Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Eine Polin bei der Minderheit / Polka w mniejszości (+Video)

Im Wahlkampf zum polnischen Parlament. V.l. Brygida Labisz aus Deschowitz, SKGD-Vorsitzender Rafał Bartek und Bogna Lewkowicz
Foto: SKGD

 

Bogna Lewkowicz wohnt in Neustadt, ist Apothekerin und obwohl sie von sich selbst sagt, eine Polin zu sein, ist sie seit zwei Jahren unterstützendes Mitglied im Deutschen Freundschaftskreis in Neustadt. Im Gespräch mit Rudolf Urban erzählt sie, weshalb ihr die Mitgliedschaft in der deutschen Minderheit wichtig ist und wodurch sich die Gemeinschaft in Neustadt von anderen DFKs in der Woiwodschaft Oppeln unterscheidet.

 

 

Wywiad wideo z Bogną Lewkowicz, aptekarką i od dwóch lat członkinią wspierającą koło Towarzystwa Społeczno-Kulturalnego Niemców na Śląsku Opolskim w Prudniku:

 

 

 

Frau Lewkowicz, Sie sind eine Polin und gleichzeitig Mitglied der deutschen Minderheit. Wie ist es dazu gekommen?

Ich denke, es ist ein Zeichen der Zeit. Wir leben hier alle zusammen und offenbar musste es in meinem Fall so kommen. Ich empfinde mich als Polin, aber auch als Schlesierin, denn ich bin mit meiner Heimat verbunden. Und obendrein bin ich noch Europäerin. Auf meinem Nachttisch liegen aktuell neben klassischen Büchern auch Neuheiten der polnischen Literatur, zugleich aber wirke ich bei der Organisation eines Wettbewerbs zur Poesie des aus Lubowitz stammenden deutschen Dichters Joseph von Eichendorff, der in Neustadt schon seit fast 30 Jahren stattfindet, mit. Das ist für mich überhaupt keine Dissonanz, denn es ist Teil der Tradition dieser Stadt, Europas und eines Landes, das trotz allem differenziert ist. Für mich ist Polen nun mal so – differenziert.

 

Also haben auch Sie unterschiedliche Wurzeln, vielleicht auch deutsche?

Ja, mein Großvater stammt von den Posener Bambergern. Allerdings war es bei den Bambergern anders als in der deutschen Minderheit, denn sie haben sich polonisieren lassen. Mein Großvater beherrschte sehr gut die deutsche Sprache, vielleicht sogar so gut wie die polnische – und doch empfand er sich als Pole. Er war also deutschstämmig, lebte aber in Polen, unter den Polen und fühlte sich als Pole. Deshalb wurde mir auch nicht mehr die deutsche Sprache beigebracht, aber ich freue mich sehr, dass meine Tochter diese Sprache heute lernen kann und sie auch beherrscht.

 

Die deutsche Sprache ist aber nicht das einzige Bestimmungsmerkmal, um sich aktiv bei der Minderheit engagieren zu können.

Das Wirken der deutschen Minderheit in Neustadt und auch mein eigenes besteht nicht so sehr darin, die deutsche Identität aufrechtzuerhalten, als vielmehr die deutsche Geschichte dieser Region zu pflegen und die heutigen Bewohner mit interessanten Aspekten bekannt zu machen sowie mit Menschen, die hier einst als Deutschstämmige lebten und vieles hinterlassen haben. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist, dass die heutigen Neustädter mittlerweile mit der Industriellenfamilie Fränkel-Pinkus vertraut sind. Nach Jahren verschiedener Initiativen ist diese Familie für die heutigen Bewohner unserer Stadt nicht mehr eine deutsche oder jüdische, sondern einfach eine Neustädter Familie. Ich persönlich freue mich sehr, dass dies gelungen ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass die deutsche Minderheit in Neustadt ebenfalls Themen aufgreift – was sie übrigens auch tut –, die uns alle einander näherbringen. Neustadt hat eine spezifische gesellschaftliche Struktur, denn wir haben hier doch überwiegend eine zugewanderte Bevölkerung, Einheimische sind viel weniger zahlreich vertreten. Daher unternehmen wir als deutsche Minderheit gemeinsame Initiativen mit kulturellen Institutionen wie dem Museum des Neustädter Landes oder dem Geschichtsverein des Neustädter Landes. So organisierten wir zuletzt an Allerheiligen eine Kollekte vor dem Friedhof, deren Einnahmen dazu verwendet werden sollten, die Gräber des Neustädter Vorkriegsbürgermeisters Paul Lange und des polnischen Patrioten Filip Robota, die sich auf unserem Kommunalfriedhof befinden, zu erneuern.
Unsere letzte nennenswerte Initiative ist die Rückkehr der Grabtafel des Vorkriegspfarrers Hermann Hübner in die Kirche zum Erzengel Michael. Dieser Priester, der 1930 verstarb, ist der einzige Geistliche, der im Hauptschiff der Kirche seine letzte Ruhe fand, womöglich auch deshalb, weil er unter den damaligen Neustädtern durch seine Herzensgüte und seine Hilfsbereitschaft, insbesondere den Ärmsten gegenüber, berühmt wurde. Er war auch der Gründer der Caritas in Neustadt. Über seinem Grab war bis 1945 eine Tafel angebracht, die nach dem Krieg von den Barmherzigen Brüdern versteckt wurde und schließlich in Nordheim (Baden-Württemberg) landete. Im Jahr 2017 kehrte die Tafel dann zurück nach Neustadt, wobei zunächst die Absicht bestand, sie wieder am Beisetzungsort von Pfr. Hübner anzubringen. Damals aber wurde sie in einem Museum deponiert – vielleicht war die Bevölkerung für diese symbolische Geste noch nicht bereit. Jetzt aber ist diese Zeit gekommen und wir setzen uns dafür ein, dass die Tafel wieder an ihren Platz in der Erzengel-Michael-Kirche zurückkehrt. Wir glauben, dass dadurch die Geschichte ihren Kreislauf vollendet und wir dann ein weiteres Element haben, das uns verbinden kann.

