Vor dreißig Jahren, in dem Jahr, in dem der Vertrag zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet wurde, nahm die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit (AGDM) ihre Tätigkeit auf. Damals bestand eines der Hauptprobleme für die Gründer darin, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Zehn Jahre später übernahm die Minderheit das sogenannte Haus Kopernikus.
Zunächst traf man sich in der Privatwohnung des ersten Vorsitzenden der AGDM, Walter Angrik. Doch schon nach einem halben Jahr konnte der Verein dank des Entgegenkommens der Stadtverwaltung in eine kleine Wohnung in der ul. Knosały(Gartenstr.) umziehen. Im Laufe der Zeit wurde dieser Raum für die dynamisch wachsende deutsche Organisation zu klein. So konnten wir zu unserem 10-jährigen Bestehen dank der Spenden ehemaliger, in Deutschland lebender Allensteiner, der Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und eines Zuschusses der Bayerischen Staatsregierung in ein eigenes, beeindruckendes Gebäude in der u. Partyzantów 3 (Bahnhofstr.) umziehen.
Architektonisches Denkmal
Dieses mehr als 100 Jahre alte Jugendstilgebäude befand sich zu Zeiten der deutschen Stadt Allenstein an der repräsentativsten Straße, die schön bebaut und mit verschiedenen Arten von Edelbäumen bepflanzt war. Damals war es ein eleganter Teil der Stadt. Selbst heute, wenn wir diese Straße im polnischen Olsztyn entlanggehen, haben wir ähnliche Gefühle. Und dieses statuenhafte Bauwerk bestärkt uns nur darin.
Aus dem von Stanisław Piechocki veröffentlichten Buch „Olsztyn magiczny“ (Allenstein 2002) erfahren wir, dass dieses monumentale Gebäude im Jahr 1905 errichtet wurde. Seit Beginn seines Bestehens vereint es Büro- und Wohnfunktionen. Äußerlich sieht es nicht aus wie ein strenges preußisches Amt. Im Gegensatz zu anderen Gebäuden aus dieser Zeit weist es jedoch eine Reihe individueller Elemente auf, vor allem in der Fassadengestaltung, was ihm einen einzigartigen und diskreten Charme verleiht.
Es wurde als vierstöckiges Gebäude mit Keller auf einem rechteckigen Grundriss errichtet. Die Backsteinfassade mit neugotischen Putzdetails und ein polygonaler Turm mit quadratischem Sockel machen das Gebäude einzigartig. Die Dekoration zeichnet sich durch ein Kordongesims aus, das das erste Stockwerk abschließt, durch zierliche Fensterrahmen im zweiten und durch geometrische Fensterbänder im vierten Stockwerk.Der Scheinrisalit im Erdgeschoss enthält zwei halbkreisförmige Fenster in einer gemeinsamen Nische mit profilierten Kanten. Der vordere Mittelrisalit wird durch einen Giebel mit verputztem Feld abgeschlossen. Das Ganze wird von einem mehrfach abgeschrägten Dach bedeckt. Im Jahr 1989 wurde das Objekt als Kulturgut anerkannt und in das Register der Denkmäler eingetragen.
Sitz von Ämtern
Bis 1945 befand sich das Gebäude im Besitz der Reichsfinanzverwaltung. Es beherbergte unter anderem das Landesfinanzamt, das Steueramt und das Zollamt. Ursprünglich wurden die Wohnungen von prominenten Bürgern der Stadt bewohnt, vor allem von hohen Offizieren der Infanterie- und Artillerieeinheiten der Allensteiner Garnison und von Mitarbeitern der örtlichen Behörden (Regierungsämter). Mitte der 1930er Jahre wurde die Zahl der Wohnungen auf zwei reduziert, von denen eine von einem Heizer bewohnt wurde, der beim Eigentümer des Hauses angestellt war.
