Absurd
Mit Entsetzen und Erstaunen las ich die Worte von Jarosław Kaczyński darüber, dass angeblich Polen in den Zügen in Deutschland aus den Abteilen der ersten Klasse verwiesen würden. Die Informationsquelle sind, wie er behauptet, Europaabgeordnete. Zuerst dachte ich, es sei eine Fake-News. Und doch erreicht der Grad der Absurdität, der die polnische Politik seit einigen Jahren beherrscht, unvorstellbare Höhen. Bis zu den Wahlen bleibt noch ein Jahr. Wohin fahren wir denn?
Diese Aussage machte Kasczyński in Oppeln in Anwesenheit von wahrscheinlich ansonsten intelligenten Menschen und doch wurde sie mit Applaus belohnt. Werden ernsthafte und betitelte Menschen wie die Claqueure jede absurde Aussage unkritisch und ohne Scham hinnehmen? Zumindest im Bereich der deutsch-polnischen Beziehungen scheint dies bereits der Fall zu sein. Die Deutsche Bahn gab eine Erklärung ab, in der sie betonte, dass „wir jeden Tag Millionen von Reisenden befördern und Menschen aller Herkunft, sexueller Orientierung und Religion, jeden Geschlechts und Alters aufnehmen”, und die verlegenen polnischen EU-Abgeordneten können die Worte des Parteichefs nicht bestätigen.
Man könnte sagen, dass es sich nicht lohnt, sich mit Unsinn auseinanderzusetzen. Und doch, wenn der erste Mensch im Staat ungestraft eine solche Rhetorik anwendet, baut er bewusst die gesellschaftliche Stimmung auf, die die Deutschen verekeln soll. Dafür kann es keine Zustimmung in der Gesellschaft, oder zumindest ihrem verantwortungsbewussten Teil, geben. Dem kann ich, also ein Deutscher, der als polnischer Staatsbürger Einfluss auf die polnische Politik hat, nicht zustimmen. Wenn wir dem nicht zustimmen wollen, müssen wir eine solche Politik und solche Politiker entschieden ablehnen. Sowohl diejenigen, die aufwiegeln, als auch diejenigen, die ihnen applaudieren. Wir müssen ihre Namen kennen, weil sie für uns gefährlich sind.
Die Pflege des Mythos vom „bösen Deutschen“ betrifft auch uns, wenn der PiS-Chef sagt, „das gehört zum Bewusstsein dieser Nation“. Das erinnert mich an die Situation der Rumäniendeutschen, denen einige Teile der dortigen politischen Szene vorwarfen, die Fortsetzung der Politik Nazideutschlands zu sein, was in einigen Kreisen der Gesellschaft feindselige und gefährliche Hysterie auslöste. Dort kam es glücklicherweise nicht zu Diskriminierungen. In Polen ist die Diskriminierung der deutschen Minderheit bereits im Gange, daher gießen solche Worte Öl in das bereits brennende Feuer. Dieses muss gelöscht werden. Am Donnerstag beginnt in Berlin der Kongress der FUEN, der größten Organisation nationaler Minderheiten in Europa. Von dort wird auch die Stimme des Widerstands gegen die Diskriminierung in Polen kommen. Möge sie gehört werden, bevor es zu spät ist.
Bernard Gaida
Titelfoto: Sebastian Terfloth/wikimedia.org/CC BY-SA 2.5