Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Es dreht sich um den Text

Gedichte auswendig lernen, oft Memory spielen und noch kurz vor der Sendung meditieren. Wie lange mussten eigentlich die Fernsehmoderator*innen üben, damit sie immer genau das sagen, was sie vorher geplant haben? Oder improvisieren sie einfach vor der Kamera? Die Antwort lautet: jein!


Wenn man eine Sendung produziert, die eher einen lockeren Stil hat, ist das überhaupt kein Problem, dass der*die Moderator*in „nach Gefühl“ spricht. Aber das sieht ganz anders in einem Nachrichtenstudio aus, wo die wichtigsten Tagesinformationen präsentiert werden. Obwohl man für eine einzelne Ausstrahlung eine große Menge an Mitarbeitenden benötigt – wie z. B. eine*n Schluss-Redakteur*in, eine*n Ablauf-Planer*in oder eine*n Ton- und Bild-Designer*in – sind letztendlich bei den Live-Sendungen im Studio nur der*die Nachrichtensprecher*in und der*die Newswire-Assistent*in, nämlich ich, anwesend.

Als ich ein Kind war und mit meinen Eltern am Abend die Nachrichten im Fernsehen angeschaut habe, war ich immer davon fasziniert, wie schön und deutlich die Moderierenden sprechen können. Vor allem im Bewusstsein, dass es eine Live-Sendung war, die von Millionen von Zuschauer*innen angeguckt wurde. Ich selbst war immer schrecklich gestresst, wenn ich ein Gedicht vor der ganzen Klasse rezitieren musste. Jahre später, als ich alle in der Schule auswendig gelernten Dichtungen, Epigramme und Erzählungen vergessen hatte und mein journalistisches Studium begann, war mir schon klar, dass man mithilfe folgender Technik vor der Kamera entspannter stehen und flüssiger das sagen kann, was man wollte: mit einem Prompter.

 

Katarzyna Karpinska
Foto: privat

Ein Gerät, das den gewünschten Text zu einem Monitor schickt, der über dem Kameraobjektiv montiert wurde. Dank eines Drehknopfs kann man dann den zu sprechenden Inhalt nach vorne spulen, damit der*die Leser*in den Blickkontakt in die Kamera nicht verliert. Als eine Newswire-Assistentin drehe ich beim Südwestrundfunk eben genau diesen „magischen“ Knopf. Die „SWR Aktuell“-Redaktion in Mainz, bei der ich tätig bin, sendet täglich bis zu fünf Mal am Tag Nachrichten. Dabei ist die riesige Metalltür des Studios stets geschlossen und mit der Außenwelt verbinden den*die Moderator*in und mich nur ein Mikrofon und sein*ihr sogenanntes „Ohr“, was ein ins Ohr eingesteckter In-Ear Kopfhörer ist. In diesem Raum gibt es dann keine Kameramänner*frauen, keine Maskenbildner*innen und keine einzige Person, die den Beginn der Nachrichten mit einem Countdown ankündigen würde. Alle Vorgänge werden über einen extern gelegenen Regie-Raum geleitet, ausgeführt und kontrolliert.

Obwohl für Außenstehende die Arbeit auf den ersten Blick ganz einfach aussehen würde, ist es doch komplizierter und stressiger als gedacht. Man muss nicht nur einfach „den Knopf“ drehen, sondern auch die Reihenfolge und die Inhalte der Anmoderationen, NIFs (wenn ein Moderator zu ausgewählten Bildern spricht aber gleichzeitig nicht zu sehen ist) und MAZen (Beiträge) anpassen und prüfen. Ca. 15 Minuten vor jeder Sendung kommt der*die Moderator*in ins Studio und ich übe die Texte mit ihm*ihr. Manchmal gibt es Fehler oder der*die Sprecher*in ist mit einem Satz nicht zufrieden und formuliert er*sie ihn dann kurzfristig noch um. Es kann auch passieren, dass in den letzten Minuten vor einer Live-Sendung die Redaktion noch eine neue, brandaktuelle Information erreicht, die wichtig für eine Meldung ist. Dann wird kurzerhand nochmals abgeändert. Alle Texte müssen zuvor von mir ausgedruckt und zum*r Moderator*in gebracht werden. Dies ist im Notfall wichtig, sollte es irgendwelche technischen Probleme geben. Falls der Prompter nicht funktioniert, kann so immerhin vom Blatt abgelesen werden.

