Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Toten verzögern die Arbeiten für die Lebenden

Es ist ein Problem, auf das man bei Bauarbeiten gerade in Gebieten mit kriegerischer Vergangenheit immer wieder stößt: ein nicht oder nicht genau auf Landkarten verzeichneter Friedhof tut sich samt den Gebeinen der dort bestatteten Toten vor den Baumaschinen auf. Dann sind bei achtsamem Umgang mit den sterblichen Überresten die Bauarbeiten einzustellen und eine Exhumierung durchzuführen.

Pastor Łukasz Stachelek bei der Wiederbestattung der Gebeine aus Guttstadt in Knopen

Zuletzt waren von einem solchen Ereignis Bauarbeiten in Guttstadt nördlich von Allenstein/Olsztyn betroffen. Dort wird die Allensteiner Straße (Landstraße 51) auf einer Länge von 630 Metern verbreitert und Kreuzungen umgebaut. Die Kreuzung der 51 mit der Friedhofsstraße (ul. Cmentarna) soll in einen Kreisverkehr umgewandelt werden. An dieser Stelle wurden Anfang April bei Erdarbeiten die Überreste des stillgelegten früheren evangelischen Friedhofs freigelegt.

Nach polnischem Recht ist die Nutzung des Geländes eines ehemaligen Friedhofs für andere Zwecke frühestens 40 Jahre nach dem letzten Begräbnis erlaubt. Im Falle des Guttstädter Friedhofs liegt die letzte Beerdigung etwa 70 Jahre zurück, einer generellen Fortsetzung der Investition steht also nichts im Wege. Die für den Straßenbau verantwortliche Generaldirektion für Landstraßen und Autobahnen (GDDKiA) unterbrach die Arbeiten umgehend und wandte sich an den zuständigen Staatlichen Sanitärinspektor des Landkreises Allenstein mit der Bitte um Erlaubnis zur Exhumierung der sterblichen Überreste und Leichen.

Die Erlaubnis wurde erteilt und der Kommunale Wirtschaftsbetrieb von Guttstadt führte die Exhumierung durch; die sterblichen Überreste wurden auf den kommunalen Friedhof in Knopen/Knopin dreieinhalb Kilometer südlich von Guttstadt überführt. Dort wurden sie in der letzten Aprilwoche unter Wahrung der angemessenen Achtung in Anwesenheit von Pfarrer Łukasz Stachelek aus Allenstein als Vertreter der evangelisch-augsburgischen Kirche in Polen sowie Repräsentanten der GDDKiA und des Investors erneut der Erde übergeben.

Kartons in Knopen, erneutes Begräbnis exhumierter Leichen aus Guttstadt
Bilder: Emil Heimann vom Kirchenvorstand der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Allenstein/Olsztyn

Fund, Exhumierung und Umbettung sollten die Modernisierungsarbeiten nicht verzögern, da der Investor dafür noch bis Mai nächsten Jahres Zeit hat. Am Ort des ehemaligen Friedhofs soll in Zukunft eine Gedenktafel an die dort bestatteten Menschen erinnern. So bleiben der Ort selbst und die Verstorbenen weiterhin im Gedächtnis der Lebenden.

 

Uwe Hahnkamp

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