Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Gefunden in der Stadt der Liebe

Seit knapp drei Jahren sind Julianna und Luis ein Paar. Kennengelernt haben sich die Polin und der Deutsche in Paris, wo sie als Studenten zur gleichen Zeit ein Erasmus-Auslandssemester absolvierten. Zum Valentinstag am 14. Februar hat uns Luis erzählt, wie sich das grenzüberschreitende Glück zwischen ihm und seiner Freundin entwickelt hat.

Alles beginnt an einem kalten Januartag des Jahres 2020 in einem Hörsaal der Universität Sorbonne III in Paris. Luis hat gerade inmitten der unzähligen anderen Erasmus-Studenten aus allen Teilen Europas Platz genommen und wartet auf den Beginn der Begrüßungsveranstaltung durch die Universitätsleitung. Da tippt ihm eine junge Studentin auf die Schulter und fragt auf Englisch, ob sie sich neben ihn setzen dürfe.

Natürlich darf sie das. Und kaum hat sich die Unbekannte hingesetzt, kommen die beiden auch schon miteinander ins Gespräch. Luis erfährt, dass seine Sitznachbarin Julianna heißt, aus Bromberg (Bydgoszcz) in Polen stammt und Theaterwissenschaften in Warschau studiert. Luis wiederum lässt seine neue Bekanntschaft wissen, dass er aus Stuttgart kommt und an der Universität Augsburg seinen Master in Interdisziplinären Europastudien macht.

Die beiden plaudern und plaudern. Dabei entdecken sie auch ihr gemeinsames Interesse für die vielen Pariser Museen, die sie in den kommenden Wochen und Monaten allesamt besuchen möchten. Am Ende der Veranstaltung tauschen sie ihre Telefonnummern aus – und laufen sich in den folgenden Tagen immer wieder über den Weg. „Wir waren meist in der gleichen Freundesgruppe von Erasmus-Studenten unterwegs“, erzählt Luis.

Am Anfang besuchen die ausländischen Studenten die Museen in Paris noch in größeren Gruppen. „Später waren es aber nur noch Julianna und ich“, sagt Luis grinsend. Aber auch außerhalb der Museumsmauern verbringen Julianna und er viel Zeit miteinander; sie gehen zusammen ins Café und lernen das Pariser Nachtleben kennen. Stück für Stück nähern sie sich an – und werden schließlich ein Paar.

Honeymoon-Phase im Lockdown

Doch schon kurz nach dem Start ihrer Beziehung wird diese vor die erste Herausforderung gestellt. Denn als ab März 2020 – mitten im Semester – die Coronapandemie auch in Frankreich das öffentliche Leben nahezu lahmlegt, reisen viele der internationalen Studenten frühzeitig wieder in ihre Heimatländer zurück. Julianna und Luis aber bleiben. Und nicht nur das: Die Frischverliebten beziehen sogar ein gemeinsames Apartment im Studentenwohnheim, um den strengen Lockdown wenigstens nicht getrennt voneinander verbringen zu müssen. „Das war natürlich ein großer Schritt, wir kannten uns ja erst seit Kurzem. Aber es hat geklappt“, freut sich Luis.

Julianna und Luis in Paris
Foto: privat

Julianna und er nehmen sich fest vor, dass ihre Beziehung nicht eine dieser typischen Erasmus-Liebeleien bleiben soll, die nach dem Ende des Auslandsaufenthalts meist schnell wieder auseinanderbrechen. Und hier kommt ihnen die Pandemie gewissermaßen sogar zugute. „Eigentlich hätten wir nach dem Erasmus-Semester in Paris wieder an unsere Heimatuniversitäten zurückgemusst, aber wegen Corona fanden sowohl in Deutschland als auch in Polen die Vorlesungen und Seminare nur noch online statt. Es war also vollkommen egal, an welchem Ort wir waren; wir konnten von überall am Onlineunterricht teilnehmen. So war Julianna für den Rest unserer Studienzeit entweder bei mir in Süddeutschland oder ich war bei ihr in Warschau“, erklärt Luis.

Heute, nachdem sie beide ihren Abschluss gemacht haben, wohnen sie zwar (noch) nicht unter einem Dach, aber immerhin schon mal im gleichen Land: Luis arbeitet als Kulturmanager des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM) in Allenstein (Olsztyn), Julianna ist seit Kurzem am Nationalmuseum in Warschau (Muzeum Narodowe w Warszawie) tätig.

Momentan führen die beiden also eine Art Fernbeziehung, die angesichts der überschaubaren Entfernung zwischen Warschau und Allenstein eher eine „Gar-nicht-so-fern-Beziehung“ ist. „Die Zugfahrt von Allenstein nach Warschau oder umgekehrt dauert nur etwa zweieinhalb Stunden; wir können uns also recht unkompliziert und auch mal spontan besuchen. Derzeit sehen wir uns aber hauptsächlich an den Wochenenden“, erzählt Luis.

Ordnung muss sein

Bis heute kommunizieren er und Julianna ausschließlich auf Englisch, wenngleich sich immer öfter auch polnische und deutsche Sprachfetzen in ihre Gespräche einschleichen. „Julianna spricht neben Polnisch und Englisch auch Spanisch und Französisch. Momentan lernt sie fleißig Deutsch. Ich selbst bin leider nicht so sprachbegabt wie sie, schnappe hier in Allenstein aber natürlich automatisch einige polnische Wörter und Phrasen auf. Aber bis ich mich wirklich auf Polnisch artikulieren kann, wird es wohl noch etwas dauern“, so der Kulturmanager.

Abgesehen von den verschiedenen Muttersprachen spielen ihre unterschiedlichen Nationalitäten im Alltag aber keine Rolle. „Wir foppen uns höchstens mal mit ein paar Stereotypen über das jeweils andere Land – natürlich immer im Spaß“, sagt Luis mit einem Augenzwinkern. „Eines der ersten deutschen Wörter, das Julianna gelernt hat, war ‚Ordnung‘. Das Ordnung-muss-sein-Klischee über die Deutschen scheint es in Polen also immer noch zu geben“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Aber einen „Streitpunkt“ zwischen Luis und Julianna gibt es doch: die Essenszeiten. „Wir diskutieren immer, wann die beste Zeit für das Abendessen ist“, erzählt Luis lachend. „Ich finde, die Menschen in Polen essen sehr zeitig zu Abend, schon gegen 16 oder 17 Uhr, direkt nach der Arbeit. Das ist mir viel zu früh! Ich versuche natürlich, mich an die hiesigen Gepflogenheiten anzupassen, aber an diese Eigenheit kann ich mich nur schwer gewöhnen.“

Lucas Netter

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