Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache

Waldemar Gielzok
Waldemar Gielzok

Die Kulisse für die 20-Jahrfeier bildete die Ausstellung „Deutsch-Polnische Zweisprachigkeit in meinem Leben“.  Mit Waldemar Gielzok, dem Vorsitzenden  der Deutschen Bildungsgesellschaft, sprach Manuela Leibig über zweisprachige Erziehung.

 

Was sind die Vorteile von Zweisprachigkeit?

 

Diese sind vielfältig und lassen sich nicht nur auf den Vorteil auf dem Arbeitsmarkt erklären. Natürlich an erster Stelle die sprachlichen Vorteile selbst. Einsprachigkeit würde ich ein bisschen salopp als „Monolinguose“, fast eine Krankheit bezeichnen. Vielleicht klingt es ketzerisch, aber ich denke, dass in der globalisierten Welt Mehrsprachigkeit ein Muss ist. Weitere Vorteile sind durch Entwicklungspsychologie nachgewiesen worden. Kinder, die zweisprachig erzogen werden, entwickeln sich anders, die Neurologie beweist, dass die Gehirne sich schneller an bestimmte Änderungen anpassen.

 

Die globalisierte Welt setzt doch auf Englisch, oder?

 

Sicherlich kann jemand sagen, dass Englisch lingua franca in der heutigen Realität ist, damit stimme ich völlig überein. Ich würde jedoch sagen, englisch ist Muss und deutsch ist Plus. Die Flächigkeit eines Menschen auf dem Feld des Sprachenlernens ist unbegrenzt.  Wissenschaftler haben bis heute nicht herausgefunden, wie das mit dem Spracherwerb funktioniert, das zeigt, dass die Menschen viel mehr Spielraum haben als wir denken. Manchmal bekommen Kinder zu hören, dass zwei Fremdsprachen in der Schule zu viel sind zum Lernen. Doch da muss ich sagen nein, der Mensch kann sich da sehr schnell anpassen und entwickeln.

 

Erziehen sie Ihre Kinder zweisprachig?

 

Ja. Mit meiner 15-jährigen Tochter ist es nicht so ganz gelungen, da war mein Versäumnis, ihr zu wenig Zeit zu widmen, aber mit der zweiten Tochter setze ich das konsequent durch.

 

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der zweisprachigen Erziehung, gibt es ein Rezept an das man sich halten kann?

 

Meine erste Erfahrung ist, dass man unheimlich viel Zeit mit dem Kind verbringen muss, denn Spracherwerb ist eigentlich eine dynamische Entwicklung. Ich sah gleich, dass ich zu wenig Zeit mit meinen Kindern verbrachte, als bestimmte Sprachfähigkeiten plötzlich rückläufig geworden sind. Das war für mich auch ein Warnzeichen, doch auf einiges zu verzichten und stattdessen mehr Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Das Rezept ist reden, reden, reden. Und nicht den Fehler begehen wie viele es tun: Das ist der Stuhl, auf polnisch krzesło.

 

Wann sollte man am besten anfangen mit dem Kind deutsch zu sprechen?

 

Wir denken rational, und sind der Meinung, dass das Kind noch nichts versteht, und dass wir Zeit haben mit der zweisprachigen Erziehung später anzufangen. Doch die Entwicklungspsychologie sagt eindeutig, dass die Kinder schon im Leib der Mutter Signale aus dem Umfeld wahrnehmen. Schon da gewöhnen sich die Kinder an bestimmte Wörter und Laute. Auch direkt nach der Geburt, mag man denken, der Säugling kann die Welt nicht so wahrnehmen – das ist auch eine Fehleinschätzung. Diese Phase ist wichtig, weil da die Babys lernen, Laute zu unterscheiden. Auch Akzent und Pausen, denn dadurch erkennen die Kinder intuitiv – noch ohne die Sprachen zu unterschieden – wo ein Wort endet oder ein neuer Satz beginnt.

 

Einige Eltern erziehen ihre Kinder nicht zweisprachig, obwohl sie es könnten. Was sagen sie diesen Eltern?

 

Manche Eltern sagen, dass sie nicht fehlerfrei sprechen, und deswegen lassen sie die Zweisprachigkeit in der Familie aus. Dass man Fehler in der Sprache begeht, dass ist ganz normal. Dann muss ich fragen, warum haben sie nicht gezögert den Kindern Polnisch beizubringen? Ich wette, das keiner so richtig polnisch spricht, außer Professor Jan Miodek wahrscheinlich, und bei der polnischen Sprache macht sich keiner Gedanken darüber. Die Frage der Richtigkeit ist nur ein Konstrukt unseres Zeitalters, die Rechtschreibung die ändert sich ja auch. Es reicht schon aus, wenn es eine Bezugsperson gibt, die nur – und konsequent natürlich – die Sprache kommuniziert, und die andere, die das in der anderen Sprache macht.

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