Baut keine Mauern

Was hat das Madrigalkonzert mit Werken von Andreas Hammerschmidt (1611-1675) in Görlitz mit den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD in Berlin zu tun? Nun ja, nicht direkt etwas. Am vergangenen Samstag kam ein solcher kausaler Zusammenhang zustande. Die Politiker in Berlin versprachen, über ihre Gespräche zu schweigen. Dieses Schweigen gelingt ihnen allerdings eher schlecht, denn die Journalisten spekulieren ständig über die Schwierigkeiten, mit denen die Verhandlungsführer „hinter verschlossenen Türen“ konfrontiert sind. Aus diesen Spekulationen geht hervor, dass die Gruppe, die sich mit Innenpolitik, Migration und Integration befasst, viele Probleme hat. Wohlgemerkt: Diese Gruppe soll auch die Politik gegenüber nationalen Minderheiten festlegen.
Die von Friedrich Merz angekündigte neue Migrationspolitik hat das Ausmaß der Divergenzen zwischen den Parteien deutlich gemacht. Nach den Sondierungsgesprächen wurde verkündet, dass die potenziellen Koalitionspartner eine Einigung erzielt hätten, doch die gegenseitige Zustimmung zur Notwendigkeit der Abschiebung von illegal in Deutschland lebenden Migranten … entpuppt sich im Detail als Uneinigkeit. Es scheint, dass in vielen anderen Ländern, auch in Polen, die Slogans über Verschärfung in der Innenpolitik zwar leicht über die Lippen kommen, aber oft unmöglich umzusetzen sind, ohne nicht nur das Gesetz, sondern oft auch die Menschenwürde zu verletzen.
Über ein solches Problem scheinen sich die Verhandlungsführer nicht einig zu sein. Die Unionsparteien stützen sich auf eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2013, die besagt, dass der erste EU-Staat, in dem ein Migrant aus einem Drittstaat auftaucht, verpflichtet ist, das Asylverfahren einzuleiten und abzuschließen und den Migranten im Falle einer Ablehnung in sein Herkunftsland zurückzuschicken, und wollen diesen Grundsatz konsequent umsetzen. Die CDU ist der Meinung, dass dies nicht in jedem Fall einer Zustimmung bedarf, während die SPD die Ansicht vertritt, dass die Abschiebung solcher Migranten trotz EU-Recht nur mit Zustimmung des Nachbarlandes erfolgen kann. Das ist ein wichtiger Unterschied, der für Länder, deren Grenzen die Außengrenzen der EU sind, wie z. B. Polen, nicht ohne Belang ist. Er ist auch für die Wirksamkeit entscheidend.
Das war es, was protestierende Polen am Samstag zur Zgorzelec-Brücke, der ehemaligen Freundschaftsbrücke und heutigen Johannes-Paul-II-Brücke, führte, die sie unter rechtsnationalen, antideutschen und EU-feindlichen Parolen blockierten. Als ich 3 km entfernt den Worten des Madrigals „Ich will dich preisen unter den Völkern, und dir lobsingen unter den Nationen“ lauschte, das von fünf Musikern aus Polen, Tschechien, Serbien, Griechenland und Österreich im Rahmen des EU-Projekts „Culture Moves Europe“ aufgeführt wurde, fragte ich mich, ob ich nach dem Konzert die Brücke zwischen dem deutschen Görlitz und dem polnischen Zgorzelec überqueren würde. Würde sie gesperrt sein? Als der Komponist Hammerschmidt damals in Zittau zur selben Zeit wie der Dichter Martin Opitz (1597-1639) aus Bunzlau, von der germanistischen Forschung als Begründer der Deutschen Dichtung angesprochen, mit Heinrich Schütz in Dresden Kontakt pflegte, verband die Brücke nur zwei Teile ein und derselben Stadt. Nach 1945 wurde sie zu einer schwierigen Grenze, und nach 1989 vereinte sie zunehmend wieder, um am vergangenen Samstag erneut zu trennen. Baut keine Mauern in der EU, repariert Brücken!
Bernard Gaida

