Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Großer Missklang

Heute (02.05.) fanden auf dem St. Annaberg die ofiziellen Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des III. Schlesische Aufstandes statt. Daran nahm auch Staatspräsident Andrzej Duda teil, der zwar neben den Aufständischen auch die deutschen Kämpfer erwähnte, aber kein versöhnendes gemeinsames Gedenken in Aussicht gestellt hat. Dafür plädierte dagegen der Oppelner Bischof Andrzej Czaja.

 

Auch die deutsche Minderheit gedachte der Opfer des damaligen Konfliktes und legte Kränze an Gräbern polnischer und deutscher Teilnehmer der Schlacht um den St. Annaberg vor 100 Jahren und wies damit auf ein gemeinsames Gedenken der damaligen Ereignisse hin. Nach der Kranzniederlegung auf dem St. Annaberger Friedhof, die abseits der offiziellen Feierlichkeiten stattfand, sagte der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften Bernard Gaida: „Als Vertreter der deutschen Minderheit wollen wir 100 Jahre nach den Kämpfen des III. polnischen Aufstandes in Oberschlesien zeigen, dass wir dazu gereift sind, trotz Unterschiede im historischen Bewusstsein alle Gefallenen zu ehren und für sie zu beten. Das erwarten wir auch von unseren Nachbarn und Staatsvertretern“. (Den gesamten Wortlaut hören Sie im Videobeitrag unten)

 

 

Die Worte des Bischofs

Ähnliche Worte fand auch zum Beginn des Gottesdienstes in der Annaberger Basilika der Oppelner Bischof Andrzej Czaja. „Alle, die vor hundert Jahren gekämpft haben, waren von der Richtigkeit ihrer Wahl und ihres Engagements überzeugt. Deshalb sollte man für alle beten, die gefallen sind. Für die, denen das Denkmal des Aufstands gewidmet ist, und für diejenigen, die das Mausoleum auf dem Annaberg ehrte, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Auch für die gefallenen Soldaten der hier, um den Frieden zu wahren, stationierten alliierten Truppen.

In seiner Ansprache unterstrich Bischof Czaja auch das Recht auf unterschiedliche Geschichtsauffassung und appellierte für ihre Achtung:

 

„Lassen Sie uns auch beten, dass wir in Bezug auf die Ereignisse von vor hundert Jahren die Vielfalt des historischen Gedächtnisses respektieren können, das in den Köpfen und Herzen der Bewohner Schlesiens liegt. Um sich nicht gegenseitig zu verletzen und das, was wir in den Beziehungen zwischen Polen und Deutschland bereits erreicht haben, nicht zu zerstören, was dieses wirklich versöhnende Maß an Versöhnung zwischen der polnischen und der deutschen Nation aufbaut. Um nicht zu zerstören, was die lokale Gemeinschaft in Oberschlesien teilt, um in Harmonie, Frieden, Verständnis und Zusammenarbeit zu leben, wie es vor dem Ersten Weltkrieg war. Dies ist der große Wert dieses Landes. Ich persönlich werde Gott auch bitten, dass die gegenwärtige Zeit der Feier des 100. Jahrestages des dritten schlesischen Aufstandes zu einer spezifischen Form des gemeinsamen Gedenkens an alle Opfer führen wird“.

 

Versöhnende Töne?

Während der Feierlichkeiten am Aufständischen-Denkmal unterstrich dagegen Staatspräsident Andrzej Duda den Drang der Schlesier Teil Polens zu werden und beschrieb die Region als wichtiges Element des damals wiedererstehenden Polens. „All das war für Polen nötig, damit es existieren, bestehen und sich entwickeln konnte. Nicht nur aus sozialer sondern auch wirtschaftlicher Sicht. Und unter diesem Aspekt gesehen hatte Oberschlesien eine absolut fundamentale Bedeutung  als Industrieregion, als Gebiet mit Ressourcen, als Ort, wo die Wirtschaft sich damals am dynamischsten entwickelt hatte und damit für Hoffnung sorgte auf eine weitere ökonomische Entwicklung“, sagte Duda und unterstrich weiter: „Ich als Präsident der heutigen Republik Polen zeige meine Ehrerbietung den schlesischen Aufständischen. Den Jungen aus schlesischen Städtchen, Familien und Häusern, die für und nach Polen gingen. Die von Polen träumten, es begehrten und Oberschlesien wiedererlangt haben oft damit mit dem Leben bezahlend“.

