Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Freundschaftsbesuch“

Nachdem am vergangenen Freitag (10.12.) bereits Deutschlands neue Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zum Antrittsbesuch nach Polen reiste, wurde am Sonntag (12.12.) auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Warschau erwartet. Er traf dort mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu einem Gespräch über bilaterale, europäische und internationale Themen zusammen.

Im Vorfeld der Reise hatte Olaf Scholz von einem „Freundschaftsbesuch bei einer befreundeten Nation“ gesprochen. Der frühe Antrittsbesuch des erst am Mittwoch vergangener Woche vereidigten Bundeskanzlers fand dabei auch anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages statt. In Warschau wurde Scholz dann am späten Nachmittag des dritten Advents von Mateusz Morawiecki mit militärischen Ehren empfangen. Im Mittelpunkt des anschließenden Gesprächs standen die Lage an der belarussischen Grenze, der anhaltende Streit über die Rechtsstaatlichkeit und die von polnischer Seite immer wieder geäußerten Forderungen nach deutschen Reparationszahlungen für die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges. Auch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die strittige Frage des Sprachunterrichts wurden während des Treffens thematisiert.

Solidarität im Grenzkonflikt
Während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Mateusz Morawiecki betonte Scholz, dass er die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Polen in der Zukunft weiter vertiefen wolle. „Deutsche und Polen sind Nachbarn und Freunde, Partner in der Europäischen Union, Alliierte in der NATO – und das verbindet uns in vielerlei Hinsicht miteinander“, so Scholz. Man müsse alles dafür tun, um die gemeinsame Verantwortung für eine gute Zukunft in Europa wahrzunehmen. Dazu gehöre es auch, auf aktuelle Herausforderungen wie jene an der polnisch-belarussischen Grenze zu reagieren. Die Politik des Regimes in Minsk sei „menschenverachtend und wir haben die gemeinsame Aufgabe, das zurückzuweisen“, sagte Scholz. Deutschland wolle solidarisch mit Polen gegen diese Art der hybriden Kriegsführung vorgehen und das Land gegen den Erpressungsversuch vonseiten Alexander Lukaschenkos unterstützen.

Auch die besorgniserregenden Aktivitäten des russischen Militärs entlang der Grenze zur Ukraine waren Thema des Austauschs der beiden Regierungschefs. Scholz bekräftigte, dass eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine nicht akzeptiert und zu Konsequenzen führen würde. Man müsse die Möglichkeiten für eine Entspannung der Situation nutzen, insbesondere das Normandie-Format.

Olaf Scholz und Mateusz Morawiecki während der gemeinsamen Pressekonferenz in Warschau.
Foto: Screenshot / ZDF heute-journal

Rechtsstaatlichkeit und Reparationen
Hinsichtlich des Streits zwischen der Europäischen Union und Polen um die hiesige Rechtsstaatlichkeit vermied Scholz offene Kritik am Nachbarland, unterstrich aber seine Hoffnungen auf eine baldige Einigung in dem Konflikt. „Europa ist eine Werte- und Rechtsgemeinschaft; uns verbinden die Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Und deshalb wäre es auch sehr gut und hilfreich, wenn die Diskussionen und Gespräche zwischen der Europäischen Union, der Kommission und Polen bald zu einer sehr guten pragmatischen Lösung führen könnten“, so Scholz.

Beim Thema möglicher Reparationszahlungen für die deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges verwies Scholz auf die in der Vergangenheit geschlossenen und immer noch gültigen Verträge, die die Fragen von Entschädigungsleistungen abschließend geregelt hätten. „Trotzdem fühlen wir uns weiter verpflichtet, auch im Hinblick auf die moralischen Konsequenzen der vielen Zerstörungen, die Deutsche in Polen und auch an vielen anderen Orten der Welt angerichtet haben“, fügte der neue Bundeskanzler hinzu. Außerdem leiste Deutschland einen hohen Beitrag zur Finanzierung des EU-Haushalts, wovon auch viele Länder im Osten und Süden Europas profitierten.

Sprachunterricht für Minderheiten
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte auf der Pressekonferenz, dass während des Vier-Augen-Gesprächs auch die Frage nach der gleichberechtigten Behandlung von Minderheiten im Bereich des Polnischunterrichts in Deutschland und des Deutschunterrichts in Polen angesprochen worden sei. Auch habe er nochmals verdeutlicht, mit welchen Risiken die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 verbunden wäre. „Das Beste wäre, eine Öffnung von Nord Stream überhaupt nicht zuzulassen“, so Morawiecki.

Zum Abschluss seines Besuches in Warschau legte Olaf Scholz noch einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder.

Lucas Netter

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