Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Es ist kein Witz, klingt aber wie einer

Am 28. August 2006 wurde die Gemeinde Himmelwitz in das ministerielle Register der Gemeinden mit einer Hilfssprache eingetragen, wobei Deutsch die zweite Sprache im Amt ist. Zwei Jahre später wurde sie auch in das Register der Gemeinden mit zweisprachigen Ortsnamen eingetragen und kurz darauf wurden an den Ortseingängen polnisch-deutsche Schilder aufgestellt, aber… am Gebäude des Gemeindeamtes selbst wurden die Schilder nicht geändert.

 

Doch zwölf Jahre später – im Jahr 2020 – kam das Thema wieder auf. Die Gemeinderätin von Himmelwitz Sylwia Kapuścińska wies darauf hin, dass sie in den Nachbargemeinden Leschnitz und Colonnowska zweisprachige Schilder an den Gemeindeämtern gesehen habe. „Also dachte ich, warum sollte es hier nicht auch solche geben? Deshalb habe ich diese Frage in einer unserer Gemeinderatssitzungen gestellt. Schließlich gibt es schon seit langem zweisprachige Ortsschilder. Darüber hinaus würde es auch die Tatsache unterstreichen, dass Schlesien multikulturell und offen für Besucher ist. Solche zweisprachigen Schilder wären auch ein Symbol des Respekts für die Geschichte der Region. Meiner Meinung nach sollte die Multikulturalität hervorgehoben, gepflegt und unterstützt werden”, erklärte Sylwia Kapuścińska im März 2020 in einem Interview mit Wochenblatt.pl.

 

In Himmelwitz gab es jahrelang keine zweisprachigen Tafeln am Gemeindeamt.
Foto: R.Urban

 

Aufstachelung zum Hass

Die Gemeinderätin von Himmelwitz erwartete daher nichts, was über das polnische Recht hinausgeht, was in vielen Gemeinden seit langem üblich ist. Dennoch wurde Sylwia Kapuścińska nach diesen Worten u.a. auf Facebook gnadenlos angegriffen. Sie war einer Lawine von Aussagen wie “Sie soll hinter der Oder verschwinden” oder “Warum wurde sie nicht kahl geschoren” ausgesetzt. Auch die deutsche Minderheit wurde mit Kommentaren angegriffen, die sich gegen ihre Mitglieder richteten: “Es wäre sinnvoll, einige von ihnen zu kastrieren”, “Das ist Polen, kein Haus von Göbels”, “Wir sind in Polen, wenn es euch nicht gefällt, geht nach Szfaboland! (Originalschreibweise aus dem Polnischen, Anm. d.Red.)” usw. Das Ergebnis? Aus Sorge um die Himmelwitzer Gemeinderätin und die Mitglieder der deutschen Minderheit reagierte die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien am 27. Juli 2020 mit einer Anzeige bei der regionalen Staatsanwaltschaft in Oppeln wegen des Verdachts einer Straftat der rechtswidrigen Bedrohung einer Einzelperson oder einer Gruppe von Personen aufgrund der Nationalität und der öffentlichen Aufstachelung zum Hass aufgrund nationaler Unterschiede. Gleichzeitig erinnerte der Vorsitzende der Oppelner SKGD Rafał Bartek in seiner Mitteilung an die Staatsanwaltschaft daran, dass die Verwendung von Doppelnamen ein EU-Standard ist, der durch das Übereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten geregelt wird. Darüber hinaus ist sie auch nach dem polnischen Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen zulässig!

 

Ernennung eines Sachverständigen? Kein Verfahren mehr!

Ende Juli 2020 wurde die Bezirksstaatsanwaltschaft in Oppeln mit dem Fall betraut. Zwei Monate später unterrichteten die Ermittler den Chef der SKGD über die Einleitung einer Untersuchung über die öffentliche Aufforderung auf Facebook zu einer Straftat zum Nachteil der Gemeinderätin Sylwia Kapuścińska im Zusammenhang mit ihrer Nationalität. In den folgenden zwei Jahren wurde die SKGD jedoch nicht mehr über den Fortgang der Ermittlungen informiert.

