Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Fotobeweis einmal anders

Ein ungewöhnliches Exponat des Monats gab es im Januar 2023 im Museum der Moderne (Muzeum Nowoczesności) des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein (Olsztyn) zu sehen. Am 19. Januar stellte Rafał Bętkowski vom Museum im früheren Trolleybusdepot ein Luftbild des Stadtzentrums von Allenstein aus dem Jahr 1930 vor. Das Besondere daran: Im Gegensatz zu anderen Fotos derselben Serie war daraus keine Postkarte produziert worden, das Bild dadurch unbekannt geblieben. Das bedeutet, dass es etwas Neues verraten kann.

Die spannende Frage nach dem Neuen, dem Unbekannten – und sei es auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie im Format von 16,2 mal 11,7 Zentimetern, die vor knapp 100 Jahren aus einem Flugzeug geschossen wurde – zog an einem gewöhnlichen Donnerstagnachmittag immerhin knapp 50 Interessierte ins Allensteiner Museum der Moderne. Zwischen den Tafeln und Exponaten einer Ausstellung zu polnischen Landmaschinen entführte Rafał Bętkowski die Anwesenden in die Welt der Vogelperspektive.

Rafał Bętkowski während seines Vortrages im Allensteiner Museum der Moderne
Foto: Uwe Hahnkamp

Von Ballons, Zeppelinen und Flugzeugen

Es ist nicht die einzige fotografische Aufnahme aus dieser Perspektive, die das Museum besitzt. Im Eingangsbereich zur Dauerausstellung sind neben alten Stadtplänen zwei stark vergrößerte Luftbilder aus den Jahren 1914 – aufgenommen aus einem Zeppelin – und 1915 – aufgenommen aus einem Flugzeug – zu sehen. Das älteste Exemplar ist von 1906 und wurde aus einem Ballon geschossen, der vom Hof des städtischen Gaswerks aufgestiegen war.

Ausschnitt der Luftbildes: oben mittig der Allensteiner Marktplatz, am unteren Rand fließt die Alle
Foto: Uwe Hahnkamp

So ist die Vogelperspektive der ideale Ort, um sich in der Stadt zu orientieren und eine Stadtführung durch Allenstein zu starten. Denn von oben sieht man viele Straßenverläufe genauer als auf dem Erdboden. Es lässt sich die Entwicklung am Stadtrand beobachten; leere, inzwischen bebaute Flächen; Wege, die damals noch ins Nichts führten – und sogar, dass am Tag der Aufnahme jemand bei der Allensteiner Burg große, weiße Wäschestücke aufgehängt hatte.

Zeitlupe, Videobeweis und Luftbild

Viele dieser Luftbilder wurden auch als Postkarten editiert und später – so auch von Rafał Bętkowski in seinen Werken – in Büchern reproduziert. Ein besonders ergiebiger Flug fand 1930 statt; die Annahme, dass die Bilder zur gleichen Zeit entstanden, leitet sich aber nur aus der damaligen Reparatur des Dachs der Kathedrale her. In einer kürzlichen Internetauktion gab es eine Serie dieser Bilder mit Zeit- und Ortsstempel, die diese Annahme bestätigen. Nach diesem Stempel wurden sie übrigens für die Firma Plan und Karte GmbH in Münster/Westfalen angefertigt, die es heute noch gibt.

Im Museum der Moderne
Foto: Uwe Hahnkamp

Was Zeitlupe und Videobeweis für Fußball und Volleyball sind, ist ein Luftbild für einen Historiker. Das Bild von 1930 ist aus einer etwas anderen Perspektive aufgenommen worden und viel deutlicher als die früheren Luftbilder des Museums. „Das gilt für Straßen, aber auch für die Gebäude der Ofenfabrik Lehnhardt oder für das nicht mehr existierende Hotel Tannenberger Hof“, so Rafał Bętkowski bei der Analyse der Details.

Am interessantesten sei ihm zufolge der Bereich des Fotos mit der 1877 errichteten Synagoge und den Gebäuden der jüdischen Gemeinde. „Hier sind sogar die Westfassaden zu erkennen“, erklärt er. „Und damit lässt sich beweisen, dass die aus Südwest aufgenommene Fotografie dieser Synagoge im Bestand von Yad Vashem in Israel die Perspektive richtig wiedergibt und nicht, wie manchmal angenommen, seitenverkehrt.“ Wie ein Mathematiker sagen würde: quod erat demonstrandum – was zu beweisen war.

Uwe Hahnkamp

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