Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Welche Aufmerksamkeit?


Am Montagabend fand im Hotel Dietrich Bonhoeffer Haus Berlin (das Hotel, wo im sog. Kirchensaal zur Wendezeit 1989 der erste Runde Tisch tagte) eine interessante Podiumsdiskussion „Zwischen Assimilation und Selbstbehauptung – Auswirkungen von Flucht und Vertreibung“ statt. Zuerst wurden uns der Ort mit seiner Geschichte sowie auch Dietrich Bonhoeffer als Theologe, Humanist, aber auch als Widerstandskämpfer dargestellt. Als Patron des Ortes wollte die Verwaltung der DDR ihn nicht akzeptieren. Der aus dem Egerland stammende Heinrich Melzer (84) erzählte als Zeitzeuge der Vertreibung und des Lebens in der SBZ und der DDR seine Erinnerungen. Tilman Fischer, der Moderator hatte später Jens Baumann aus Sachsen und mir aus Schlesien die Aufgabe übertragen, diese aus der Sichtweise der gegenwärtigen Bewegung der Vertriebenen und Minderheiten zu ergänzen. Auch die Frage nach der Aufmerksamkeit, die den deutschen Volksgruppen und deren Geschichte in mittelosteuropäischen Ländern geschenkt wird, sollte gestellt werden. Im Laufe der Debatte sind wir dazu zwar nicht gekommen, aber was hätte ich antworten können? Jeder von uns hat andere Erfahrungen, in jedem Land ist die Lage anders. Ungarn begeht seit 2012 immer am 19. Januar (1946 fuhr an jenem Tag der erste Zug mit vertriebenen Ungarndeutschen ab) einen ungarischen Gedenktag der Vertreibung.

Reporter Filip Springer beklagt in „Mein Gott, jak pięknie!“ den unwürdigen Umgang mit Gräbern und sterblichen Überresten der Deutschen. Wer kennt das nicht?

In Polen ist etwas Ähnliches nicht vorstellbar. Die propagandistische Meinung der Volksrepublik Polen, dass die Vertreibung der Deutschen eine historische Gerechtigkeit war und die deutsche Geschichte von Schlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen nichts Wesentliches bringt, ist sehr lebendig. Deswegen muss man diejenigen Polen sehr hochschätzen, die die alten deutschen Gebiete, die sich jetzt in Polen befinden und die die deutschen Schlesier oder Ermländer mit tiefem Gefühl, Verständnis und Wissen betrachten. So habe ich es einem Buch von Filip Springer „Mein Gott, jak pięknie“ (Karakter 2023) entnommen. Sehr herzlich beschreibt er dort die Heimat (im Org. Kraina) durch die Beschreibung einer Schifffahrt auf der Oder im 18. Jahrhundert von Stettin bis nach Deschowitz, den Bau der Ostbahn von Berlin nach Königsberg oder das schlesische Elysium. In dem kürzesten Kapitel des Buches beklagt er den unwürdigen Umgang mit Gräbern und den sterblichen Überresten der Deutschen. Wer kennt das nicht? Er tut das am Beispiel der geplünderten Gruft der Familie Reuss in Schmiedeberg/Kowary, in der auch die Prinzessin Fedora, die am 26.08.1945 ihren Kopf in den Gasofen steckte und sich vergiftete, begraben wurde. Ihre Knochen hatte man in den Keller des Rathauses geworfen. Springer schrieb: „… als ob die Knochen aufgehört haben, menschlich zu sein.“

Bernard Gaida

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