Dieser Frage gingen auf unterhaltsame Weise die fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer des philosophischen Slams „Nach 300 Jahren. Relevant? Kant!“ im Museum der Moderne in Allenstein nach. Organisiert hatten ihn aus Anlass des Kant-Jahrs 2024 die Stiftung „Kunst der Freiheit“ in Hirschberg/Idzbark und die Gesellschaft „Freunde Kants und Königsbergs“ in Berlin, um den Zuhörern die Ideen des großen Philosophen aus Königsberg/Królewiec einmal anders und weniger trocken nahe zu bringen.
Von der Leinwand blickte Immanuel Kant den Vortragenden über die Schulter, aber auch die im Saal des Museums der Moderne präsentierten Nobelpreisträger, Erfinder und Entwickler des früheren Ostpreußen schauten interessiert zu, als die fünf Kandidatinnen und Kandidaten des Slams in zehnminütigen Vorträgen ihre Gedanken entwickelten. Olga Żmijewska, die Begründerin und Leiterin der Stiftung „Kunst der Freiheit“, führte die mehr als 50 Gäste auf Deutsch und Polnisch durch die allgemein verständliche Philosophie-Show, die dank der finanziellen Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amtes möglich worden war.
Viele Sprachen, viele Ideen
Wer erwartet hatte, durch schwierige Ideen zu Immanuel Kant ermüdet zu werden, wurde dank kurzer und knackiger Vorträge sehr angenehm überrascht. Schwierig war für die Gäste lediglich die Vielfalt der Sprachen mit Deutsch, Russisch, Englisch und Polnisch, der aber durch hervorragende Simultan-Übersetzungen begegnet wurde. Exotischste Vertreterin im Kreis der Kandidaten war die seit acht Jahren in Deutschland lebende Iranerin Marzieh Nasiri. Sie kam während des Philosophie-Studiums mit Kant in Berührung und sieht in ihm einen politischen Philosophen sowie eine Bastion der Demokratie, die für ihr Land und besonders die iranischen Frauen wichtig ist.
Das Publikum fühlte sich sehr gut und abwechslungsreich unterhalten, die Zeit verging wie im Flug.
Als erster betrat die Bühne jedoch der Lokalmatador Michał Biedziuk. Der Musiker und Doktorand der Philosophie konzentrierte sich auf den wichtigen Unterschied zwischen Egoismus und Narzissmus und auf gesellschaftlichen Narzissmus, wie ihn aktuell Politiker wie etwa Donald Trump an den Tag legen. Als dritte nach Marzieh Nasiri präsentierte mit Justyna Artym erneut eine Allensteinerin ihre Gedanken. Sie studiert Philosophie und leitet das Frauen-Literatur-Kollektiv Półkowniczki mit. Ihr Thema war die Auseinandersetzung der Philosophin Martha Nussbaum mit Kants reiner Vernunft.
Schweinehunde und Musik
Vierter im Bunde war wieder ein Deutscher. Der Dozent der Philosophie an der Universität Duisburg-Essen, Jan Podacker, hat dem einsamen Wolf Immanuel Kant eine Frau und Kinder voraus, die – wie er selbst sagte – einen anderen Blick auf die Philosophie eröffnen. Er sprach über den inneren Schweinehund, den es zu bekämpfen gilt, und die Schwierigkeiten beim Befolgen des kategorischen Imperativs von Kant, der oft auch unserer Intuition entgegenläuft. Den Imperativ hat sich auch Anna Winckelmann als letzte Kandidatin vorgenommen. Die Russin lebt seit 2022 im Exil in den Niederlanden und präsentierte einen Vortrag auf Russisch und eine musikalische „kategorische Reise“ zur Begleitung einer Ukulele auf Englisch.
Das Publikum fühlte sich sehr gut und abwechslungsreich unterhalten, die gar nicht einmal kurze Zeit verging wie im philosophischen Höhenflug. Der Lohn für die mutigen Menschen, die Kant in Schlaglichtern beleuchteten, war lebhafter Beifall. Dessen Stärke je nach Person war gleichzeitig ein Hinweis auf die Entscheidung für die Sieger des Slams. Die fällten in schwieriger Diskussion die Vertreter der Berliner Organisatoren Hilmar Girnus, Sebastian Heller und Gregor Büning – es gab einen Doppelsieg für Justyna Artym und Anna Winckelmann.
Uwe Hahnkamp