Der Start der Sendung wartet nicht darauf, ob wir bereit sind. Alle wichtigen Endscheidungen müssen vorher getroffen werden – manchmal sind das wirklich nur wenige Sekunden, bevor der*die Moderator*in das Publikum begrüßt. Und dann geht es los!

Jede*r Moderator*in spricht in seinem*ihrem eigenen Tempo und jede*r hat eine Lieblingsschriftgröße, die ich für ihn*sie einstelle. Außerdem muss ich aktiv zuhören und auch das kleine Display im Auge behalten, wo für mich der Prompter-Text angezeigt wird. Des Weiteren haben wir oft Live-Schalten. Die Regie stellt eine Verbindung zwischen dem*r Moderator*in und einem*r Gesprächspartner*in her. Dann muss man richtig aufpassen, ob der*die Moderator*in sich an den Text vom Prompter hält oder ob er*sie plötzlich im Laufe des Gesprächs doch noch eine andere Frage stellt, die wahrscheinlich für die Zuschauer*innen interessanter wäre. Dazu kommen außerdem Hinweise von der Regie, die der*die Nachrichtensprecher*in ins „Ohr“ und ich auf die Kopfhörer kriegen. Zeitweise wird man wirklich mit vielen Informationen bombardiert, eine Reizüberflutung ist nicht selten auszuschließen.

Jedoch hat die Arbeit auch entspanntere Seiten, z. B. während ein Beitrag läuft. Der*die Moderator*in und ich unterhalten uns dann oft. Wir quatschen zu den kurz vorher gezeigten Themen oder auch mal über Privates. Als ich den Nebenjob bei „SWR Aktuell“ begonnen habe, war ich überrascht, dass es sich so locker bei Live-Sendungen anfühlen kann. Das liegt darüber hinaus auch daran, dass die Atmosphäre und der Umgang immer nett sind, egal wie hektisch und chaotisch es im Newsroom ist. Ich persönlich schätze das sehr und bin mir sicher, dass es den anderen genauso geht.

Das hat mir auch Christina Dietrich, eine Moderatorin des SWRs, bestätigt, als ich sie gefragt habe, wie die Arbeit ohne Prompter für sie wäre. Sie sagte, es sei schwierig, vor allem wenn man z. B. konkrete Zahlen, die Namen der Politiker*innen oder direkte Zitate wiedergeben müsste. Da es ein Nachrichtenmagazin ist, dürfe man in solchen Fällen nicht improvisieren. Ein*e Newswire-Assistent*in, der*die den Prompter bedient, gäbe ihr ein Sicherheitsgefühl und es wäre ihr angenehmer, wenn sie wüsste, dass jemand den Text kontrolliere und sie nicht allein im Studio, nur mit Greenscreen und Kamera, sei.

Die Erfindung des Prompters und seine Nutzung war bestimmt eine Win-win-Situation. Nicht nur für diejenigen, die vor der Kamera stehen, sondern auch für jene, die in der Regie den korrekten Ablauf der Nachrichten gewährleisten. Darüber hinaus müssen dann die Moderator*innen, dank dieser technischen Errungenschaft, keine extra Gedächtnisübungen machen und Texte auswendig lernen. Denn diese werden von mir durch den „magischen“ Knopf gedreht!

Katarzyna Karpinska

In der kommenden Zeit werden wir Artikel der jungen Journalisten der Quartalzeitschrift der Jugend der deutschen Minderheit „Antidotum“ im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Jugendmagazin und unserer Zeitung veröffentlichen.

 

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