Um die Sache noch interessanter zu machen, kündigte die Staatsanwaltschaft in Oppeln im Sommer letzten Jahres an, dass sie einen Sachverständigen zur Bewertung der Art der Äußerungen benennen würde, und gab einige Monate später bekannt, dass die Ermittlungen eingestellt worden seien!

Diese Entscheidung war überraschend und stellt eine unerwartete Wendung in diesem Fall dar. Wir haben daher bei der Staatsanwaltschaft in Oppeln nachgefragt, aus welchen Gründen die Ermittlungen eingestellt wurden, obwohl die Drohungen gegen die Gemeinderätin Sylwia Kapuscinska besonders abscheulich waren.

 

Seit 2021 sind sie da, die polnischen und deutschen Beschriftungen am Himmelwitzer Gemeindeamt.
Foto: privat

 

Die Antwort der Staatsanwaltschaft

Stanislaw Bar, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft des Bezirks Oppeln: “Ich möchte Sie darüber informieren, dass bei der Staatsanwaltschaft in Oppeln ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, das im Zusammenhang mit den Kommentaren steht, die nach den Veröffentlichungen im Mai 2020 auf den Portalen 24opole.pl und opole.tvp.pl erschienen sind. Im Rahmen des Verfahrens wurde geprüft, ob die von dem Anzeigenerstatter beanstandeten Posts möglicherweise den Straftatbestand der 1) Anstiftung zur Gewaltanwendung oder rechtswidrigen Drohung gegen eine Person, die ein Mandat als Ratsmitglied der Gemeinde Himmelwitz innehat, aufgrund ihrer Nationalität (Artikel 126a § 1 Strafgesetzbuch in Verbindung mit Artikel 119 § 1 Strafgesetzbuch in Verbindung mit Artikel 11 § 2 Strafgesetzbuch) oder 2) Aufstachelung zum Hass aufgrund nationaler Unterschiede (Artikel 256 § 1 Strafgesetzbuch) erfüllen. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, weil sie der Ansicht war, dass die Tat nicht den Tatbestand einer verbotenen Handlung erfüllte. Diese Entscheidung stützte sich auf das Gutachten eines linguistischen Sachverständigen, der bei der Bewertung des Inhalts der in der Strafanzeige beanstandeten Einträge diese nicht als eine Form der Aufstachelung zum Hass oder als Ausdruck einer kriminellen Bedrohung ansah. Der Sachverständige bewertete den Inhalt der Einträge unter Berücksichtigung ihres Kontexts und des Raums, in dem sie geäußert wurden (Internet). In einer gewissen Verallgemeinerung wurden die analysierten Beiträge in der Expertise als eine Form der Teilnahme an einer öffentlichen Debatte bewertet, die von starken Emotionen (bisweilen primitiv und vulgär) geprägt ist. Nach Ansicht des Sachverständigen sind solche Äußerungen, auch wenn sie nicht von allen akzeptiert werden, dennoch Ausdruck der Meinungsfreiheit (Artikel 54 der Verfassung der Republik Polen)”.

 

 

SKGD hatte keinen Anspruch!?

