32° im Schatten, so viel zeigt das Thermometer an diesem Nachmittag auf der Festwiese in Groß Kaschütz (pl. Kaszyce Wielkie). Entsprechend haben sich die meisten Besucher in die schattigen Zelte oder direkt ins gut klimatisierte Gemeindezentrum zurückgezogen.
Auf der Wiese vor der Bühne mühen sich unterdessen in prächtige Trachten gekleidete Bauern, die Erntekrone ihres Dorfes vorzuzeigen: Groß Kaschütz, Pawellau, Pinxen, Stroppen, Krumpach, Gellendorf, Kodlewe, … – insgesamt 27 werden der Kommission um Bürgermeister Igor Bandrowicz präsentiert.
Dazu treten auf der Bühne allerhand – ebenfalls in polnische Tracht gekleidete – Musikgruppen und Tänzer auf. An den zahlreichen Ständen, welche den Festplatz wie eine bunte Girlande umschließen, werden reichlich Eis, selbstgemachte Limonade, duftender Kuchen, leuchtend gelber Honig und natürlich auch Herzhaftes und Bier verkauft. Es herrscht eine fröhliche, ein wenig folkloristisch anmutende, Volksfestatmosphäre.
Freundschaft über 300 km?
Zugleich hat das Fest in diesem Jahr noch eine größere Bedeutung. So sind neben den circa 500 örtlichen Besuchern, auf Einladung von Bürgermeister Bandrowicz auch eine kleine Delegation aus Deutschland um den Bennewitzer Bürgermeister Bernd Laqua und die Vorsitzende der Heimatkreisgemeinschaft des Kreises Militsch-Trachenberg, Regina Walter, anwesend. Man möchte sich näher kennenlernen und die zukünftige Möglichkeit eines engen Austauschs sondieren. „Der Wunsch nach einer Städtefreundschaft ist sowohl in Bennewitz als auch in Prusice groß“, freut sich Walter. Am Ehrentisch werden den Gästen aus der Nähe von Leipzig und Hannover sogleich zahlreiche lokale Köstlichkeiten dargeboten: Auf ein deftiges Mittagessen folgen Kuchenteller und Platten mit verschiedensten Käse- und Wurstsorten. Des Weiteren dürfen sie als Teil der Bewertungskommission mit über die schönste Erntekrone zu entscheiden.
Zeugnisse des Widerstands
Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurden die Einwohner von Prausnitz und den umliegenden Dörfern von NS-Organisation gezielt in Orte um das sächsische Bennewitz evakuiert. Davon berichten können heute nur noch wenige, trotzdem ist das Interesse an diesem dunklen Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte nach wie vor erstaunlich groß, meint Jürgen Karwelat, der gelegentlich Artikel für die „Schlesische Heimatzeitung“ schreibt. „Immer wieder kommt es vor, dass mich Polen kontaktieren, die bei der Renovierung ihres Hauses unbekannte Fotos oder deutsche Unterlagen finden. Erst vor Kurzem beispielsweise hat jemand ein dickes Buch in seiner Zwischendecke gefunden. Wir haben es dann zusammen angeschaut und erstaunt festgestellt, dass es sich um eine Spendenliste der ‚Eisernen Front‘ des Jahres 1932 handelte“, so der Verwaltungsjurist im Ruhestand, der ebenfalls Teil der Delegation ist. Weitere Indizien für das Interesse an den deutschen Spuren sind für ihn auch die wieder freigelegten evangelischen Friedhöfe sowie die restaurierten Domänen und protestantischen Kirchen in der Region.
In Groß Kaschütz nähert sich die Sonne inzwischen dem bewaldeten Horizont. Die unerträgliche Hitze ist einer angenehmen Wärme gewichen. Die schönste Erntekrone, so weiß man inzwischen, kommt dieses Jahr aus Groß Krutschen (pl. Krościna Wielka). Im Festzelt gibt es die erste Runde Wodka – die wird Stimmung nun nahezu euphorisch. Zu „Hej Sokoły“ tanzen Jung und Alt fröhlich durcheinander. Es sollte noch eine lange Nacht werden…
Tobias Weber