Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Nürnberger in Ermland-Masuren (Teil II)

Wenn ich heute etwas persönlicher zurückblicke, steht vor allem eine Erfahrung im Mittelpunkt: die vielschichtigen Verflechtungen im Alltag und die verschiedenen Rollen, die man darin einnehmen kann. Die scheinbar einfachste davon: ein Deutscher in Polen zu sein. Wie hat einmal jemand treffend gesagt? „Jeder ist im Ausland ein Botschafter seines eigenen Landes.“

Botschafter meines eigenen Landes – diese Rolle begann im Jahr 2000 vor einem Geschäft mit Elektrogeräten, in dessen Schaufenster ein Fernseher stand. Davor eine Gruppe Menschen, die keinen Bildschirm zu Hause hatten. Mich eingeschlossen.
Es war Herbst, übertragen wurde Skispringen. Wir alle standen gebannt vor dem Schaufenster und verfolgten das Skispringen. Damals begann die Dauerkonkurrenz zwischen dem polnischen und deutschen Team – Schmitt und Małysz auf der Schanze. Und die deutschen Sportreporter versuchten verzweifelt, den Namen des polnischen Skispringers richtig auszusprechen. Es bedeutete für die Polen um mich herum sehr viel, dass ich als Deutscher zumindest so gut Polnisch sprach, dass ich seinen Namen richtig aussprechen konnte.

Es war auch wichtig für die Mitglieder der deutschen Minderheit und für meine Arbeit, dass ich Polnisch sprechen konnte. Denn die deutsche Sprache war ein Schwachpunkt vieler Aktiver der deutschen Minderheit, die in ihrem Leben kaum die Chance gehabt hatten, Deutsch zu lernen.

 

Kultur in der Wildnis, Kajaktour Biebrza 2002 Foto: privat

 

Deutsch in der Schule und als Muttersprache

Zwar galt seit dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag das Prinzip, dass die deutsche Minderheit ihre Sprache lernen durfte. Doch der Deutschunterricht war zwar in den deutschen Vereinen lebendig, jedoch noch nicht weit ins öffentliche Schulsystem vorgedrungen. Eine wichtige Initiative des Verbandes der deutschen Gesellschaften im ehemaligen Ostpreußen war daher, das zu ändern: die Eltern zu Anträgen zu bringen, das Interesse zu wecken, Mut zu machen. Neben mir als Kulturassistent des Instituts für Auslandsbeziehungen waren damals in der Runde Krystyna Winnicka und Urszula Mańka aus Mohrungen, Helmut Maczasek aus Ortelsburg und vor allem eine junge Studentin der Germanistik, Sabina Wylengowska aus Neidenburg.

Auch wenn die damaligen Bemühungen kaum unmittelbar Früchte trugen, der Samen war gelegt, das Wasser begann in steten Tropfen den Stein auszuhöhlen.
Und wenige Jahre später schon war Deutsch in Sprachschulen und an Schulen selbstverständlich, Lehrer aus Deutschland vor Ort und die ersten Schulpartnerschaften erblickten das Licht der Welt. Zwei- und Mehrsprachigkeit folgten auf den Beitritt Polens zur Europäischen Union. Und der Wunsch, die eigene regionale Kultur mit Deutsch als Muttersprache zu pflegen. Besonders erfolgreich ist dieser Unterricht heute nicht von ungefähr im Kreis Neidenburg. Denn dort ist die junge Sabina von damals inzwischen Lehrerin und Fachbetreuerin für Deutsch als Sprache der nationalen Minderheit und setzt sich auch als Vorsitzende der deutschen Minderheit dafür ein.

 

Germanistik und Jugend der deutschen Minderheit

Und Sabina Wylengowska ist nicht das einzige Beispiel einer Verbindung der Jugend der deutschen Minderheit mit der Germanistik, die damals an der Ermländisch-Masurischen Universität in Allenstein aufgebaut wurde. Als Lektor hatte ich dort die angenehme Pflicht, praktisches Schreiben zu unterrichten. In einer Gruppe mit fünf Monikas. Alle fünf Monikas waren sehr gut und – aus der deutschen Minderheit.
Auch der „Kreis junger Germanisten“ setzte sich zu einem großen Teil aus Mitgliedern der Minderheit zusammen. Eine dreiköpfige Delegation kam mit der Bitte auf mich zu, sie zu betreuen, was ich gerne übernahm. Wir organisierten zusammen eine intensive Studienfahrt nach Deutschland. Eine junge Dame aus der Delegation wurde einige Jahre später meine Ehefrau.

Die vielfältigen Kontakte der jungen Menschen in der Universität mündeten schließlich in einer Zukunftswerkstatt mit Studierenden verschiedener Fachrichtungen. Jugendliche der deutschen und ukrainischen Minderheit sowie der polnischen Mehrheit waren dabei, und unter anderem auch Mitglieder des Sejmik-Jugendparlaments der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Manche Ideen, die seither in der Region im Alltag umgesetzt wurden und werden, kommen mir aus dieser Veranstaltung irgendwie bekannt vor. Als ob einige Teilnehmer den Weg in die Politik gefunden hätten.

 

 

Kleckern, nicht klotzen

Neben diesem Projekt war das damals größte Ereignis eine gemeinsame Kajaktour von Jugendlichen der ostpreußischen, der Thorner und der Breslauer deutschen Minderheit auf der Biebrza. Auf dieser Tour entstanden übrigens einige lebenslange Freundschaften und im Laufe der Jahre nicht nur eine Ehe. Auch wenn die Mittel dafür daher sehr gut angelegt waren, waren viele kleine, kostengünstige Veranstaltungen mit Eigeninitiative wichtiger für die deutsche Minderheit. Und solche mit Verbindung zu anderen Gruppen und Organisationen wie der Kulturgemeinschaft Borussia in Allenstein, der Germanistik oder der ukrainischen Minderheit.
Wenn man mitten im Organisieren, Busfahrpläne wälzen, Mittel kalkulieren, Berichte schreiben, Artikel übersetzen und Radiomoderationen kontrollieren steckt, geht manchmal der Überblick verloren.

Im Rückblick wird mir aber immer wieder deutlich, wie viel auf die Beine gestellt wurde, gemeinsam, über die Jahre. Aber darüber gibt es demnächst noch mehr zu lesen.

 

Text: Uwe Hahnkamp

 

Den ersten Teil lesen Sie hier:

Ein Nürnberger in Ermland-Masuren (Teil I)

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