Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Zwei Welten

Heute (08.08.) haben mich in den Medien zwei Menschen mit größter Intensität erreicht: Erzbischof Alfons Nossol und Parteichef Jarosław Kaczyński. Ersterer, weil er seinen 90. Geburtstag feierte, und der zweite wegen eines kürzlich gegebenen Interviews. Eine zufällige Konvergenz und wir könnten sagen, dass die Ereignisse nicht zusammenhängen. Manchmal ist jedoch der Gegensatz das Verbindende.

Alfons Nossol ist ein Mann der Versöhnung, dessen Rolle bei der polnisch-deutschen Annäherung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, und heute wird vor allem an seine Rolle bei der Versöhnungsmesse in Kreisau erinnert. Dort lehnte er die Bitte der polnischen Seite ab, die Messe ohne Friedenszeichen zu feiern. Seine Rolle entstand aus der Wertewelt, der er diente. Wissenschaftlich beschäftigte er sich mit der Durchdringung evangelischer und katholischer Theologie, als Schlesier tauchte er in die Durchdringung deutscher und polnischer Identitäten ein, als Bischof widmete er sich der Ökumene und der Überwindung der Diskriminierung der Deutschen im Nachkriegspolen. 1983, nach einem Gespräch mit ihm, sagte Papst Johannes Paul II. auf dem St. Annaberg mit Nachdruck, dass „dieses Land vielfache Versöhnung braucht“, 2014 brachte er die meisten Mitglieder des Sejm-Ausschusses für nationale Minderheiten in Verlegenheit, indem er fragte, ob sie die Botschaft von Johannes Paul II. „Um Frieden zu schaffen, Minderheiten achten“ kennen, und vor einigen Jahren sagte er mir, dass die Pflege auch der deutschen Identität in Schlesien bedeutet, sich um die Ganzheit der menschlichen Seele, ebenso wie um den Glauben zu kümmern. Und das alles um der Wahrheit und Liebe willen, die er zu seinem bischöflichen Wahlspruch wählte. Heute blickt er mit Sorge auf die sich vertiefenden Gräben in der europäischen Integration, die immer stärker werdende Krise der deutsch-polnischen Beziehungen und die Irrwege der Ökumene.

Im Vergleich zu dieser Person und diesen Werten scheint das eingangs erwähnte Interview mit dem Vorsitzenden der Regierungspartei von einem anderen Planeten zu kommen. Verweise auf die Rhetorik des Konflikts und der Zwietracht, die Brüssel bewusst vorwirft, Polen angeblich zur Unterwerfung gegenüber Deutschland zu zwingen. Damit einher geht die gleichzeitige Einschätzung, dass Polen die angeblichen deutsch-russischen Pläne zur Übernahme der Kontrolle über Europa behindert. Und das sagt er heute, wo Russland durch den Einmarsch in die Ukraine zum Feind aller geworden ist. Das offenbart das Ausmaß an Hass und Zwietracht, das dieses Interview sät.

Einen Fehler macht jeder, der nur die politischen oder wirtschaftlichen Folgen einer solchen Kampagne in Betracht zieht. Sowohl die Jahre der Tätigkeit von Erzbischof Nossol als auch die von Parteichef Kaczyński verändern uns, die wir ihnen zuhören, zum Besseren oder Schlechteren, und dann gestalten wir die Welt. Zum Besseren oder Schlechteren. Wählen wir also besonnen.

Bernard Gaida

Titelfoto: Erzbischof Alfons Nossol während des Gottesdienstes zum 30. Jahrestag der Versöhnungsmesse in Kreisau (Foto: Rudolf Urban)

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