Klaus Merz ist einer der bedeutendsten Schweizer Schriftsteller der Gegenwart. Auf seiner ersten Rundreise durch Polen, machte Merz auch in Breslau halt, wo er gemeinsam mit dem Übersetzer Ryszard Wojnakowski (Krakau) die polnische Übersetzung seines Romans „Jakob schläft“ (Jakub śpi) vorstellte.
Klaus Merz, der von 1995 bis 1997 Präsident der „Gruppe Olten“, des wichtigsten Schriftstellerverbandes Schweizer Autoren war, debütierte 1967 mit dem Gedichtband „Mit gesammelter Blindheit“. Bis heute erschienen über zwanzig Publikationen mit seinen Gedichten, Erzählungen, Romanen und Essays, vor allem aus dem Bereich Bildende Kunst. Klaus Merz verfasste darüber hinaus auch Hörspiele, TV-Drehbücher, Theaterarbeiten und Kinderbücher – 2015 hatte der Film „Merzluft“, der Texte von Klaus Merz zum zentralen Thema hat, Premiere. Klaus Merz, der vielfach ausgezeichnet wurde, erhielt zuletzt 2012 den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg für sein Gesamtwerk.
Am 1. März las Klaus Merz am Breslauer Germanistikinstitut aus seinen Werken. „Die Literatur besteht fast ausschließlich aus Sprache – es ist gleichzeitig eine Art Sehschule, eine Leseschule und eine Wahrnehmungsschule. Erzählbare Schicksale hat jeder von uns. Jeder kann seine Lebensgeschichte mit seinen Höhen und Tiefen in einem Roman schreiben“, sagte Merz eingangs der Lesung.
Im Mittelpunkt des Autorentreffens stand die polnische Übersetzung von „Jakob schläft. Eigentlich ein Roman“ (Innsbruck 1997), die vom Ryszard Wojnakowski (Karl-Dedecius-Preis 2009) ins Polnische übersetzt wurde und nun im ATUT-Verlag erschien. Klaus Merz verarbeitet in diesem Roman das Schicksal seines fünf Jahre jüngeren Bruders Martin (1950–1983). „Martin war ein heiterer Mensch, sehr zugewandt, ein sehr guter Unterhalter. Er begann mit dem Schreiben von Gedichten früher als ich – bereits im Alter von 18 Jahren war es ein großer Stapel an Gedichten, die Martin vorweisen konnte. Darauf war ich oft neidisch“, gestand Klaus Merz.
Seiner Familie und deren Schicksalen wandte sich Klaus Merz schriftstellerisch erst nach dessen Tod zu – erst als die Zeit dafür reif war, so Merz. 2003 gab er gesammelten Werke seines Bruders unter dem Titel „Zwischenland“ heraus. „Mein Bruder litt an Hydrocephalus, umgangssprachlich auch „Wasserkopf“ genannt, eine Krankheit, die man heute früh erkennen und ohne Weiteres heilen kann. Doch noch vor einigen Jahrzehnten konnten die Ärzte dieser Krankheit nicht begegnen. Mit dem Anbohren von zwei Löchern im Kopf sollte das Anwachsen seines Schädels verringert werden. Martin musste das über sich ergehen lassen, doch sein früher Tod konnte nicht verhindert werden“, sagte Merz.
In der anschließenden Diskussion wurde der Gast aus der Schweiz unter anderem nach seiner Haltung zum aktuellen Flüchtlingsproblem gefragt. Klaus Merz verurteilte dabei alle fremdenfeindlichen Bestrebungen scharf und wies darauf hin, dass es wichtig sei, aufeinander zuzugehen und zu versuchen, das Schicksal der Fremden zu erfahren. Dabei hilft auch Lyrik die Angst vor dem Fremden abzubauen.
Johannes Rasim