Nachdem wir uns auf kurzen Strecken warmgelaufen haben, wird es Zeit für eine echte Herausforderung. Wir laden ins Reichensteiner Gebirge ein, wo wir einen ganzen Tag rund ums Anwesen der Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau verbringen werden.
Sobald wir den Schaffnerfelsen hinter uns lassen, verändert unsere Wanderung ihren Charakter. Der grüne Wanderweg führt uns herunter von der asphaltierten Straße, die einst Lieblingswanderroute der Prinzessin Marianne war.
Blick aufs ganze Fürstentum
Es geht einen einfachen Waldweg entlang. Dabei wird es steil. Innerhalb der nächsten Stunde geht es circa 2 Kilometer voran, dafür aber 200 Meter hoch. Sobald wir zur Kreuzung mit dem roten Wanderweg kommen, biegen wir links ab. Die roten Zeichen führen uns eine halbe Stunde lang durch ein relativ flaches Teilstück. Auf diese Weise kommen wir am Hohen Stein an.
Dieser auf 691 Meter hochragende Gipfel ist mit einer imposanten, 25 Meter hohen Felsenformation gekrönt. Auf die Spitze kommt man mit einer Steintreppe, die in die Felsenwände gemeißelt wurde. Ganz oben befindet sich eine Aussichtsplattform, die mit Metallgeländern abgesichert ist. Vor uns erstreckt sich ein atemberaubendes Panorama. Man kann weit ins Reichensteiner- und Oppagebirge blicken. Sichtbar sind die meisten Ortschaften, die im Mittelalter zum Neisser Fürstentum der Breslauer Bischöfe gehörten sowie Teile des Anwesens der Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau. Gegenwärtig wird der Hohe Stein etwas vernachlässigt, er befindet sich im Schatten des nicht weit von hier entfernten Heidelberges. Zu Unrecht, denn diese Felsenspitze hat ihren einzigartigen Charakter.
Seit 250 Jahren geteilt
Abwärts geht es mit der gelben Wanderroute. Wie es sich für eine richtige Bergwanderung gehört, hat es das Teilstück in sich. In etwa 30 Minuten geht es 250 Meter hinab. Sobald wir den Wald verlassen haben, betreten wir das Dorf Ober-Gostitz (Horní Hoštice). Wie für viele in tschechischen Tälern verborgene Ortschaften typisch, erinnert es ein bisschen an eine längst verlorene Welt. Wenige Gebäude sind noch bewohnt, von den einst 567 Einwohnern sind heute nur noch an die 50 übrig. Dabei begann das Sterben dieses entlegenen Dorfes schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Man passiert verlassene Gasthäuser und die Nepomukkirche aus dem Jahre 1789.
Nach 40 Minuten kommen wir ans Ende von Ober-Gostitz, überqueren die Staatsgrenze und sind in Gostitz (Gościce). Vor 1742 handelte es sich um ein und dasselbe Dorf. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg wurde es zwischen Preußen und Österreich geteilt. Deshalb wurde 1853 in Gostitz auch eine Nikolauskirche errichtet, weil das Besuchen der Nepomukkirche problematisch geworden war.
Hinter dem Dorf kommen wir zur Straße 382. Diese ist der schnellste Weg zurück zum Auto. Wir empfehlen jedoch einen Umweg durch das ruhige Heinzendorf (Unikowice). Dieser dauert zwar eine Viertelstunde länger, man vermeidet dabei aber den Verkehr. Insgesamt haben wir eine 7 Stunden lange Wanderung hinter uns. Mit 29 Kilometern Länge und Anstiegen von fast 600 Metern sollte sie sogar für erfahrene Wanderer eine ganztägige Herausforderung darstellen.
Łukasz Malkusz