Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Stagnation tötet


Nächste Woche werde ich in Białystok an einer Konferenz zur Feier des 20. Jahrestages der Verabschiedung des „Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten und die Regionalsprache“ teilnehmen. Eine schwierige Aufgabe für mich, der durch den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) und die Position des Vizepräsidenten der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN) seit vielen Jahren mit dem europäischen Kontext der Rechte nationaler Minderheiten in Berührung kommt. Denn ich weiß, welcher großer Fortschritt seine Verabschiedung war, trotz des Niedergangs der sozialistischen und nationalistischen Vision dieser Rechte in der Volksrepublik Polen. Die Vision war so stark, dass die Arbeiten und Auseinandersetzungen um seinen Inhalt im polnischen Sejm jahrelang andauerten.

Andererseits bin ich enttäuscht darüber, dass der Schutz nationaler Minderheiten trotz der Annahme und Ratifizierung internationaler Dokumente in der Praxis so stark von den Erklärungen und dem Niveau abweicht, wie es in einigen Ländern und Regionen zu beobachten ist. Es ist wenig tröstlich, dass es Länder gibt, die ihre Minderheiten und deren Sprachen noch weniger schützen. Das Klischee, dass die Lage der Minderheiten vom Wohlstand des Staates abhängig ist, kann klar ausgeschlossen werden, denn Rumänien scheint ihnen seit Jahrzehnten die besten Überlebensgarantien zu bieten, während Frankreich am unteren Ende dieser Rangliste liegt. Es gibt jedoch ein Merkmal, das Polen im Vergleich zu anderen Ländern am stärksten zu charakterisieren scheint. Das Jubiläum selbst ist ein Beweis dafür. Dieses Merkmal ist Stagnation.

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache.“

Vor fünf Jahren schrieb ich anlässlich des 15-jährigen Jubiläums einen Artikel für die Jubiläumspublikation: „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache.“ Dort habe ich den Stand des Sprachschutzes und das fehlende Bildungswesen für Minderheiten kritisch beurteilt, welches in Dänemark, Rumänien, Belgien, Ungarn und Spanien zeigt, dass es die Grundlage für die Existenz von Minderheiten darstellt. Dort habe ich auch gezeigt, wie viele unserer Verbesserungsinitiativen nicht angenommen wurden, darunter auch der Änderungsantrag, obwohl dieser eigentlich nur kosmetischer Natur war. Heute könnte ich es wiederholen, wenn da nicht mit dem Gesetz unvereinbare Handlungen geschehen wären, die die Situation verschlimmerten, z. B. das Ignorieren von Anträgen auf zweisprachige Bezeichnungen, die Diskriminierung der deutschen Sprache, der Entzug des Rechts auf Ausübung des Berufs für Richter mit einer zweiten Staatsangehörigkeit. Nicht einmal Stagnation, sondern Verschlechterung.

Das jüngste Forum europäischer Minderheitenregionen in San Sebastian, Baskenland, bestärkt die Überzeugung, dass nur ständige, auch geringfügige, rechtliche oder soziale Maßnahmen zur Förderung der Verwirklichung von Minderheitenrechten zu echten, zeitgemäßen Auswirkungen führen. Da die baskische Sprache bereits weit verbreitet ist, sichtbar in Werbung, Topographie, Medien und Schulen, ist das Grundthema dort der Einsatz von Informationstechnologien und künstlicher Intelligenz zur Verbreitung der Kenntnisse dieser Sprache. Wie die vorherigen Phasen wird auch diese von den Behörden der autonomen Region sorgfältig geplant und sogar durch Steuererleichterungen unterstützt. Seit 20 Jahren gibt es dort Fortschritte – und im polnischen Gesetz hat sich kein einziger Punkt geändert!

Bernard Gaida

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