Berlin-Lubetzko
Die AGDM hielt letzte Woche ihren Jahreskongress ab. Dies ist eine Gemeinschaft deutscher Minderheiten aus mehr als 20 Ländern in Europa und Zentralasien. Für mich als Vorsitzenden dieser Gruppe dauerte er vier Tage, denn nach zweitägigen Beratungen ihrer Vertreter aus den 17 anwesenden Vertretungen blieben die jungen Deutschen aus Ländern von Kasachstan bis Slowenien noch zwei weitere Tage in Berlin. Nach vielen organisatorischen, politischen und Arbeitssitzungen verließ die Versammlung Berlin mit einem Appell an die deutschen Politiker.
Wir erinnern dort an die Rolle der deutschen Minderheiten als Bindeglied zwischen den Ländern, als Träger des Wissens über Deutschland und die europäische Integration, und wir verweisen auf die Erklärung Deutschlands, das sich nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ verpflichtet sah, seine im Osten verbliebenen Landsleute bei der Bewältigung der Folgen ihres Schicksals nach dem Krieg zu unterstützen, als sie ab 1945 Opfer von Abrechnungen wurden und für die von Deutschland begangenen Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht wurden. Daran erinnern wir am Vorabend der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des offiziellen Kriegsendes. Neben dem Appell, diese Unterstützung aufrechtzuerhalten und besser an die veränderten Bedingungen anzupassen, das deutsche Kulturerbe östlich der Oder zu pflegen und die Umsetzung der Rechte nationaler Minderheiten im europäischen Maßstab zu verbessern, fordern wir auch die politische Überwindung des Geoblockings in den Medien, das uns am Umgang mit der aktuellen Politik, aber auch mit der deutschen Kultur hindert. All das wurde im Bundestag und auf ministerieller Ebene diskutiert. Nach einer solchen Woche braucht man eine andere Art von Nahrung.
Das Ziel am Sonntag war Lubetzko (Lubecko), wo 2009 im Sanktuarium der Muttergottes von Lubetzko Fresken aus dem frühen 15. Jahrhundert entdeckt wurden. Es handelt sich um einige der ältesten Fresken in Schlesien. Im Mittelpunkt stehen Christus und das Jüngste Gericht. Eine außergewöhnliche Atmosphäre von Feierlichkeit, Würde und Beständigkeit des Glaubens, des Christentums. Im Altar befindet sich ein winziges Medaillon der Muttergottes von Lubetzko, das 1716 auf wundersame Weise gefunden wurde und zu dem die ganze Gegend pilgert. Wenn man von Guttentag (Dobrodzień) dorthin fährt, überquert man die ehemalige Grenze. Gerade an diesem Sonntag jährte sich der tragische Beschluss des Völkerbundes zur Teilung Schlesiens aus dem Jahr 1921. Trotz dieser unglücklichen Grenze, die Schlesien 1922 teilte und dazu führte, dass dieser Teil des Kreises Lublinitz sich in Polen wiederfand, pilgerten die Gläubigen auch aus Guttentag weiterhin hierher. Meine Oma ging oft dorthin. Dabei standen sie Schlange, um zu „Francka“ oder Franziska Ciemienga (1867-1935) zu gelangen, die Menschen an Leib und Seele heilte. Ihr Grab, das auch heute besonders verehrt wird, spiegelt die Heiligkeit ihres Lebens wider. Ein Obelisk in der Ortsmitte erinnert an die Grenze, aber in der Kirche sind trotz der Polonisierung, die hier bereits ab 1922 stattfand, die Beschreibungen der Gemälde im Kirchenschiff deutsch geblieben. Wir müssen Schlesien besser kennenlernen.
Bernard Gaida