Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Eine Insel der Moderne

 

Etwas ab vom Zentrum der Stadt, eingebettet zwischen Jahrhunderthalle, Zoo und dem ehemaligen Straßenbahndepot, liegt Breslaus (Wrocław) beeindruckendes Stück architektonischer Moderne. In der WuWA-Siedlung (Wohnung und Werkraum Ausstellung) durften Werkbund-Architekten 1929 ihren Traum vom zeitgemäßen Wohnen verwirklichen. Die Siedlung feiert in diesem Jahr ihr neunzigstes Gründungsjubiläum und ist auch heute noch allemal einen Ausflug wert.

 

Das WuWa-Cafe ist der Startpunkt der Erkundungstour.
Foto: Tomáš Randýsek

 

Die Breslauer Mustersiedlung ist eines von sechs Projekten dieser Art, die in den 1920er und 1930er Jahren vom Werkbund in Mitteleuropa – unter anderem auch in Prag und Brünn – erbaut wurden. Sie waren der Versuch, moderne und lebensfreundliche Wohnquartiere zu schaffen, die ihren Bewohnern allen zeitgemäßen Komfort boten, die neuesten Konstruktionstechniken einbezogen und zudem kostengünstiges Bauen ermöglichten. Der 1907 in Deutschland gegründete “Werkbund” stieß mit dieser Intention oft an die Grenzen des Machbaren und des gesellschaftlich Gewollten – die Siedlung in Brünn etwa war ein ökonomischer Flop. Die Breslauer Experimentalsiedlung mit über 130 realisierten Wohneinheiten und nur fünf nicht verwirklichten Konzepten war jedoch ein großer Erfolg. Heute stehen hier, bis auf zwei abgerissene Häuser, noch alle damals errichteten Gebäude.

 

 

Das WuWa-Schild zeigt den Weg zur Siedlung
Foto: Tomáš Randýsek

 

 

Vision von elf Architekten

Auf einem Rundweg durch die Kolonie, vorbei an Einfamilienhäusern, einem Ledigenwohnheim und sogar einem Kindergarten, erfährt man an jeder Station Interessantes über die Gebäude. So kann man hier unter anderem lesen, dass sich im ehemaligen Kindergarten heute das Schulungszentrum der Niederschlesischen Architektenkammer befindet. Statt Infotafeln sind Bänke aus Beton aufgestellt, auf denen man in Polnisch, Deutsch und Englisch Wissenswertes nachlesen und eine Weile innehalten kann. Ihre Vision verwirklichten hier insgesamt elf Architekten, allen voran Paul Heim und Albert Kempter, die das Laubenganghaus schufen, in dessen Erdgeschoss sich heute ein Café befindet, das gleichzeitig als WuWA-Informationszentrale dient. Dort kann man sich mit Lageplänen und Büchern über die fast fertig sanierte Siedlung eindecken und kulinarisch auf den Spaziergang durch die Moderne vorbereiten.

 

Touristenmagnet statt Geheimtipp

Die Stadt Breslau hat die historische Bedeutung der WuWA-Siedlung erkannt und versucht nun im Jubiläumsjahr, aus dem Geheimtipp einen Touristenmagneten zu machen. Aber nicht nur architekturinteressierte Kulturtouristen kommen hier auf ihre Kosten. Die denkmalgeschützte Anlage ist gut erschlossen, man wandert zum Großteil durch eine einladend ruhige Einfamilienhaussiedlung. Direkt an der Nordseite schließt sich ein Park an, durch den man seinen Spaziergang fortsetzen kann. Noch ist diese Insel der Moderne also auch eine neunzig Jahre alte Insel der Ruhe.

 

 

Tomáš Randýsek
Landesecho

 

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