Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein junger Schlesier in Deutschland

Mit Tobias Schulz aus Bonn, dem Bundesjugendbeauftragen der Landsmannschaft Schlesien, sprach Andrea Polański, über seine schlesische Identität und die Tätigkeit der Jugend in der Landsmannschaft.

Wusstest Du schon immer, dass Deine Familie Wurzeln in Schlesien hat?

Nein, tatsächlich nicht. Ich habe es erst letztes Jahr durch Zufall erfahren, als ich bei meinem Großvater mütterlicherseits zu Besuch war. Er hat mir davon erzählt, dass er gegen Ende des Krieges für eine gewisse Zeit zu Verwandten nach Liebenthal, Lubomierz in Niederschlesien geschickt wurde, aber später wieder ins Rheinland zurückgekehrt ist. Zuvor hatte er es nie erwähnt. Er war damals noch ein kleines Kind und erinnerte sich dementsprechend nicht mehr genau daran. Er wurde aufgrund der zunehmenden Bombardierungen der Alliierten dorthin geschickt. Ich versuchte, etwas mehr zu erfahren, aber mein Opa erinnert sich wirklich an wenig und auch andere Familienmitglieder konnten mir nicht weiterhelfen bei der Frage, wer die Verwandten in Schlesien genau sind. Warum gibt es keinen Kontakt? Warum wurde das Thema verschwiegen? Darauf konnte ich leider keine Antworten finden.

 

Die Geschichte Schlesiens wird im deutschen Schulsystem nur gering thematisiert. Hast Du als junge Person gespürt, dass da etwas fehlt, dass nicht alles gesagt wurde oder hat man es nicht so wahrgenommen?

Ich kann diese Frage ganz einfach beantworten. In meiner Schulbildung wurde Schlesien mit keinem einzigen Satz erwähnt. Die Weltgeschichte wurde chronologisch von der Römerzeit bis heute aufarbeitet, jedoch ist Schlesien nie vorgekommen. Durch mein Interesse an Geschichte, insbesondere auch an der deutschen Geschichte, habe ich mich jedoch selbstständig informiert und bin dabei auf Schlesien gestoßen. Ich wusste seinerzeit noch nichts über meine schlesischen Wurzeln, aber trotzdem hat mich das Thema neugierig gemacht, sodass ich selbst mein Wissen vertieft habe. Ich finde, dass die Geschichte Deutschlands ein wichtiges Thema ist, welches von größter Bedeutung für unser Land ist. Aus der Geschichte kann man sehr viel lernen und für die Gestaltung der Zukunft nutzen.

Tobias Schulz
Fot: apo

Gab es Situationen, in denen Du Deinem Umfeld über Deine schlesischen Wurzeln erzählt hast? Welche Reaktionen gab es darauf?

Im letzten Jahr habe ich mich mit vielen Menschen über Schlesien und insbesondere auch meine Wurzeln in Schlesien gesprochen, wobei meine Erfahrung bestätigt wurde, dass fast niemand mehr in Deutschland etwas mit Schlesien anfangen kann. Die meisten wissen nicht einmal mehr, was Schlesien überhaupt ist, für andere war es nur ein Begriff. Das hat mich dazu bewegt, mich umso mehr für Schlesien einzusetzen. Ich finde, Schlesien wird in der Gesellschaft zu wenig gewürdigt. Es ist eine Region, die Potential hat, Menschen zu begeistern. Es gibt so viel zu entdecken, was einzigartig ist.

 

Heimat kann ein Ort sein, Menschen, Gefühle. Was ist Heimat für Dich und spielt auch Schlesien dabei eine Rolle?

Heimat ist für mich in erster Linie meine Heimatstadt Bad Godesberg, also der Stadtbezirk von Bonn, in dem ich aufgewachsen bin. Es ist das Gefühl der Geborgenheit, welches ich sowohl mit dem Ort selbst als auch mit den Menschen verbinde. Das trifft für mich auch auf Schlesien zu. Ich war bislang nur 4-mal da, doch dank des Bewusstseins der Geschichte und der eigenen Wurzeln habe ich jedes Mal das Gefühl, Zuhause zu sein.

 

Wie bist Du auf die Landsmannschaft Schlesien aufmerksam geworden?

Ich war bei der Jungen Union in meiner Heimatstadt 5 Jahre Stadtbezirksvorsitzender und habe dadurch Stephan Rauhut kennengelernt, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft ist. Er hat mich damals zu einer Begegnung zwischen Jugendlichen aus Schlesien und dem Rheinland ins Haus Schlesien nach Königswinter eingeladen. Aufgrund meines Interesses an Geschichte hat er mir vorgeschlagen, als Referent im Rahmen mehrerer Seminare Vorträge zu halten. Das Lustige hierbei ist, dass ich zu dem Zeitpunkt, als ich schon mit der Landsmannschaft zusammengearbeitet habe, noch nichts über meine Wurzeln in Schlesien wusste.

 

Du bist seit Oktober 2020 Bundesjugendbeauftragter der Landsmannschaft Schlesien und Ihr seid gerade dabei, die Jugendstruktur wieder zu aktivieren. Was steht für Euch alles an?

Wir bauen seit Dezember letzten Jahres einen neuen Jugendverband auf, das „Junge Schlesien“. Als erstes sammeln wir neue Mitglieder, bauen den Kontakt zu anderen Jugendorganisationen auf und planen eine komplett neue Struktur. Wie möchten zeitgemäß in den sozialen Medien präsent sein, also bauen wir da unsere Kanäle aus. Besonders freue ich mich dabei über die Zusammenarbeit mit dem Bund der Jugend der Deutschen Minderheit in Polen. Uns verbindet eine gemeinsame Geschichte und auch das gemeinsame Interesse an Schlesien ist deutlich spürbar. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber es sind interessante Initiativen zusammen geplant.

 

Eure Tätigkeit dreht sich also um Schlesien. Was hoffst Du, damit zu erreichen?

Mein Ziel ist es, Schlesiens Popularität zu steigern. Sowohl das Land, die Kultur als auch die Menschen sind besonders und dafür möchte ich andere begeistern. Egal, ob Vertriebene, Aussiedler oder die Nachkommen – das Bewusstsein für die Identität sollte erhalten bleiben.
Auf Euren Social Media konnte man neulich sehen, dass Ihr Dreharbeiten in Niederschlesien hattet. Kannst Du verraten, was es für ein Projekt ist?
Wir haben unter anderem sowohl einen Promotionsspot als auch einen Film und die Moderation für unser Deutschlandtreffen gedreht. Eigentlich war es live in Hannover geplant, jedoch wird es dieses Jahr digital über die Bühne gehen. Es findet am 26. Juni um 11:00 Uhr via Facebook und YouTube über die Seite der Landsmannschaft Schlesien statt.

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