Nach einer Verordnung Bildungsministerin Barbara Nowacka wird Deutsch als Minderheitensprache ab dem ersten September 2024 wieder drei Stunden pro Woche unterrichtet. Darüber und über die Folgen der zweijährigen Diskriminierung sprach der VdG-Vorsitzende Rafał Bartek in einem Interview mit Krzysztof Świerc.
Herr Vorsitzender, wir können schon jetzt sagen, dass die monatelange Stigmatisierung von Kindern, die den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache besuchen, zu Ende ist.
Zunächst einmal ist zu betonen, dass unsere Kinder nun wieder die gleichen Rechte erhalten haben wie andere Kinder der in Polen lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten. In den vergangenen zwei Jahren hatten wir eine bizarre Situation. Die Kinder ukrainischer, litauischer, weißrussischer oder anderer Minderheiten hatten Zugang zu drei Stunden Schulunterricht ihrer Muttersprache, genau wie zuvor, nur unsere Kinder wurden dessen beraubt und auf eine Stunde beschränkt. Glücklicherweise liegt dies nun hinter uns. Es kehrt Normalität ein. Deutsch als Minderheitensprache wird wieder drei Stunden pro Woche unterrichtet. Allerdings ist die Tatsache, dass eine solche Ungleichheit stattgefunden hat, sehr schmerzhaft. Es hätte nie passieren dürfen und wird hoffentlich nie wieder passieren.
Die Wunde ist jedoch schmerzhaft und tief. Wird es Ihrer Meinung nach lange dauern, bis sie verheilt ist?
Ich befürchte, dass wir noch lange mit den Folgen zu kämpfen haben werden, denn die Begrenzung des Sprachunterrichts unserer Kinder auf eine Stunde pro Woche hat eine Reihe negativer Auswirkungen. Sie hat unter anderem dazu geführt, dass die Deutschlehrer an vielen Schulen in anderen Funktionen eingesetzt wurden, also andere Arbeit machten. Mehr noch, viele von ihnen haben Deutsch in der Hierarchie ihrer beruflichen Präferenzen zurückgestuft und sind eher Historiker, Biologen oder Mathematiker geworden, weil sie festgestellt haben, dass eine Stunde Deutsch ihnen keine Festanstellung verschafft! Jetzt muss die Stellung des Deutschen in der Lehrerhierarchie wiederhergestellt werden, damit es seine frühere Position wieder einnimmt, was nicht einfach sein wird.
Und das ist nicht das einzige Problem.
Das stimmt. Es geht auch um das Prestige der deutschen Sprache. In einer Zeit, in der das Englische dominiert, müssen wir dafür kämpfen, dass die deutsche Sprache weiterhin als wichtig angesehen wird. Aber in den letzten zwei Jahren versuchte der Staat, die Kinder, ihre Eltern und die Lehrer davon zu überzeugen, dass Deutsch nicht wichtig ist. Um das Prestige und das Bewusstsein, dass es doch anders ist, wiederherzustellen, liegt jetzt also eine Menge Arbeit vor uns, die auch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher wird es meiner Meinung nach mehr als zwei Jahre dauern, bis die Wunde geheilt ist, die durch die Einschränkung des Unterrichts von Deutsch als Minderheitensprache entstanden ist. Wir stehen somit vor einer sehr ernsten Herausforderung, was aber nichts daran ändert, dass wir froh sind, dass diese traurige und unangenehme Zeit vorbei ist.
Wie Sie erwähnt haben, sind von den Auswirkungen der Diskriminierung nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer betroffen, sodass einige Schulen nun vor einer organisatorischen Herausforderung stehen. Aus diesem Grund hat der VdG bereits Ende Januar dieses Jahres die Gemeinden in den drei Woiwodschaften, in denen Deutsch als Minderheitensprache unterrichtet wird, nach der Personalsituation in den Schulen gefragt, für die die Gemeinden federführend sind. Die gleiche Anfrage wurde im August 2024 an die Gemeinden gerichtet. Welche Schlussfolgerungen wurden gezogen?