Das gesamte Grundstück grenzte an den alten evangelischen Friedhof, der sich entlang der Bahngleise erstreckte und seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr genutzt, aber auch viele Jahre lang nicht aufgelöst wurde. Unter anderem wurde AllensteinsBürgermeister und Oberbürgermeister Oskar Bielandort begraben. Mehr zur Geschichte und zum weiteren Schicksal dieser evangelischen Nekropole siehe „Wochenblatt.pl“ Nr. 50 (1393) vom 14.-20.12.2018 und Nr. 27(1474) vom 3.-9.07. 2020.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude vom Schatzamt der Volksrepublik Polen übernommen. Wie es der Zufall wollte, hatten das Schatzamt und die Schatzkammer dort wieder ihre Räumlichkeiten. In den Jahren 1950 bis 1996 gehörte das Gebäude zunächst der Woiwodschaftsdirektion der Bürgermiliz, dann dem Amt für innere Angelegenheiten und nach der politischen Wende 1989 wurde es von der Polizeidirektion der Woiwodschaft übernommen. Viele Jahre lang beherbergte es auch ein Milizhotel, dann kurzzeitig ein Polizeihotel.
Fast ein halbes Jahrhundert lang kümmerte sich keiner dieser „Hausherren“ um das ihnen anvertraute Eigentum, was schließlich zum Verfall dieses Jugendstilgebäudes führte. Das stark renovierungsbedürftige Bauwerk stand mehrere Jahre lang leer. Anfang 1996 verkaufte das damalige Bezirksamt Allenstein stellvertretend für das Staatsschatzamt das Grundstück zusammen mit angrenzenden Wirtschaftsgebäuden an die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit.
Neues Leben
In den Jahren 1999/2000 wurde das mehr als hundert Jahre alte Gebäude dank der erheblichen Unterstützung verschiedener Institutionen und Personen, insbesondere aus Deutschland, gründlich renoviert und modernisiert. Vom Vorgängerbau wurden nur die Außenwände und einige Innenwände erhalten. Die Decken, das Dach, die Holzbauelemente und die Installationen wurden ersetzt. Die Fundamente wurden mit einer speziellen Technik verstärkt und es wurde ein neues Treppenhaus mit Aufzug eingebaut. Das Haus in der ehemaligen Bahnhofstraße erstrahlte nun wieder in altem Glanz und ist heute ein Schmuckstück von Allenstein.
Seit zwanzig Jahren ist dieses schöne Gebäude, das den Namen Haus Kopernikus trägt, Eigentum der Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit. Es beherbergt einen großen Konferenzraum, an moderne Anforderungen angepasste Lehrräume, eine Bibliothek mit Lesesaal und einen Ausstellungsraum.
In seinem dritten Jahrzehnt ist das Haus Kopernikus ein gut erkennbarer Ort für Aktivitäten zur Integration von Polen und Deutschen. Hier finden Deutschkurse statt, Begegnungen mit interessanten Menschen, Künstlern, Wissenschaftlern und Kulturanimateuren sind ebenfalls Tradition. Es bietet viele Möglichkeiten, handelt es sich doch hierbei um das größte und schönste deutsche Haus in Polen und es ist zu hoffen, dass es auch weiterhin nicht nur für die Menschen in Allenstein von Nutzen sein wird.
Heute ist die AGDMeine wichtige Organisation auf der kulturellen Landkarte von Ermland und Masuren. Dies zeigt sich an den durchgeführten Projekten und den individuellen Leistungen der Mitglieder. Der Verein genießt die Anerkennung der Einwohner und der lokalen Behörden und ist zu einer festen Größe in der Landschaft des Ermlandes und Masurens geworden. Die AGDM hat das anfängliche Misstrauen polnischer Einwohner der Region erfolgreich überwunden und dazu beigetragen, dass die deutsche Minderheit zu einem echten Haushalter unserer Woiwodschaft geworden ist.
Die Tatsache, dass die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheitin diesem Teil des Landes tätig sein kann, ist ein großes Verdienst der Leiter dieser Organisation, die sich von allen Schwierigkeiten, die sich immer wieder auftürmen, nicht entmutigen lassen.
Alfred Czesla
Der Autor, Dr. Alfred Czesla, gründete vor dreißig Jahren zusammen mit Walter Angrik und anderendie Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit. Zu dieser Zeit war er auch Mitbegründer der Gesellschaften der deutschen Minderheit in Sensburg und Osterode. Er ist ein masurischer Sozialaktivist. Für seinen Einsatz für die Deutschen im Ermland und in Masuren wurde er unter anderem mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Foto2: Heute hat in diesem Gebäude die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit ihren Sitz. Foto: AGDM