Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Es gibt einen „Hunger” nach Deutsch

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Neue Möbel, Utensilien, Fußböden und Fenster haben es gerade rechtzeitig zum Schulanfang geschafft, die Kinder willkommen zu heißen. Foto: Maria Honka

Ein Vierteljahrhundert nach dem Wandel in Polen ist der schulische Deutschunterricht bereits zum Alltag geworden. Im Rückblick auf die euphorischen Neunzigerjahre könnte man meinen, nun komme eine Zeit der Kontinuität und Systematik. Schaut man sich allerdings die Statistiken an, so fällt auf, dass Deutsch nun wieder zunehmend „trendy” wird. Eine Chance sehen darin neben Eltern nun auch moderne Kommunalpolitiker. Mit der Realität konfrontiert zieht diese Chance aber leider allzu oft den Kürzeren.

 

Als beim Schulbeginn in der Schule des Trägervereins Pro Liberis Silesiae in Oppeln-Malino die Kinder „in die Mitte” gebeten wurden, war vom demografischen Tief keine Spur zu sehen. Auf jeden Fall trifft dieser nicht auf Pro Liberis Silesiae zu. Noch im Mai sprach die Vorsitzende des Trägervereins, Dr. Małgorzata Wysdak, auf dem Sankt Annaberg von einer Überbelegung in dessen Schulen. Was die Schulen von Pro Liberis Silesiae so attraktiv macht, ist vor allem die Montessori-Methode. Die Unterrichtsmethode der italienischen Pädagogin Maria Montessori geht von einer weitgehenden Selbstständigkeit des Kindes beim Entdecken eigener Begabungen aus. Eine Montessori-Schule haben u.a. die Entwickler der beliebten Suchmaschine Google absolviert. Ein zweiter Grund ist jedoch die Attraktivität der deutschen Sprache. Nicht zufällig war beim Schulanfang am Montag auch Oppelns Stadtpräsident Arkadiusz Wiśniewski anwesend. Der als geschickter Manager geltende Wiśniewski hat in Oppeln vor ein paar Wochen die Idee eines vom Rathaus koordinierten deutschen Bildungsprogramms in die Wege geleitet. Der Grund: „Zum einen ist die deutsche Sprache ganz allgemein sehr wichtig auf dem Arbeitsmarkt, zum anderen ist das Potenzial deutscher Firmen in Oppeln sehr hoch und wir wollen den Kindern deutscher Investoren, aber auch allen anderen, die Chance geben, die Sprache weiterzuentwickeln und zu pflegen“, erklärte Piotr Merta, Wirtschafts- und Innovationsleiter der Stadt Oppeln.

 

Wie sich Dr. Małgorzata Wysdak allerdings überzeugen konnte, ist der Weg zum Deutschunterricht nicht immer einfach. Wenn es schon gelingt, einen Trägerverein zu gründen, stellt sich die Frage nach einem Gebäude, in dem die Schule betrieben werden könne. Im Fall der Schule in Oppeln-Malino hat die Stadt zwar ein Gebäude zur Verfügung gestellt, doch der fatale Zustand, in dem der vorherige Trägerverein die Schule zurückgelassen hatte, versetzte jeden Schulinspektor in blankes Entsetzen. Mit Fördergeld-Puzzles u.a. aus der Stiftung für Entwicklung Schlesiens, dem Ministerium für Verwaltung und Digitalisierung, der Stadt Oppeln und dem deutschen Ministerium des Innern gelangen mehrere Renovierungen, von denen die letzte kurz vor Beginn des neuen Schuljahres beendet werden konnte. Die Kosten von einigen hunderttausend Złoty würden manch einen neuen Trägerverein jedoch sicherlich wirksam abschrecken.

 

Diese Erfahrung zeigt, dass nur mit regierungsseitiger Unterstützung auf allen Ebenen die Chance, welche die deutsche Sprache mit sich bringt, auch genutzt werden kann. In eine solche Unterstützung fügt sich nahtlos das unlängst viel genannte Thema des nun aufgelösten Fremdsprachen-Lehrerkollegs in Oppeln. „Nicht wenigen städtischen Schulen steht eine solche Bildungsinfrastruktur nicht zur Verfügung“, erläutert der Abgeordnete Ryszard Galla. Das Gebäude sei auch ideal für ein deutsches Bildungszentrum in Oppeln. Trotz des Übernahmevorschlags der Minderheit beschloss das Marschallamt jedoch, einen Teil seiner Beamten dorthin zu verlegen.

 

Marschallamtssprecher Arkadiusz Kuglarz erklärte die Entscheidung mit dadurch erzielten Einsparungen, denn man müsse jetzt keine Räume mehr vom Oppelner Woiwodschaftsamt mieten, da das Marschallamt Eigentümer des Gebäudes an der ul. Hallera bleibe. Ryszard Galla zufolge hatte der Marschall allerdings auch Befürchtungen aufgrund eines vermeintlichen Desinteresses von Schülern an dem Angebot. Ein Blick in die Statistiken lässt diese Bedenken jedoch schnell zerstreuen: Allein in den letzten fünf Jahren hat die Zahl derer, die Deutsch als Minderheitensprache lernen, um knapp 10.000 zugenommen. Im Schuljahr 2014/15 lernten landesweit sogar 44.568 Kinder Deutsch.

 

Der Bedarf, den Hunger nach Deutsch zu stillen, ist somit statistisch belegt. Es muss nur ein Weg gefunden werden, ihn zu stillen. Die Erfahrungen von Trägervereinen wie Pro Liberis Silesiae zeigen, dass dies nicht im Alleingang geschehen kann, sondern nur gemeinsam und im allseitigen Dialog.

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