Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Nürnberger in Ermland-Masuren (Teil III)

Uwe Hahnkamp, unser wichtigster Redakteur in Allenstein, feiert in diesem Jahr ein ganz besonderes Jubiläum. Seit 20 Jahren lebt er – er selbst ist gebürtiger Nürnberger – in Ermland-Masuren. In seinen letzten beiden Artikeln hat er bereits einen Blick zurück geworfen und uns von seinen größten Abenteuern der vergangenen 20 Jahre erzählt. Mit diesem dritten Teil schließt er seine Reihe „20 Jahre in Ermland-Masuren“ ab.

 

Ein detaillierter Rückblick über zwei ganze Jahrzehnte würde, selbst wenn er kurz gefasst wäre, diese Zeilen sprengen. Denn was nicht viel erscheint, wenn man es gerade durchmacht, wird eine große Menge, wenn man zurückschaut. Es werden also auch diesmal nur Stichpunkte, einzelne Ausschnitte sein, die ich im Laufe dieser Jahre erleben und beobachten konnte.

 

Und in diesem Wort ´beobachten´ steckt auch schon der große Unterschied meiner zwei Lebensabschnitte in der Woiwodschaft Ermland-Masuren.
Der erste Abschnitt war kurz und intensiv: Er begann als Kulturassistent des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) und forderte mich in meiner aktiven, gestalterischen Rolle. Hier war ich gefordert als Dozent, als Korrektor, als Organisator. Da damals nach zwei Jahren die Stelle beim ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) nicht verlängert werden konnte, war dieser Abschnitt allerdings schon nach 2 Jahren zu Ende. Ich kehrte zunächst nach Deutschland zurück. Mein ´Erlebnis Ostpreußen´ zu beenden – gelang mir allerdings nicht.

Ich kam wieder zurück nach Ermland-Masuren. Und in diesem zweiten Lebensabschnitt, der hier begann, war meine Rolle vor allem die eines Beobachters.

 

Was hatte mich zur Rückkehr bewogen? Der Kontakt nach Masuren war auch über die 2 Jahre als ifa-Kulturassistent hinaus geblieben, ich konnte zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Polens in Danzig sein, meine Zeitstelle an der Universität in Münster/ Westfalen lief aus, Polen bot Chancen, an seiner interessanten Entwicklung teilzuhaben, und nicht zuletzt: meine Verlobte in Allenstein wurde meine Ehefrau.

Grund genug für den zweiten deutlichen Schnitt und den Sprung zurück nach Ermland-Masuren im Jahr 2006.

 

Wenn der Vater mit dem Sohne… Drachensteigen 2011
Foto: privat

 

Der rasende Reporter der deutschen Minderheit

Als kurz darauf frisch gebackener Vater waren die zeitlichen Möglichkeiten noch etwas begrenzt. Aber es dauerte nicht lange und ich wurde Teil der Radiosendung „Allensteiner Welle“. Deren Gründung hatte ich 2001 miterleben und begleiten dürfen. Die dafür erforderlichen Radio-Fähigkeiten hatte ich bei einer wöchentlichen Sendung im Bürgerfunk in Münster ausbauen können. Ohne einen Cent zu verdienen, aber mit der Chance, lokale Themen spannend zu präsentieren. Und genau das wurde seither meine Aufgabe für die deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Ermland-Masuren.

Meine Einsätze waren nie so spektakulär wie die von Egon Erwin Kisch, dem großen Vorbild des rasenden Reporters. Aber die Themen waren immer breit gestreut und die notwendigen Fahrten geographisch ebenso. Von Danzig mit dem deutschen Generalkonsulat bis nach Goldap kurz vor die litauische Grenze, von Johannisburg bis nach Deutsch Eylau und Neidenburg. Ich war zu Besuch bei Veranstaltungen der deutschen Vereine, bei deutsch-polnischen Projekten, auf Jubiläen oder Treffen von Städtepartnerschaften. Ich war zugegen bei Kinderfreizeiten, Werkstätten oder sportlichen Begegnungen. Und später konnte ich all das auch festhalten für die Monatszeitschrift der regionalen deutschen Minderheit „Mitteilungsblatt“ und seit 2011 auch für das „Wochenblatt.pl“.