 

Im Kreis Neustadt arbeiten die einzelnen Ortsgruppen der deutschen Minderheit sehr gut zusammen. Hier in Friedersdorf mit der dortigen DFK-Chefin Róża Zgorzelska (2.v.l.)
Foto: facebook.com

Sie sprechen viel von der Gesamtbevölkerung, von gemeinsamen Initiativen. Die deutsche Minderheit in Neustadt ist also nicht ein typischer DFK, der viele Initiativen nur im eigenen Kreis verfolgt.

Nein, das ist sie nicht und viele typische Minderheitenveranstaltungen finden bei uns auch nicht statt. Wir sind verbunden mit unserer Heimat und haben als Bewohner dieser Region eine Art dritte Lunge, mit der wir atmen – es ist unsere deutsche Geschichte der Region. Wir können mit dieser Lunge noch tiefer atmen und den Menschen, die hierher kommen, noch mehr anbieten. Deshalb ist es für uns in Neustadt noch immer so wichtig, die deutsche Geschichte zu entdecken und zu popularisieren. Und dabei tut uns, den in Neustadt lebenden Polen, durch unseren Bezug zum Deutschtum, ja gar keinen Abbruch, sondern er ist unsere Stärke. Es ist uns also wichtig, mit vernünftigen Menschen zusammenzuarbeiten. Man muss nicht unbedingt deutscher Herkunft sein, um diese Traditionen und diese Geschichte zu achten und zu pflegen, aber man muss eben vernünftig sein.

 

Aber mussten Sie denn gleich der Minderheit beitreten, um die deutsche Geschichte Neustadts zu popularisieren?

Ja, als Mitglied der Minderheit habe ich mehr Möglichkeiten zu handeln und auch im Namen dieser Volksgruppe aufzutreten. Ganz bewusst wollte ich daher zu einem Mitglied der Minderheit werden, wenn auch nur einem unterstützenden Mitglied, denn mir wurde irgendwann klar, dass es um mich herum sehr viele deutschstämmige Menschen gibt. Ich wollte mich mit ihnen solidarisieren, zumal jetzt, wo immer wieder versucht wird, uns zu spalten und von oben herab zu entscheiden, wer ein Pole ist, wer hier leben darf. Es gilt zu zeigen, dass wir zusammenbleiben müssen und dass wir uns nicht spalten lassen dürfen. Das war mein Manifest und mein Protest gegen das, was geschieht.

 

Und Sie haben nicht vor, aus der Minderheit auszutreten?

Nein. Vielen Menschen ist nicht bewusst, welchen Status die deutsche Minderheit derzeit hat. Man glaubt, dass diese Menschen von Berlin aus gesteuert werden, doch dem ist gar nicht so. Man sollte diese Gemeinschaft kennenlernen und erfahren, welche Erwartungen die polnischen Deutschen haben. Das will ich auch zeigen. Wir müssen ja auch zusammenhalten. Ich persönlich fühle mich bei der Minderheit wohl, ich wurde sehr gut aufgenommen, obwohl ich eine Polin bin und ich hoffe auf ein positives Wirken in der Zukunft. Ich möchte auch, dass die deutsche Minderheit in Neustadt nicht bloß eine Institution ist, die kulturelle Events veranstaltet, sondern dass ihre Relevanz wiederhergestellt wird, dass sie etwas zu sagen hat.

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