Es wäre interessant zu wissen, ob der Sachverständige die Situation genauso beurteilt hätte, wenn ähnliche beleidigende Äußerungen von Vertretern der deutschen Minderheit gegenüber anderen nationalen Gruppen gemacht worden wären. Es ist auch rätselhaft, dass die SKGD in Oppeln, die den Fall der Gemeinderätin Sylwia Kapuścińska an die regionale Staatsanwaltschaft in Oppeln gemeldet hat, keinen Zugang zu den Ermittlungsunterlagen erhalten hat. Warum, und gibt es noch eine Möglichkeit Zugang zu erhalten? Diese Frage haben wir auch der Staatsanwaltschaft in Oppeln gestellt. “Ich möchte erklären, dass dem Anzeigenerstatter (der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien) keine Kopie der Entscheidung über die Einstellung der Ermittlungen zugestellt wurde, da der Anzeigenerstatter in dieser Situation nicht berechtigt war, gegen diese Entscheidung Beschwerde einzulegen – Artikel 306 § 1a der Strafprozessordnung. Ich möchte auch erklären, dass die Zustellung eine Verfahrenshandlung ist, die bestimmte Rechtsfolgen nach sich zieht, unter anderem den Beginn der Frist für die Einreichung einer Beschwerde; daher konnte im vorliegenden Fall von einer Zustellung der Entscheidung an den Anyeigenerstatter keine Rede sein, was jedoch nicht ausschließt, dass dieser in geeigneter Weise eine Kopie der Entscheidung erhält – z.B. nach Artikel 156 § 5 der Strafprozessordnung”, informiert Stanisław Bar, Sprecher der Regionalen Staatsanwaltschaft in Oppeln.

 

Kommentar des Anwalts der Minderheit

Zu dieser Situation haben wir auch den Rechtsanwalt Piotr Szyndzielorz, der die deutsche Minderheit vertritt, befragt. Dieser sagte: “In der Tat, ‘anderen Personen’ – Personen, die in ein Strafverfahren verwickelt sind und nicht die Eigenschaft einer allgemein verstandenen Verfahrenspartei haben – schafft der Gesetzgeber eine potenzielle Möglichkeit des Zugangs oder der Einsichtnahme in die Verfahrensakten, indem er dieses Recht in die Bestimmungen verschiedener Gesetze aufnimmt. Nicht nur in den Bestimmungen eines spezifischen Verfahrens, ausgehend vom Axiom bestimmter unbestreitbarer demokratischer Standards. Leider beinhaltet das bloße “Recht auf Zugang” zum Inhalt der Verfahrensunterlagen oder zu den im Laufe des Verfahrens getroffenen Entscheidungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht für den Adressaten dieses Rechts nicht den Anspruch auf aktive Teilnahme am Verfahren. Insbesondere, um gegen die oben beschriebene Entscheidung zu polemisieren, da der Gesetzgeber in §1a des Artikels 306 der Strafprozessordnung einen geschlossenen Katalog von Personen aufgenommen hat, die berechtigt sind, eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Einstellung der Ermittlungen einzulegen. Die strafprozessualen Bestimmungen sehen in diesem Bereich keinen Anspruch vor, z.B. für ein Organ, das eine Verdachtsanzeige wegen einer von einer Vereinigung begangenen Straftat einreicht, so dass der Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung der unternommenen Vorbereitungshandlungen versperrt ist”.

Auch Rechtsanwalt Łukasz Kuczynski von der Anwaltskanzlei KTGW betont: “Es ist darauf hinzuweisen, dass die Einstellung des betreffenden Verfahrens kein Beweis für die fehlende Rechtmäßigkeit der fraglichen Anzeige ist. Sie beweist auch nicht, dass die in der oben beschriebenen Situation geäußerten Worte in ihrem Inhalt und Kontext die erlaubte Rede- und Meinungsfreiheit darstellen, da sie gegen alle Kanons der üblichen Kritik verstoßen und so zu bewerten sind. Im vorliegenden Fall lag ein so genannter Legitimationsmangel der Partei, d.h. des unmittelbar an der Bestrafung des Täters Interessierten, vor, der eine aktive Beteiligung am Verfahren behinderte und es insbesondere unmöglich machte, auf das zitierte Gutachten zu reagieren, eine Beschwerde gegen den fraglichen Beschlusses einzulegen und folglich mit einer Privatanklage zu reagieren. Es ist jedoch erwähnenswert, dass der Anzeigenerstatter im Interesse der deutschen Minderheit in Polen alle seine Verpflichtungen erfüllt hat”.

Krzysztof Świerc

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