Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Fiktives Treffen in Telgte

Vor ein paar Tagen las ich eine Rezension von Dirk Oschmanns Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“, und obwohl es sich kritisch mit dem durchaus aktuellen Thema der deutschen Wiedervereinigung auseinandersetzt, dachte ich dennoch in loser Assoziation daran, was der durchschnittliche Europäer, Pole oder Deutsche über das ehemalige Ostdeutschland weiß – welch ein Reichtum an deutscher Kultur in den östlichsten deutschen Bundesländern entstanden ist.

Vor Kurzem habe ich über Immanuel Kant geschrieben, der vor 300 Jahren in Königsberg geboren wurde und dessen Philosophie nicht nur modernen philosophischen Strömungen, sondern auch politischen, rechtlichen und ethischen Konzepten zugrunde liegt. Jahrestage sind insbesondere dort wichtig, wo die Geschichte und diejenigen, die beschlossen haben, sie neu zu schreiben, sie aus dem Gedächtnis löschen wollen. Während bekannt ist, dass in Deutschland Bonn für Beethoven, Halle für Händel und Eisenach für Bach stehen, ist die Verankerung von Hauptmann, Kant oder Herder zunehmend abstrakt. Sie haben ihren Platz in der kulturellen Dimension, aber sie sollten ihn ebenso in Zeit und Raum zurückerobern. Ich schreibe dies auch, weil sich in diesem Jahr drei wichtige Ereignisse von vor genau 400 Jahren jähren. In Breslau wurde Angelus Silesius geboren, in Görlitz starb Jakub Böhme und Martin Opitz revolutionierte die deutsche Dichtung durch die Veröffentlichung seines „Buch von der Deutschen Poeterey“.

Während gebildete Menschen wissen, dass in Deutschland Bonn für Beethoven, Halle für Händel und Eisenach für Bach stehen, ist die Verankerung von Hauptmann, Kant oder Herder zunehmend abstrakt. Sie haben ihren Platz in der kulturellen Dimension, aber sie sollten ihn auch in Zeit und Raum zurückerobern.

Wer heute in Schlesien oder Masuren lebt, hatte in der Schule nicht die Möglichkeit, diese großen Deutschen als Menschen dieses Landes kennen zu lernen. Zum Glück kaufte ich noch in Volkspolen in einem Antiquariat den Roman „Das Treffen in Telgte“ von Günther Grass, in dem im westfälischen Telgte versammelte Dichter, vor allem aus Schlesien und Ostpreußen, an alle Schriftsteller aus dem deutschsprachigen Raum appellieren, … auf Deutsch zu schreiben. Grass erdichtet dieses Treffen, bringt aber diejenigen zusammen, die, erschüttert durch den Dreißigjährigen Krieg, die Grundlagen einer gemeinsamen deutschen Literatur als einigendes Fundament für die unterschiedlichen und zerstrittenen Länder erfinden. Grass hat in seiner Idee nicht Martin Opitz nach Telgte geschickt, sondern seine Freunde Heinrich Schütz und Angelus Silesius. Dafür wissen wir, dass Opitz genau 1624 in seinem Buch über „deutsche Poeterey“ darüber schreibt, was laut Grass unter Anleitung von Simon Dach aus Memel in Telgte diskutiert wurde.

Bernard Gaida

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