Nach dem Sankt Annaberg ist wohl Deutsch Piekar der wichtigste Wallfahrtsort in Oberschlesien. In der dortigen Basilika der Heiligen Muttergottes und des St. Bartholomäus befindet sich das Gnadenbild der Muttergottes von Piekar. Was überraschen mag, ist, dass die Piekarer Madonna mit ihren Wundern nicht nur Oberschlesier beglückt haben soll.
Die Geschichte der Muttergottes von Piekar lässt sich bis in das Jahr 1318 zurückverfolgen, als sie erstmals schriftlich erwähnt wurde. Wallfahrten sind aber erst ab dem 17. Jahrhundert überliefert. Dem Bericht des Piekarer Pfarrers Jakub Roczkowski aus dem Jahr 1659 zufolge, soll das Marienbild durch seine Schönheit die Gemeinde und die Jesuiten in Tarnowitz so beeindruckt haben, dass es vom Seitenaltar auf den Hochaltar verlegt wurde. Seitdem sind wundersame Heilungen überliefert, die immer mehr Pilger anlockten.
1676 brach im nahen Tarnowitz die Pest aus. In ihren Gebeten versprachen die Tarnowitzer, jeden ersten Sonntag nach dem 2. Juli zur Piekarer Madonna zu pilgern. Die Pest zog sich daraufhin zurück und die Tarnowitzer Wallfahrt nach Deutsch Piekar gibt es bis heute. Vier Jahre später brach die Pest auch in Prag aus. Der deutsche Kaiser Leopold I. aus der mächtigen Habsburger Dynastie, bat deshalb, das Marienbild nach Prag zu holen. Nach der Prozession des Gnadenbildes wich auch dort die Pest zurück. Daher wurde die Wundertätigkeit der Piekarer Muttergottes offiziell vom Prager Erzbischof anerkannt. Auf dem Rückweg hielt das Marienbild auch im von Seuchen geplagten Königgrätz/Hradec Králové an. Ein Jahr später schickten die dankbaren Bürger eine Kopie des Gnadenbildes nach Deutsch-Piekar.
Bis heute ist Deutsch-Piekar ein wichtiger Pilgerort. Seit 2005 ist die Marienbasilika sogar auf dem Stadtwappen abgebildet.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stieg die Anzahl der Pilger aus dem In- und Ausland (vor allem aus Polen) so stark an, dass die hölzerne Kirche zu klein wurde. Deshalb engagierte sich der Piekarer Pfarrer Johann Alois Fietzek (auch Jan Alojzy Ficek) für einen Neubau der Marienkirche und sammelte Spenden, u. a. mit innovativen Mitteln wie Aktien „mit himmlischer Dividende”. Das Bauholz wurde vom Großindustriellen Graf Hugo Henckel von Donnersmarck gespendet, die fehlende Summe steuerte der Breslauer Bischof bei. Der Neubau der Wallfahrtskirche der Hl. Muttergottes und des Hl. Bartholomäus endete im Jahr 1849 und wurde am 22. August desselben Jahres vom Breslauer Bischof Melchior von Diepenbrock geweiht.
Die dreischiffige neoromanische Kirche entstand nach dem Entwurf von Daniel Grötschel. Die Muttergottes von Piekar befindet sich im neobarocken Hauptaltar der Kirche, die am 1. Dezember 1962 von Papst Johannes XXIII. zur „Basilica minor” erhoben wurde. Die Stützmauer vor der Kirche ist mit den Figuren der 12 Apostel geschmückt. Markant sind auch die zwei 70 Meter hohen barocken Türme, welche ursprünglich mit einer hölzernen Brücke verbunden werden sollten, um den Buchstaben „M” zu bilden. Von den Türmen kann man bei gutem Wetter das 59 km entfernte Tschenstochauer Kloster Jasna Góra sehen. Von der Vorgängerkirche blieb nur der Altar erhalten, vor dem Johann III. um den Sieg in Wien betete. Seit 2009 gibt es auch ein Sanktuariums-Museum, das der Geschichte der Piekarer Muttergottes gewidmet ist.
Bis heute ist Deutsch-Piekar ein wichtiger Pilgerort. Seit 2005 ist die Marienbasilika sogar auf dem Stadtwappen abgebildet. Doch was ist mit der ursprünglichen Madonna von Piekar geschehen? Diese ist seit über 300 Jahren in Oppeln und nun als Muttergottes von Oppeln bekannt. Eine langfristige Rückkehr nach Piekar war zum hundertjährigen Bestehen der dortigen Wallfahrtskirche geplant. Dagegen protestierte der Apostolische Administrator von Oppeln, Bolesław Kominek, der auch die Feierlichkeiten zum 250-jährigen Aufenthaltsjubiläum in Oppeln für 1952 ankündigte. Dies war erfolgreich und so verblieb die ehemalige Muttergottes von Piekar und nun in der Kathedrale zum Heiligen Kreuz in Oppeln, der historischen Hauptstadt Oberschlesiens.
Martin Wycisk