Mein erstes Thema von damals spielt auch zehn Jahre später noch eine große Rolle: Es ging um eine Konferenz in Allenstein zum Thema Zweisprachigkeit.

 

Änderungen im Alltag

Es tut natürlich gut, wenn man dank der neu ausgebauten Straßen nicht mehr so lange nach Danzig und auch sehr viel kürzer nach Hohenstein, Sensburg oder Rastenburg braucht, um die Vereine der deutschen Minderheit zu besuchen. Dafür verlangt das Leben im früher gemütlicheren Ostpreußen mit seinem geruhsameren Tempo – und das ist durchaus auch historisch zu sehen – heute auch eine schnellere Lebensweise, eine Hektik, die nicht immer guttut. Es ist kein Wunder, dass mehrere kleinere Städte der Region sich der „Cittaslow-Bewegung“ angeschlossen haben, die eine entschleunigte Lebensweise mit Förderung der lokalen Produkte propagiert.
Apropos Produkte: während meiner Zeit als ifa-Kulturassistent gab es an vielen Straßen noch kleine Buden, häufig Container aus Stahl, die als Mini-Läden der wirtschaftlichen Tätigkeit der Besitzer Flügel verliehen. Vor meiner Dienstwohnung gab es gleich mehrere dieser Buden. In einer gab es Drogerieartikel, die zweite daneben bot alle Kleinigkeiten, die man bei Großeinkäufen vergessen hatte und die dritte war ein Brotstand. Dort, in dieser dritten Bude, gab es ein Vollkornbrot aus gesäuertem Teig zu kaufen, das mir heute

noch allein beim Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen laufen lässt. In einem kleinen Lebensmittelladen gegenüber gab es Milch noch in Schläuchen.
Heute sieht es anders aus: Die Buden wurden vor wenigen Jahren abgeschafft. Milch gibt es nur noch in Plastikflaschen, die Tante-Emma-Läden sind verschwunden. Einige Produkte, die ich lange vermisste, wie etwa guten Käse, bestimmte Backzutaten oder Schokoriegel sind hingegen inzwischen problemlos in den Supermärkten zu bekommen.

 

Sprung in die Zukunft dank der EU

Ein wichtiger Punkt der Änderungen war der Beitritt Polens zur Europäischen Union. Denn mit dem Beitritt floss mehr Geld ins Land. Es gab jetzt Gelder für die wirtschaftliche Entwicklung, den Ausbau der Universität in Allenstein, viele Burgen und Museen konnten in neuem Glanz erstrahlen, es gab Hilfen für die Landwirtschaft, Unterstützung für Organisationen und kleinere Projekte und das digitale Netz konnte ausgebaut werden.
Gab es Anfang des Jahrhunderts vielerorts nicht einmal Anschlüsse für das Festnetz, sprießen heute überall Masten der Handynetzbetreiber aus dem Boden. Die Mitglieder der deutschen Minderheit kommen einfacher an deutsches Fernsehen und Kontakte zur deutschen Kultur.

 

Auch wenn mein zweiter Lebensabschnitt hier in Ermland-Masuren vor allem um das Wort ‘beobachten’ kreist, bin ich noch immer kein reiner Beobachter der deutschen Minderheit. Ich nehme teil, habe im Laufe der Jahre mehrere Seminare zu Radioarbeit organisiert, viele junge engagierte Menschen aus der Minderheit groß werden sehen und einige ifa-Kulturmanager in ihrer Arbeit begleiten dürfen.
Selbst wenn es insgesamt schwieriger wird, es ist immer wieder neu, schön und nicht selten überraschend. Danke.

 

Uwe Hahnkamp

 

Teil zwei lesen Sie hier:

Ein Nürnberger in Ermland-Masuren (Teil II)

 

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