Der Klimawandel wirkt sich auf unsere Einkäufe aus und hat – ob wir wollen oder nicht – längst Einfluss darauf, was in unserem Einkaufswagen landet und wie viel es kostet. Die Verbraucher müssen damit rechnen, dass sie bei ihrem großen Wocheneinkauf in Zukunft immer stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden.
„Es wird größere Schwankungen bei den Preisen und der Verfügbarkeit von bestimmten Lebensmitteln geben. Es wird Jahre geben, in denen es von bestimmten Produkten wie Avocados, Kakao, Kaffee, Mangos, Kokosnüssen, Papayas und Bananen weniger geben wird“, sagt der Agrarexperte Michael Berger von der Umweltorganisation WWF.
Bis zur Hälfte der Kaffeeanbauflächen könnte gefährdet sein
Für viele Produkte gibt es nur einen schmalen Gürtel auf der Welt, in dem die für den Anbau erforderlichen klimatischen Bedingungen herrschen. Infolge häufigerer extremer Wetterereignisse steigt seiner Meinung nach das Risiko von Ernteausfällen. Das macht es für die Handelsunternehmen schwieriger zu kalkulieren: „Unsicherheit und Verknappung führen zu höheren Preisen“, betont Michael Berger. Besonders anfällig sind nach Ansicht der Experten Monokulturen, also Flächen, auf denen über Jahre hinweg die gleichen Pflanzen angebaut werden. Extreme Wetterphänomene, Infektionen und Schädlinge haben dort leichtes Spiel und können einen großen Teil der Ernte vernichten. Michael Berger verweist auf Kakaoanbaugebiete in Bolivien und Kolumbien, wo die Erträge in den vergangenen Jahren um 30 Prozent zurückgegangen sind. In einigen Plantagen wurde gar nichts geerntet. Aufgrund von Missernten, grassierenden Pflanzenkrankheiten und Wirbelstürmen ist auch Orangensaft in letzter Zeit zu einem knappen Gut geworden und sein Preis ist gestiegen. Auch die Kaffeebauern in aller Welt haben unter dem Klimawandel zu leiden. Analysen zufolge könnte die Hälfte der Anbauflächen der Pflanze bis 2050 gefährdet sein. Das Kaffeeunternehmen Tchibo rechnet deshalb mit einem Preisanstieg. Das Gleiche geschah kürzlich mit Olivenöl. In Spanien ist der Jahresertrag, der in den vergangenen Jahren im Durchschnitt bei rund 1,5 Millionen Tonnen lag, in der Saison 2022/2023 um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Der Grund dafür war die Dürre.
Infolge häufigerer extremer Wetterereignisse steigt das Risiko von Ernteausfällen.
Melonenanbau in Deutschland
Stefanie Sabet – Präsidentin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) – sieht ebenfalls einen großen Einfluss des Klimas auf die Lebensmittelproduktion. Ihrer Meinung nach sind nicht mehr nur die Schwellenländer betroffen, sondern auch die einheimischen Kulturen müssen mit negativen Auswirkungen rechnen: „Es wird zu einer Umschichtung der Herkunftsländer kommen, aber ich bin überzeugt, dass trotzdem eine breite Palette an Lebensmitteln zur Verfügung stehen wird“, so Stefanie Sabet. Aufgrund des Klimas werde die Situation in einigen Anbaugebieten schwieriger sein, aber anderswo würden neue Kulturen entstehen, so Sabet: „Vor ein paar Jahren hätte niemand gedacht, dass wir an der Donau Soja oder in Deutschland Melonen anbauen können. Heute ist es möglich“, ergänzt Stefanie Sabet. Ein milderes Klima und längere Vegetationsphasen ermöglichen wiederum häufigere Ernten. Hoffnung machen Stefanie Sabet auch neue, hitzetolerantere Sorten, dank neuer Züchtungstechnologien, die direkt in das Genom der Pflanze eingreifen. Bewässerungssysteme, die in Dürreperioden eingesetzt werden, und bessere Prognosen helfen bei der Anpassung an das Klima und extreme Wetterereignisse, sagt sie: „Der Klimawandel lässt sich nicht aufhalten, aber wir haben einige Möglichkeiten, uns an seine Folgen anzupassen“, betonte die BVE-Chefin. Experten gehen nicht davon aus, dass einzelne Produkte ganz aus den Supermarktregalen verschwinden werden, aber die Verbraucher sind dennoch besorgt.

Foto: Catarine, Wikipedia
Jeder zweite Verbraucher besorgt
Laut einer YouGov-Umfrage ist jeder zweite Verbraucher entweder „sehr“ oder „eher“ besorgt darüber, dass bestimmte Lebensmittel wie Kakao, Kaffee oder bestimmte Gemüsesorten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erhältlich sein werden. Der Lebensmitteleinzelhandel versucht sicherzustellen, dass die Auswirkungen auf die Kunden so gering wie möglich sind: „Bei Obst und Gemüse prüft Rewe, welche Alternativen es für das jeweilige Anbauland gibt und versucht, die Risiken zu streuen“, sagte ein Unternehmenssprecher. Um die Abhängigkeit von Importen zu verringern, setzt Rewe seit einigen Jahren verstärkt auf das Wachstum seiner regionalen Produkte. Je nach Region umfasst das saisonale Sortiment zwischen 50 und 190 verschiedene regionale Artikel. Auch Kaufland setzt nach eigenen Angaben immer mehr auf heimische Produktion und Regionalität. WWF-Experte Michael Berger hingegen sieht die Zukunft der Landwirtschaft vor allem in Diversifizierungssystemen wie dem Biolandbau. Der Biolandbau sei zwar arbeitsintensiver und bringe geringere Hektarerträge, dafür sei er aber anpassungsfähiger und widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel. All dies bedeutet, dass es mehr Lebensmittel geben wird, aber sie werden teurer, „damit die höheren Produktionskosten gedeckt werden können“.
K.Ś.