Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Magazin ohne Tabuthemen

CoverPaweł Knap ist begeistert von seiner Heimatstadt. Vor allem das historische Stettin (Szczecin) fasziniert den jungen Historiker. Interessante und kuriose Themen veröffentlichen er und einige Mitstreiter in dem Magazin „Szczeciner“.

 

Ein Spaziergang mit Paweł Knap durch Stettin in spannender als jede Stadtführung. Einmal ins Erzählen gekommen, kann selbst die Sirene des Krankenwagens den 32-Jährigen nicht mehr stoppen. Er deutet die vierspurige ul. Kardynała Wyszyńskiego hinunter: „Hier, in der ehemaligen Breiten Straße, reihten sich früher Geschäft an Geschäft. Hier tobte das Leben. Heute tobt hier nur noch der Verkehr und die Nachkriegsbauten sind ziemlich hässlich. Nichts erinnert daran, wie schön diese Ecke von Stettin früher war.“

 

Paweł Knap ist in Stettin geboren und hat immer dort gelebt. Der Historiker arbeitet im Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej), in seiner Freizeit ist er Chefredakteur und Herausgeber des Magazins „Szczeciner“, was bisher einmal und zukünftig zweimal jährlich erscheint. Darin werden historische Themen aus Stettin jeder Couleur neu aufgerollt, seien es Piraten, die alte Straßenbahn oder Porträts von Persönlichkeiten, wie dem Reeder Franz Gribel oder der Kaufmannsfamilie Stedtnitz. Und auch das Thema der Vertreibung der Deutschen aus Stettin ist kein Tabu für Paweł Knap und seine Mitstreiter.

 

Meist zu viert arbeiten sie an einer Ausgabe. Sie sammeln zuerst die Themen, oft bekommen sie Informationen von Stettinern oder sie finden alte Fotos in Archiven, die Aufhänger einer Geschichte werden. Welche Themen es dann letztendlich ins Magazin schaffen, entscheiden die Herausgeber gemeinsam. Unterstützt werden Paweł Knap und sein Team vom Präsidenten der Stadt Stettin und verschiedenen anderen Sponsoren. Das Geld reicht für den Druck, aber nicht für Honorare. „Die Finanzierung ist schwierig. Wir verdienen selber nichts. Die Arbeit macht einfach Spaß. Aber natürlich wäre es ganz schön, wenn wir in Zukunft ein bisschen mit dem Magazin verdienen würden“, sagt Knap.

 

Das Magazin „Szczeciner“ erscheint in einer Auflage von 1.000 Stück. Zusätzlich gibt es eine Facebookseite, von Knap, seinen Kollegen oder auch Lesern, die Artikel, Fotos oder Neuigkeiten posten. Das Logo des Magazins ist ein Greif, wie im Wappen der Hafenstadt, jedoch stilisiert als Comicfigur mit Schirm, Stock und Melone. Auch eine Homage, die an vergangene Zeiten erinnert. Den Namen „Szczeciner“ hat Knap bewusst gewählt. Es ist eine Bezeichnung für die Bewohner Stettins, eine Mischung aus polnisch und deutsch. Die Endung „er“ habe jedoch auch etwas internationales, er habe sich an dem Magazin „New Yorker“ orientiert, sagt der Stettiner.

 

Es gibt auch Stettiner, denen der Name des Magazins nicht gefällt. Paweł Knap hat sich schon den Vorwurf anhören müssen, er sei germanophil, also deutschlandfreundlich. Darüber kann der junge Historiker nur lächeln. „Das Stettin vor dem Krieg gehört genauso zu unserer Geschichte. Es gibt viele interessante Geschichten aus dieser Zeit, die nicht vergessen werden sollten.“ Knap ist es auch wichtig, die Geschichte in die Gegenwart zu holen und Diskurse anzuregen. Besonders am Herzen liegt ihm dabei der Stadtteil Podzamcze, die ehemalige Unterstadt.

 

Es ist der älteste Teil Stettins, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag und nur halbherzig wieder aufgebaut wurde. Immerhin bieten das alte Rathaus und die handvoll aufwendig renovierter Bürgerhäuser ein beliebtes Fotomotiv. Aufgefüllt wurde der Platz, der früher Heumarkt hieß, mit 50er und 60er-Jahre-Bauten und bonbonfarbenen Neubauten, die wage an den Stil der alten, schmucken Bürgerhäuser erinnern. Dazwischen Brachflächen und Bauzäune. Über die Entwicklung und Pläne für den Wiederaufbau dieses Stadtteils hat Paweł Knap seine Magisterarbeit geschrieben. Jetzt steht er an einem grafittibeschmierten Blechzaun und seufzt: „Hier könnte die Stadt noch Geschichte atmen. Hier hätte man die Möglichkeit, an das Erbe der Vergangenheit zu erinnern. Aber hier ist nur Dschungel.“

 

Anfang der 90er -Jahre gab es einmal eine Initiative auf den alten Grundmauern Neubauten zu errichten, die zwar in Höhe und Breite den ehemaligen Häusern entsprechen mussten. Das Projekt endete im Jahr 2000 wegen fehlender Investoren. Der Historiker Knap sagt: „Ich hoffe, dass nicht irgendwann ein Investor hier ankommt, mit viel Geld wedelt und dann machen kann, was er will. Sondern das die Stadt den Wiederaufbau lenkt, auch im Sinne der Geschichte.“

 

Juliane Preis.

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