Mit MdB Natalie Pawlik, der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sprach Andrea Polanski.
Können Sie sagen, wie die Finanzierung der deutschen Minderheiten sich im nächsten Jahr gestalten könnte? Müssen wir mit Kürzungen rechnen, auch angesichts der bevorstehenden Neuwahlen?
Die Bundesregierung ist sich ihrer besonderen Verantwortung für die deutschen Minderheiten bewusst. Wir nehmen die Aufgaben sehr ernst, die deutschen Minderheiten auf vielfältige Art und Weise zu unterstützen – auch finanziell. Infolge der aktuellen Ereignisse in der Bundesregierung wird der Zeitplan für die Verabschiedung des Haushalts 2025 voraussichtlich nicht eingehalten werden können. Die Einzelheiten für den Fall einer vorläufigen Haushaltsführung werden noch zu bestimmen sein. Ich gehe davon aus, dass auch im Rahmen einer vorläufigen Haushaltsführung 2025 die bereits bestehenden Projekte und Vorhaben des BMI weitergeführt werden können. Priorität hat dabei die Sicherung der notwendigen Personal- und Betriebskosten zur Aufrechterhaltung der Organisationsstruktur der deutschen Minderheiten im Ausland. Sie können sich sicher sein, dass ich mich für die Belange der deutschen Minderheiten mit voller Kraft einsetzen werde.

Foto: Anna Voelske
In vielen Ländern, in denen es deutsche Minderheiten gibt, sind die Lebenshaltungskosten und das Gehaltsniveau gestiegen, unter anderem bei uns in Polen oder auch in Tschechien. Die deutsche Minderheit ist als Arbeitgeber finanziell oft nicht mehr konkurrenzfähig. Wird es in Berlin wahrgenommen? Wie will die Bundesregierung dem entgegensteuern und welchen Einfluss hat sie sowohl auf die Gehälter, als auch auf die Projektgelder bei den deutschen Minderheiten? Wie werden diese Gelder in Berlin definiert?
Gestiegene Lebenshaltungskosten sind für alle deutschen Minderheiten – von Klaipėda bis Hermannstadt bzw. von Oppeln bis Taschkent – eine große Herausforderung. Für mich ist klar: nachhaltige Projekte benötigen eine ausreichende Finanzierung. Der Deutsche Bundestag stellt die Fördermittel für die deutschen Minderheiten zur Verfügung. Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen. Institutionelle Förderungen sind ausgeschlossen. Die Feststellung einer angemessenen Gehaltsstruktur begegnet verschiedenen Schwierigkeiten. Es kann bei begrenzten finanziellen Mitteln nicht einfach darum gehen, die Inflationsentwicklung im jeweiligen Land durch die Gehälter nachzuzeichnen. Optimaler Weise ist vielmehr ein Ausgleich zu finden zwischen den Aspekten „Systematik – Mitarbeiterzufriedenheit – Finanzierungsmöglichkeit“. Zudem sind zur Bestimmung des Gehaltsniveaus auch volkswirtschaftlich nachvollziehbare Kriterien heranzuziehen. Hierzu können z. B. vergleichbare Positionen in der Privatwirtschaft bzw. im öffentlichen Dienst oder das Mietpreisniveau in der jeweiligen Gegend zählen. Zusätzlich erfolgt ein interner Gehaltsvergleich, d. h. zwischen den verschiedenen Verantwortungsebenen muss ein hinreichender Abstand eingehalten werden. Im Zuwendungsrecht ist es zwingend notwendig, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Personal- und Projektkosten besteht. Zudem muss ein Eigeninteresse an den Projekten nachgewiesen werden. Dies drückt sich unter anderem durch ehrenamtliches Engagement aus. Beide Punkte gewinnen immer mehr an Gewicht.
Die Strukturen der deutschen Minderheiten werden älter, Jugendliche sind schwerer zu erreichen als noch vor ein paar Jahren und die Mitgliederzahlen werden geringer. Wie schätzen Sie den Einfluss dieser demografischen Entwicklungen auf die Zukunft der deutschen Minderheiten ein?
Es liegt an den Minderheiten, der demografischen Entwicklung zu begegnen. Durch kreative Maßnahmen und zeitgemäße Projektideen können Jugendliche für eine langfristige Mitarbeit in den Selbstorganisationen begeistert werden. Hier geht es nicht nur um den aktiven Einsatz der Selbstorganisationen, sondern gerade auch um den Einsatz der mittleren und älteren Generation, um die Jugendlichen zu motivieren.
Die Jugendarbeit ist bereits jetzt eine zentrale Säule unserer Projektförderung.
Die traditionelle Vereinsarbeit ist sowohl in Deutschland als auch in den Ländern der deutschen Minderheiten deutlich weniger attraktiv für junge Menschen. Wie können sich die deutschen Minderheiten anders aufstellen, aber was kann auch Berlin machen, um die Minderheiten in dieser Situation zu unterstützen?
Die Jugendarbeit ist bereits jetzt eine zentrale Säule unserer Projektförderung. Viele Projekte schulen die Jugendlichen in der Vereinsarbeit und sind auch so gestaltet, sie zum Weitermachen zu motivieren. Entscheidend ist, dass ein Gleichgewicht zwischen Eigeninitiative und Hilfe besteht. Durch gemeinschaftliche Erlebnisse lernen die Jugendlichen den Wert der Gemeinschaft der deutschen Minderheit und deren Identität kennen. Zugleich vermitteln unsere Projekte den Jugendlichen die Werkzeuge, die sie benötigen, um weiter gemeinsame Aktivitäten zu entfalten und so die Gemeinschaft weiter auszubauen.
Jugendliche sind viel in den sozialen Netzwerken unterwegs, schon weniger in traditionellen Medien. Die Medien der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa, sowie Zentralasien, kommen diesen Entwicklungen nur schwer hinterher. Welche Lösungsansätze sehen Sie hier?
Viele der geförderten Projekte beziehen digitale Medien auf mannigfaltigste Weise ein. So werden für einige Maßnahmen sogar eigene Apps programmiert. Andere Projekte drehen sich ausschließlich darum, Jugendliche im Bereich der Social-Media-Arbeit auszubilden. Nehmen Sie die Jugendlichen in ihren Organisationen in die Verantwortung – ich bin sicher, es gibt viele, die gerne auf den entsprechenden sozialen Medien über das Engagement von Jugendlichen und für Jugendliche der deutschen Minderheiten berichten. Ohne vielfältigen Einsatz von jungen Menschen geht es nicht!
Ist die Bundesregierung daran interessiert, dass die deutschen Minderheiten demografisch stabil bleiben? Was wären die Konsequenzen, wenn sie um 30, 40 oder gar 50% kleiner werden würden?
Der Deutsche Bundestag weist der Bundesregierung jährlich Mittel für die Förderung der deutschen Minderheiten zu. Diese Zuweisung ist Ausdruck der historischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs. Diese Verantwortung besteht dem Grunde nach unabhängig von der Anzahl der betroffenen Personen. Hinsichtlich der Höhe der zugewiesenen Mittel wird der Deutsche Bundestag jedes Jahr aufs Neue bewerten, inwieweit die Mittel den bei den jeweiligen deutschen Minderheiten bestehenden Bedarf decken.