in Neusalz/Oder (NowaSól), Gnadenberg(Godnów) bei Bunzlau, Gnadenfrei (PiławaGórna) bei Reichenbach(Dzierżoniów), Goldberg (Złotoryja), Hausdorf (Jugów) beiNeurode (Nowa Ruda), Breslau oder die 1787 während der Friderizianischen Kolonisation gegründete Siedlung im oberschlesischen Gnadenfeld (Pawłowiczki) bei Reinschdorf (ReńskaWieś). Die Geschichte der letzteren lebt heute jenseits der Neiße weiter.

Wohnen seit den 60er-Jahren in der Nieskyer Robert-Koch-Straße 4, im ersten Emmaus-Haus in Niesky: Karin und Horst Kahle.

Vor 141 Jahren wurde der Sitz der Diakonissenanstalt der Herrnhuter Brüdergemeine vom Dorf Gnadenfeld bei Reinschdorfnach Niesky verlegt – zunächst in die Robert-Koch-Straße 4. Dieses Haus dient heute als Wohnhaus.
Karin und Horst Kahle erfuhren erst nach vielen Jahren, welche Geschichte ihre gute Stube als einstiges Herz der Schwesternschaft hatte. Karin Kahles Vater betrieb in Löwenberg (Lwówek) eine Heilpraktikerpraxis am Ring und suchte nach der Vertreibung in Niesky ein Haus, das sich durch separate Eingänge zugleich wieder als Praxis anbot, berichtet sie.
1883 war der Sitz der Diakonissenanstalt „Heinrichstift“ der Herrnhuter Brüder-Unität von Gnadenfeld am südöstlichen Rand Schlesiens an deren nordwestlichen Rand in Niesky verlegt worden. An dieses Ereignis erinnerten die Schwestern der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky mit einem Ausflug in die Geschichte des Hauses, „damit die Mitarbeiter im heute zum Freistaat Sachsen gehörenden Niesky Kenntnis über ihre Wurzeln haben“, sagte Oberin Sonja Rönsch.Sie hatte im Vorfeld zwei Reisen nach Oberschlesien organisiert. „So haben wir uns den Ort Gnadenfeld mit allem, was darum herum ist, angeschaut. Die Herrnhuter Archivarin der Brüderunität, Claudia Mai, hat uns dabei begleitet und wir konnten uns das erste ‚Haus Emmaus’ in Gnadenfeld anschauen“, soRönsch. Vorgefunden haben die Nieskyerinnen nur noch einige Pflanzen des einstigen Erlenhains, den Studenten des damaligen Predigerseminars als Park angelegt hatten. „Wir haben auch Häuser entdeckt, die damals schon standen. Wenn man weiß, wonach man schauen soll, entdeckt man viel mehr, als man vielleicht denkt. Auch das zweite Haus Emmaus gibt es in Gnadenfeld immer noch. Es ist jetzt ein Wohnhaus“, freut sich die Oberin. Sie war bereits vor 16 Jahren in Gnadenfeld, damals stand noch das allererste Heinrichstift. Spätestens, wenn es neue Mitarbeiter in Niesky gibt, will Rönsch wieder einen Ausflug nach Oberschlesien organisieren.

Stellt die Geschichte von Emmaus vor: Angela Koppehl (links). Daneben Oberin Sonja Rönsch, im Hintergrund ein Porträtvon Herrmann Plitt aus Gnadenfeld.

