Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Elisabeth Grabowski: Oberschlesische Märchentante

Gäbe es eine oberschlesische Version des berühmten Romans „Little Women“, dann wäre die Schriftstellerin Elisabeth Grabowski die kluge, ambitionierte Jo gewesen. Wie Jo hatte Elisabeth drei begabte Schwestern: die Malerin Hedwig, dann Gertrud, ebenfalls Schriftstellerin und Martha, deren Leidenschaft Musik war. Das Leben der Schwestern, vor allem aber das von Elisabeth Grabowski, ist ein perfektes Filmdrehbuch.

 

Elisabeth wurde am 13. Juni 1864 in Ratibor geboren. Ihre Mutter stirbt, als die Mädchen noch klein sind. Die Erziehung übernimmt der Vater, ein Kaufmann, später Bahnangestellter, der oft auf Reisen und ein begeisterter Kunstliebhaber ist. Doch sein Beruf bedeutet für Elisabeth und ihre Schwestern häufige Umzüge. Es ist nicht leicht für sie Freundschaften zu schließen oder sich irgendwo wirklich zu Hause zu fühlen. Auf der anderen Seite ist es eine Chance für sie verschiedene Kulturen, Bräuche, Geschichten und lokale Sagen kennenzulernen, was sich später als großer Vorteil für Elisabeth herausstellen wird. Reisen und die Welt erkunden wird zu einer ihrer größten Leidenschaften.

 

Elisabeth Grabowski hat die letzten 15 Jahre ihres Lebens in Oppeln verbracht.
Foto: Wikipedia

 

Leidenschaftliche Heimatkundlerin

Doch dann stirbt auch der Vater von Elisabeth an Typhus. Die Schwestern sind nun auf sich allein gestellt. Elisabeth arbeitet eine Zeit lang als Erzieherin in Ungarn. Dort betreut sie sechs Jahre einen Jungen. Mit dem Schreiben beginnt sie in Berlin. Dort zieht sie 1896 um. Hier entstehen ihre zwei ersten Bücher: „Der weiße Adler“ und „Haldenkinder“. Dann kehrt sie wieder nach Oberschlesien zurück. 1915 zieht sie nach Oppeln, wo sie mit ihren zwei Schwestern Gertrud und Hedwig in der Sternstraße 21 (heute ul. Reymonta) wohnt. Elisabeth bereist Schlesien, sie ist eine leidenschaftliche Heimatkundlerin und interessiert sich für oberschlesische Folklore, lange bevor dies zur Mode wird. Sie sammelt Sagen, Volksgeschichten, dokumentiert Bräuche, Traditionen und beschreibt Volkstrachten. Mit dem Erzählen von Geschichten gewinnt sie das Vertrauen der Menschen in den Dörfern. Als „Märchentante“ wird sie auf dem Land bekannt. Sie ist angeblich eine Frohnatur, immer mit Lächeln im Gesicht, vertrauenswürdig, knüpft schnell Kontakte mit Kindern und Erwachsenen. Sie erzählt gerne Märchen, fragt aber auch nach den Geschichten ihrer Gastgeber. Oft bezieht sie im Ort ein Zimmer für mehrere Wochen, um die Leute und die Gegend besser kennenzulernen. Sie ist besonders beliebt bei den Kindern, die zahlreich die Treffen mit der Märchentante besuchen. Sie selbst hat keine Kinder. Nachdem ihre Jugendliebe bei einem Grubenunglück stirbt, will sie nie wieder heiraten. Sie hält sich an ihren Beschluss. In ihrem Leben gibt es keine weiteren Männer.

 

Auf Grabowskis Grabstein, der vom Schutzverband Deutscher Schriftsteller gestiftet wird, steht geschrieben: „Alles für die Heimat“.
Foto: Wikipedia

 

Unterwegs in Dörfern und Städten

Elisabeth Grabowski ist Autorin von 17 Büchern. Besonders wertvoll für die Nachwelt sind bestimmt ihre „Sagen und Märchen aus Oberschlesien“, die 1922 veröffentlicht werden oder „Wanderungen durch Oberschlesiens Städte“ aus dem Jahr 1927 (das einzige Buch, dass sie in Oppeln drucken ließ). In ihren Büchern beschreibt sie Geschichten, die heute selten einer kennt, längst vergessene Traditionen und Bräuche. Heute sind ihre Veröffentlichungen von unschätzbarem Wert für Ethnologen und Literaturhistoriker. Des Wertes ihrer Arbeit ist sich Grabowski durchaus bewusst. Um 1927 schreibt sie, dass Oberschlesien „noch Sitten und Trachten aufzuweisen (hat), die in unserer Zeit als letzte Wellen alten, guten Bauerntums ausklingen. […] Darum heißt es festhalten in Wort und Bild, was noch vorhanden ist, damit die Spuren alten Volksgutes nicht ganz verwischt werden.“

 

 

Grabowski beschreibt in ihren Büchern oft, wo sie welche Geschichte aufgeschnappt hat. So wissen wir, dass sie unter anderem in Tarnowitz, Ratibor, Leschnitz, Leobschütz, Tost, Pless, Krappitz unterwegs war. Neben Büchern schreibt Elisabeth Grabowski auch viele wissenschaftliche Artikel für die lokale Presse, vor allem für die Monatszeitschrift „Der Oberschlesier“. Sie hielt auch als eine der ersten Vorträge zu den Ergebnissen ihrer ethnographischen Arbeit,

 

Ihre Bücher waren auch auf dem Land sehr beliebt.
Quelle: www.cmentarzopole.pl

 

Elisabeths Nachlass

Unverheiratet und kinderlos stirbt Elisabeth Grabowski am 11. Februar 1929 in Oppeln an einem Herzinfarkt. Sie wird auf dem Friedhof in der heutigen Wrocławska-Straße beigesetzt. Zu ihrem Begräbnis kommt nur eine Handvoll Menschen. Angeblich ist es besonders kalt an diesem Tag und über Grabowskis Tod wird mit Verspätung informiert. Auf ihrem Grabstein, der vom Schutzverband Deutscher Schriftsteller gestiftet wird, steht geschrieben: „Alles für die Heimat“. Der Grabstein existiert heute nicht mehr.

Aus dem Nachlass von Elisabeth Grabowski veröffentlicht ihre Schwester Hedwig später noch das Buch „Die Volkstrachten in Oberschlesien“. Im vergangenen Jahr hat das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit noch einmal Grabowskis „Sagen und Märchen aus Oberschlesien“ veröffentlicht, diesmal zweisprachig: auf Deutsch und auf Polnisch. Das Buch enthält 53 Sagen und Märchen. Es ist im Oppelner HDPZ-Sitz erhältlich.

 

Show More