Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Drang nach barbarischer Rache

Auch der Preußischen Tragödie wird ähnlich wie der oberschlesischen im Januar gedacht. Eine der Gedenkstätten liegt in Frauenburg
Auch der Preußischen Tragödie wird ähnlich wie der oberschlesischen im Januar gedacht. Eine der Gedenkstätten liegt in Frauenburg

Die sogenannte Oberschlesische Tragödie ist im Süden Polens bereits seit Jahren ein gängiger Begriff. Doch seit 2015 ist in den Medien auch von der Preußischen Tragödie die Rede, die oftmals grausamer und brutaler als die in Schlesien war. Neben Mord und Vergewaltigung erinnern sich mache aber auch an Hilfe und Mitgefühl.

 

„An eines aus diesem Krieg, kann ich mich besonders gut erinnern. Ich habe vor Augen, wie meine Mutter zu mir und meinen Geschwistern kommt und sagt, dass wir keine Angst vor den Russen haben müssen, dass es normale Menschen, gute Soldaten sind, dass sie wie alle Soldaten nur Befehle befolgen müssen. Danach habe ich es aber mit eigenen Augen gesehen und verstanden, dass wie in jedem anderen Volk es auch bei denen gute Menschen und Bösewichte gab“, erinnert sich Ruth Dedner, die in Rößel (Reszel), einer kleinen Ortschaft im ehemaligen Ostpreußen das Jahr 1945 erlebt hat. Ruth Dedner war damals 15, eines von Tausenden deutschen Mädchen, die damals in der Region lebten. Nach der Niederlage in Stalingrad, die eine Wende im zweiten Weltkrieg bedeutete, zog sich die Wehrmacht allmählich nach Westen zurück. Ostpreußen, das heute polnische Ermland und Masuren, war die erste Region innerhalb des Deutschen Reiches, in die die sowjetischen Soldaten eingedrungen sind.

 

„Das war schon heftig, was dort passiert ist“, sagt im Film „Nemmersdorf 1944“ Johannes Gottschalk, der damals Soldat war. Wie auch andere berichtet Gottschalk von zahlreichen Gräueltaten, denen vor allem die deutsche Zivilbevölkerung zum Opfer fiel. Das Hauptmotiv der Kriegsverbrechen der Sowjetsoldaten war vor allem Rache für die brutale Vorgehensweise der Wehrmacht und vor allem der Sondereinheiten der SS im Osten. Doch wie Augenzeugen berichten, konnte man einiges auch nicht mit Rache begründen: „Ich meine mich erinnern zu können, dass wir Frauen gesehen haben, die an den Scheunentoren von russischen Soldaten festgenagelt wurden. Auch der Pfarrer von Nemmersdorf wurde auf eine solche Art und Weise umgebracht und verstümmelt“, sagt Gottschalk.

 

Solche Erinnerungen hat auch Ruth Dedner. Während für einige die mitangesehenen Verbrechen zu grausam sind, um sich daran zu erinnern, erzählt sie, wie ihr Vater in russische Gefangenschaft geraten ist, wie ihre Mutter, ihre Schwerster und schließlich auch sie in einem Lager für Deutsche inhaftiert wurden, wie sie mehrfach von Sowjetsoldaten vergewaltigt und misshandelt wurde. Dedner, die heute den Namen Wiśniewska trägt, überlebte aber die Preußische Tragödie, ihre Freundin Erika Kalinowska hatte kein so großes Glück, sie beging Selbstmord, um nicht miterleben zu müssen, wie die Russen sie vergewaltigen. Als die sowjetischen Truppen weiter nach Berlin zogen, und die polnische Verwaltung Ostpreußen besetzte, wurde es nach Dedner auch nicht besser. Um von der polnischen Sicherheitsbörde nicht den Russen zur Deportation ausgeliefert zu werden, musste sie einen Polen heiraten, mit gerade mal 17. Zeit ihres Lebens verbrachte sie in Deutschland, doch trotz schwieriger Erinnerungen fühlte sie sich immer zu Rößel hingezogen.

 

Ein Merkmal der Preußischen Tragödie war aber nicht nur der barbarische Drang, sich an den Frauen für das zu rächen, was einem die Männer angetan haben. Auch männliche Zivilisten, sogar Kleinkinder, fielen Erschießungen zum Opfer oder wurden totgeschlagen. Die russische Heeresleitung hat solche Gewaltakte nur selten bestraft, manchmal sogar dazu ermutigt, was allgemeine Zustimmung für die Gewalt bedeutete. Die Moral der Soldaten war insofern verdorben, weil sie viele Monate oder Jahre nichts anderes als Tod und Schmerz gesehen haben.

 

Doch nicht nur Brutalität war im Jahr 1945 und danach in Ostpreußen an der Tagesordnung. Der Schriftsteller Arno Surminski, erinnert sich in einem seiner Werke, dass ihn bei seiner Flucht aus der Heimat ein russischer Soldat auf den Schoss nahm, ihm Bonbons gab und ihm Lieder vorgesungen hat. Andere Menschen berichten, wie Russen die Häuser betraten, jedoch keinem was zuleide taten, sie wollen nur etwas zum Essen und gingen wieder. Wieder andere blieben eine Weile, beschützten deutsche Familien, denen andere Soldaten etwas antun wollten.

 

Wie viele Opfer die Preußische Tragödie forderte ist unklar. Der Bund der Vertriebenen, geht von zwei Millionen Toten in allen deutschen Ostgebieten aus. Bis zu 14 Millionen Menschen wurden aus den Ostgebieten vertrieben.

 

Łukasz Biły

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