Erstes Emmaus-Haus in Gnadenfeld
Gnadenfeld ist die einzige Niederlassung der weltweit durch ihre Mission bekannten Herrnhuter Brüderunität in Oberschlesien. Und Herrnhut ist nur 37 Kilometer von Niesky, wo die ersten „Herrnhuter Sterne“ entstanden,entfernt.
1766 hatte Ernst Julius von Seidlitz für seinen Sohn Friedrich das Dominium Pawlowitzke unweit von Cosel gekauft und ließ dort eine Siedlung für die Herrnhuter Glaubensbrüder gründen.1821 erblickte Hermann Plittin Gnadenfelddas Licht der Welt. Der spätere Pfarrer und Leiter des Theologischen Seminars in Gnadenfeld war von den Diakonissen-Anstalten der evangelischen Kirche begeistert und wollte diese auch in der Gnadenfelder Brüdergemeine einrichten. Er träumte von einem Krankenhaus in Gnadenfeld. Die Not in Oberschlesien sei groß gewesen, berichtet Pfarrerin Angela Koppehl, die sich mit der Geschichte der Emmaus-Häuser beschäftigt. Der Handlungsspielraum in einer überwiegend katholischen Umgebung sei nicht allzu groß gewesen: „Bei einem Versuch, eine Kinderschule in Gnadenfeld einzurichten, hatte sich die katholische Kirche der Aufnahme katholischer Kinder widersetzt. Gegen mancherlei Bedenken und Schwierigkeiten, schließlich waren die Bewohner der Gegend nicht nur katholisch, sondern sprachen auch Polnisch, war nach dem ersten kleinen Anfang 1870 sogar ein neues Haus gebaut worden“, berichtet Koppehl über die Entstehung des ersten Heinrichsstift in Gnadenfeld.

Kamen in das Haus in derRobert-Koch-Straße 4: Diakonissen aus Gnadenfeld.

Schlesierinnen machten den Anfang
Zwei Schwestern hatten die Aufgaben im Stift übernommen: Auguste Tichy, die aus der Umgebung stammte, und Luise Trespe aus Siegroth (Dobrzenice), Kreis Nimptsch (Niemcza) in Niederschlesien. „Beide hatten 1870 in Gnadenfeld und Umgebung schon manches geleistet, hatten Kranke versorgt – besonders in der großen Cholera-Epidemie 1866/67 – hatten eine Strickschule begonnen, Waisenkinder aufgenommen und einigen Alten ein Stübchen eingerichtet“, so Koppehl.
1880 endete die Zeit Hermann Plitts in Gnadenfeld. Ärzte rieten ihm dringend zu einem südlicheren Wohnort. Als seine Frau verstarb, ging er mit den Kindern nach Cannstatt (heute Stuttgart-Bad Cannstatt) in Württemberg. „Da auch die übrigen Vorstandsmitglieder in Gnadenfeld aus Altersgründen die Arbeit eher niederlegen wollten und dazu die leitende Schwester Auguste Tichy sich keiner robusten Gesundheit erfreute, geriet die Existenz des Heinrichstifts in Gefahr“, berichtet die Pfarrerin. Dagegen wollte Plitt ankämpfen. Er durfte zwar nicht nach Gnadenfeld zurück, das wäre gegen die Bestimmungen der Brüdergemeine, aber er ging nach Niesky, von wo er hoffte, die Leitung des Heinrichstifts in Gnadenfeld wieder zu übernehmen. 1883 kaufte er ein neues Haus am Rande von Niesky und richtete dort das neue Emmaus-Mutterhaus ein.

Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine zählen nun zum Weltkulturerbe. Aufgrund der Bedeutung dieses Ereignisses für alle Christen in der Region, sandte der katholische Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt Glückwünsche an die Brüdergemeine Niesky.

Damit wurde das Heinrichstift in Gnadenfeld zur Filiale. Pfarrerin Koppehl: „Ich bin immer noch ganz beglückt, dass es in Gnadenfeld eine Verständigung über Sprach- und Religionsgrenzen hinweg gegeben hat, dass liebende Barmherzigkeit eine eigene Sprache spricht, dass es eine Ökumene der Barmherzigkeit gibt, die hoffen lässt.“ Hoffnung auf die Belebung dieser gemeinsamen Geschichte hegt auch der katholische Bischof Wolfgang Ipolt, da Niesky auf dem Gebiet des Bistums Görlitz liegt: „Es ist ein schönes Zeichen besonders für Sie, die Gläubigen der Brüdergemeine, die das Wort Gottes heute lebendig halten und daraus leben. Inmitten unserer säkularen und glaubensfremden Umgebung wird damit eine Ehrung ausgesprochen, die weit über Ihre Glaubensgemeinschaft hinaus Bedeutung hat“, schreib Bischof Ipoltin einem Glückwunschschreiben an die Brüdergemeine Niesky.

kan

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