Eishockey ist eine der beliebtesten Sportarten Europas. Besonders berühmt für gute Eishockeymannschaften und sehr viele Fans, sind alle skandinavischen Länder, Russland, Kanada und die USA, Tschechien, die Slowakei, die baltischen Länder und die Schweiz. Doch ausgerechnet dieses Jahr findet das größte Weltturnier dieser Sportart direkt an der Grenze zu Schlesien statt. Tausende von Touristen reisen an, um ihr Vaterland zu unterstützen und nebenbei natürlich auch Stadt und Region zu erkunden. Auch Deutschland und Polen sind bei der Weltmeisterschaft vertreten.

Foto: Scholtz-Knobloch
Die Industriestadt Ostrau (Ostrava) war in der frühen Geschichte nur ein kleiner Fleck in der Landschaft, gelegen an der Mündung der Ostrawitza (Ostravice) in die Oder. Es gab eindeutig wichtigere Städte im Umfeld, sei es Troppau (Opava) oder Olmütz (Olomouc). Doch im 18. Jahrhundert begann die Stadt rapide zu wachsen. In der Region wurden die ersten Kohlegruben eröffnet, die ersten Hochöfen entzündet, und die Stadt mauserte sich nach und nach zu einer der wichtigsten Industriestädte in ganz Österreich-Ungarn. 1870 hatte sie schon 40.000 Einwohner, vor dem Ersten Weltkrieg sogar 190.000. Immer mehr Arbeitersiedlungen entstanden, die Stadt war Heimat vieler Kulturen, da nicht nur Deutsche und Tschechen, sondern auch viele Polen in der Stadt lebten, sowohl im mährischen, größeren, als auch im schlesischen, kleineren Teil der Stadt. Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns verblieb Ostrau in der Tschechoslowakei und war der vielleicht wichtigste Wirtschaftsstandort des Landes. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich immer mehr Industriestandorte. Somit musste auch immer mehr Wohnraum entstehen, wie das im klassizistischen Stile erbaute Hennersdorf (Poruba) oder das in Plattenbauweise erbaute Ostrava-Jih, was auf Deutsch einfach nur „Ostrauer Südstadt” heißt. 1990 erreichte die Stadt mit 327.000 Einwohnern ihren historischen Höchststand. In den späten Achtzigern galt Ostrau als die dreckigste Stadt Europas, die vielen Hütten, Kokereien und Bergwerke waren zu viel für die Luft der Stadt. Nach der politischen Wende verlor Ostrau sehr viele Einwohner, da die sozialistischen Betriebe der Schwerindustrie kaputtgingen. So wurde 1994 das letzte Steinkohlenwerk stillgelegt, während das Wahrzeichen der Stadt, die Witkowitzer Eisenwerke, 1998 geschlossen wurden. Heute leben noch 280.000 Menschen in der Stadt. Dennoch war die politische Wende wichtig für die Einwohner, da der Plan der Sozialisten war, die Menschen aus der Altstadt in neue Wohngebiete umzusiedeln, die Innenstadt abzureißen, und auf dem Gebiet neue Kohlegruben und Hütten zu erbauen.
Zum dritten Mal in Ostrau
Die Eishockeyweltmeisterschaft findet nun zum dritten Mal in Ostrau statt. Schon 2004 und 2015 hatte die Stadt das Privileg, Austragungsort des Wettbewerbs zu sein. Auch dieses Jahr teilt sich Ostrau, wie bei den beiden anderen Turnieren zuvor, die WM mit Prag, sonst sind keine weiteren Spielstätten dabei. Die Ostrauer Spiele finden in der Ostravar Arena statt, die 11.000 Zuschauer fasst, was für eine Eishalle vergleichsweise viel ist (zum Vergleich: Der Spodek in der Partnerstadt Kattowitz fasst 11.500 Menschen). Die Halle befindet sich im Stadtteil Heinrichsdorf oder Zabrzech (Zabreh) im Stadtbezirk Süd (Jih), das heißt, im mährischen Teil der Stadt. Ganz unweit der Halle liegt das Mestsky- Stadion, in dem der tschechische Fußball-Erstligist Banik Ostrau spielt. In der Eishalle selbst spielt das Eishockeyteam HC Witkowitz, welches zwar in der ersten Liga spielt, jedoch nicht zu den erfolgreichsten Teams gehört. Immerhin errangen sie zweimal die tschechoslowakische Meisterschaft. Die Erfolge datieren auf 1952 und 1981. Die Halle ist am besten erreichbar mit den Straßenbahnlinien 2, 3, 7, 11 und 19 sowie mit dem Zug: Ausstieg-Ostrau-Witkowitz (Ústí nad Labem-Ostrava-Vítkovice). Man kann die Eishalle auch mit diversen Buslinien ansteuern.
Eingetaucht in Weinrot-Weiße Farben
Auf diese Weltmeisterschaft musste sich die Stadt Ostrau natürlich nicht nur mit der Halle und dem gesamten Gelände vorbereiten. Vor allem wegen der Menschenmassen, besonders aus den eishockeyeuphorisierten Ländern, hatten die Stadtverwaltung und die Polizei viel zu tun. Straßen und Parkplätze mussten gesperrt werden, was sich natürlich auf den Stadtverkehr auswirkt. Polizisten mussten verschiedene Fanlager voneinander abgrenzen und die Gruppen kontrollieren. Wie viele Menschen wirklich da waren, konnte man beispielsweise am vergangenen Sonntag sehen, als die Stadt in weinrot-weiße Farben gehüllt war. Nicht etwa, weil der 1. FC Nürnberg zu Gast war, sondern weil lettische Eishockeyfans die Stadt förmlich einnahmen. Bei den Sehenswürdigkeiten, in den Restaurants, im ÖPNV, überall sah und hörte man Letten in ihren charakteristischen weinroten Eishockeytrikots, mit ihren Fahnen an den Autos oder in ihrer für unsere Ohren ungewöhnlichen Sprache.
Die Eishockeyweltmeisterschaft findet das insgesamt dritte Mal in Ostrau statt.
Doch die Stadt schien vorbereitet: In manchen Restaurants gibt es während der WM spezielle Speisekarten (mit entsprechenden Angeboten und Preisen), für die Straßenbahnen und Busse gibt es ein spezielles Ticket, welches für den Zeitraum der Weltmeisterschaft gilt. In der Gruppenphase und im Viertelfinale wechseln sich Prag und Ostrau ab.
Im Halbfinale und im Finale kommt die Arena in Prag zum Einsatz, die sich zum einen in der größeren Stadt befindet, zum anderen auch 6.000 Zuschauer mehr, also 17.000, fasst. Somit finden die letzten Spiele in Ostrau am 23. Mai statt. Dies wäre dann das Viertelfinale. Ob Deutschland dann noch dabei ist, wird sich herausstellen, dies stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Favoriten auf den WM-Sieg sind die üblichen Kandidaten: Schweden, Finnland, Kanada und die Vereinigten Staaten.
Willi Scholtz-Knobloch