Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Lebensrealität berücksichtigen

Die deutsche Praxis bei der Aufnahme von Spätaussiedlern sowie bei der Umsetzung des Härtefallverfahrens für die Angehörigen der deutschen Minderheit aus der Ukraine sorgt derzeit für Unmut. Nun äußerte sich die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, zu der Problematik – und kündigte Änderungen an.

„Die Voraussetzungen für die Aufnahme von Spätaussiedlern müssen an die aktuelle Situation sowie an die Lebensrealität der Betroffenen angepasst werden. Zum einen geht es um die Berücksichtigung eines einmal abgegebenen ‚Bekenntnisses zu einem nichtdeutschen Volkstum‘ und zum anderen um das kriegsbedingte Verlassen der Ukraine durch die Antragsteller. Beides führt zu zunehmenden Ablehnungen von Anträgen sowie Ängsten und Enttäuschungen bei den Betroffenen“, erklärte Natalie Pawlik in einer Pressemitteilung.

Die SPD-Politikerin spielt damit zum einen auf das notwendige „Bekenntnis zum deutschen Volkstum“ an, das jemand, der als Spätaussiedler nach Deutschland ausreisen möchte, nach außen sichtbar abgeben muss, um später vom deutschen Staat einen Aufnahmebescheid zu erhalten. Hat man jedoch in der Vergangenheit gegenüber den Behörden im Aussiedlungsgebiet eine andere als die deutsche Nationalität gewählt (sogenanntes „Gegenbekenntnis“), ist ein nachträglicher (glaubhafter) Bekenntniswechsel hin zum deutschen Volkstum zwar nicht unmöglich, wohl aber deutlich erschwert und mit zusätzlichen Anforderungen verbunden.

Natalie Pawlik, die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.
Foto: Deutscher Bundestag / Inga Haar

Nach Natalie Pawliks Auffassung sorge die gängige Praxis zwar für Rechtssicherheit, gehe aber an der Lebensrealität und den Umständen, unter denen die Menschen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion leben und gelebt haben, vorbei. In der Folge komme es „vermehrt zu Ablehnungen von Menschen, die Benachteiligung durch das Kriegsfolgenschicksal ihrer Familie erlitten haben und für die die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung trägt“, so die Aussiedlerbeauftragte.

Zum anderen habe man auch im Hinblick auf das Härtefallverfahren für die Angehörigen der deutschen Minderheit aus der Ukraine einen Anpassungsbedarf festgestellt. Denn bei den Deutschstämmigen, die die Ukraine wegen des russischen Angriffskrieges verlassen mussten, führe die derzeit gültige Sechs-Monats-Frist zur Antragstellung für die Aufnahme als Spätaussiedler (wir berichteten) zu „unbilligen Ergebnissen“.

Natalie Pawlik betonte deshalb: „Als Beauftragte der Bundesregierung nehme ich die Situation und die Schicksale der Betroffenen sehr ernst. Deshalb arbeiten mein Team und ich auf Hochtouren an Lösungen der beiden Problempunkte im Sinne der Betroffenen. Dies hat bei uns gerade höchste Priorität.“

ln

Titelfoto: Henning Schacht

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