Wir sammeln die Rückmeldungen derjenigen, die auf unsere Anfragen geantwortet haben. Die erste Analyse zeigt, dass viele Schulen dieses Problem einigermaßen im Griff haben. Vor allem in der Woiwodschaft Oppeln, wo eine Reihe von Gemeinden beschlossen hat, durch die Diskriminierungsphase hindurch zusätzliche Stunden für den Deutschunterricht einzurichten. Das hat dazu geführt, dass es dort heute keinen Lehrermangel gibt, aber es ist auch eine Tatsache, dass es Berichte über Lehrermangel gibt. Ich glaube allerdings, dass ein Teil der Schulgemeinschaft noch wartet und hofft, dass die Lehrer kommen, sodass wir wahrscheinlich auch in diesem Monat noch Signale zu diesem Thema erhalten werden. Wir brauchen also noch etwas Zeit, um genau zu wissen, wie sich die Situation in den einzelnen Schulen darstellt.
Gibt es etwas, das Ihnen Sorgen bereitet?
Im Allgemeinen gibt es einen Mangel an Lehrern im Bildungswesen, und ein Kind lernt für den Lehrer. Wenn ein Lehrer also ein wenig zufällig ist, könnte die Qualität des Unterrichts darunter leiden, und das ist der Effekt, den ich befürchte. Schließlich haben die Schulen Personalprobleme und könnten deshalb so gut wie jeden nehmen. Ich sage das ganz bewusst, weil ich weiß, dass unsere regionalen Hochschulen in den letzten Jahren keinen Germanistennachwuchs hervorgebracht haben, und die, die heute Germanistik studieren, gehen in der Regel in andere Branchen, nicht in den Schuldienst. Das ist nicht gut für die Sprache, den Unterricht und die Schulen und gibt uns Anlass zu großer Sorge. Deshalb haben wir in letzter Zeit unsere Zusammenarbeit mit einigen Hochschulen intensiviert. Wir versuchen, uns gemeinsam für diesen Beruf einzusetzen, da er nicht nur für die Minderheiten, sondern auch für die Region, in der die Minderheiten leben, von großer Bedeutung ist.
Rafal Bartek: „Es wird mehr als zwei Jahre dauern, bis die Wunde geheilt ist.“
Müssen Schüler der Klassen 7 und 8 weiterhin auf Deutsch als Minderheitensprache verzichten, wenn sie in der 8. Klasse Deutsch als Prüfungsfach wählen?
Sobald Ministerin Lubnauer und Ministerin Barbara Nowacka ein Ende der Diskriminierung signalisiert haben, haben wir das Problem, das 2018/2019 begonnen hat, nämlich die Unmöglichkeit, den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache mit Deutsch als Minderheitensprache zu kombinieren, sofort angemahnt und darauf hingewiesen. Leider konnten wir dieses Problem bis heute nicht lösen. Angeblich gibt es auf ministerieller Seite ein Verständnis dafür, was Ministerin Lubnauer angedeutet hat, aber bis heute haben wir keine Lösung, die dieses Verbot beseitigen oder eine neue Lösung einführen würde. Bei unseren Treffen mit Ministerin Lubnauer haben wir die Möglichkeit erörtert, neue Lösungen in diesem Bereich einzuführen. Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen zu prüfen, ob Kinder, die eine Minderheitensprache lernen, vom Unterricht in einer zweiten Fremdsprache befreit werden können usw. Ich habe versucht, die Ministerin davon zu überzeugen, denn schließlich müssen wir uns vom Wohl des Kindes und der Wirksamkeit des Unterrichts leiten lassen.
Sie haben wiederholt betont, dass es keine Kunst ist, den Kindern im Stundenplan viele Verpflichtungen aufzuerlegen und sich nicht um die Wirksamkeit dessen zu kümmern, was am Ende passiert.
Ja, wenn wir den Kindern die Möglichkeit geben, eine Minderheitensprache vom ersten Jahr der Grundschule an zu lernen, dann sollte der Staat daran interessiert sein, dass die Kinder die Grundschule mit den bestmöglichen Kenntnissen der Minderheitensprache verlassen. Wir haben es hier mit einer bizarren Situation zu tun. Der Staat unterstützt diesen Prozess bis zur sechsten Grundschulklasse und interessiert sich dann nicht mehr dafür, was danach geschieht. Die Folge: Die Kinder entwickeln sich sprachlich nicht weiter, sondern machen oft Rückschritte! Das ist schade, denn es liegt auch im Interesse des polnischen Staates, eine Lösung zu finden, die diesem Prozess irgendwann ein Ende setzt. Ich möchte hinzufügen, dass ich auf ministerieller Seite die Bereitschaft sehe, dieses Thema zu diskutieren, aber es fehlt uns noch eine Plattform, um gemeinsam mit den Minderheiten nach Lösungen zu suchen und diese dann auch umzusetzen.