 

Andrzej Duda przed Pomnikiem Czynu Powstańczego/ Andrzej Duda vor dem Aufständischen-Denkmal
Foto: Marek Borawski-KPRP

 

Andrzej Duda erwähnte aber auch die Gefallenen auf der deutschen Seite des damaligen Konfliktes und bezog sich dabei auf die vorhergehende Heilige Messe:

 

„Wir haben für alle gebetet. Für alle, die gekämpft haben und gefallen sind ungeachtet dessen, auf welcher Seite sie damals ihr Leben gelassen haben. Ob es Jungen, Männer aus schlesischen Dörfern oder Freikorps-Soldaten aus Bayern gewesen sind, spielt keine Rolle. Vor Gott sind sie gleich und mussten Ihm gleichermaßen über ihr Leben Bericht erstatten. Wir als gläubige Menschen, Christen beten heute und wir beten für ihre Seelen”.

 

Im Bezug auf die heutigen Zeiten meinte Andrzej Duda dann, dass sowohl Menschen mit polnischer, polnisch-deutscher sowie deutscher Herkunft gemeinsam im freien Polen leben und sich sowie ihre gegenseitigen Rechte achten. Gleichzeitig übergab Staatspräsident Duda dem Großstrehlitzer Landrat Józef Swaczyna die erste von 100 Gedenktafeln an den III Schlesischen Aufstand. Darauf ist u.a. zu lesen: „Zum Gedenken an die heldenhaften Teilnehmer der drei Unabhängigkeits-Aufstände, die in den Jahren 1919, 1920, 1921 die Angehörigkeit Oberschlesiens zum unabhängigen Polen erkämpft haben.

 

Nicht befriedigend

Bernard Gaida, der Vorsitzende des VdG, erinnerte im Kommentar für unsere Zeitung nach den Feierlichkeiten auf dem St. Annaberg an die im Jahr 2019 von Delegierten des VdG beschlossene Resolution, die zum Gedenken an die Opfer beider Seiten des Konflikts aufrief. Die Resolution versendete Bernhard Gaida Anfang April nochmals an Präsident Duda, was vielleicht dessen Worte mitbestimmt hatte. Trotzdem empfindet der VdG-Vorsitzende die Worte des Staatsoberhauptes als unbefriedigend. „Wenn ich nicht die Ansprache von Präsident Komorowski vor 10 Jahren beim 90. Jahrestag des Aufstandes im Kopf hätte, könnte ich die Andrzej Dudas Worte als Schritt in Richtung eines versöhnenden Gedenkens an die Ereignisse von vor 100 Jahren sehen. Sie sind aber unbefriedigend. Vor allem, weil der Präsident die Kämpfenden auf deutscher Seite nur im Kontext des Gebetes für die Toten erwähnte, aber er sprach z.B. nicht darüber, dass die Verteidiger des deutschen Oberschlesiens ebenso ein Anrecht auf eine solche Haltung hatten. Aus der Ansprache des Präsidenten hörten wir auch einen längst widerlegten Mythos, wonach auf der Seite der Aufständischen nur oberschlesische Zivilisten und auf der deutschen nur Soldaten aus anderen Regionen Deutschlands gekämpft hätten. Mir gefielen auch nicht die Worte vom Kampf um eine gerechte Aufteilung der Region, denn es waren die Ergebnisse der Volksabstimmung, die über die staatliche Zugehörigkeit Oberschlesiens entscheiden sollten, der Aufstand war dagegen ein bewaffnetes Erzwingen einer anderen Aufteilung. Mich wunderte auch der Bezug auf die Worte Johannes Pauls II. aus dem Jahr 1983 ohne zu erwähnen, dass der Papst für eine vielfältige Versöhnung der Region appellierte. Ich weiß natürlich die Worte von der Achtung für die Bewohner Schlesiens, die mit ihrer deutschen Herkunft verbunden sind, zu schätzen“.

 

Sejmabgeordneter Rysard Galla, VdG-Vorsitzender Bernard Gaida und die Sejmikräte Edyta Gola und Roman Kolek gedachten am Vormittag der Toten beider Seiten des Konfliktes.
Foto: R.Urban

 

Bernard Gaida unterstreicht dagegen die Bedeutung der Worte des Oppelner Bischofs Andrzej Czaja: „Der Ordinarius sprach eben über den Konflikt als einem für die Region tragischen Bruderkampf, wenngleich vorher die Gebiete wegen ihres friedlichen Zusammenlebens der Menschen bekannt gewesen sind. Und was besonders wichtig ist, er appellierte für ein gemeinsames Gedenken dieser Ereignisse. Daher auch dieser große Missklang zwischen beiden Ansprachen“.

Rudolf Urban

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