Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Kleines Produkt, große Firma

In der Vortragsreihe der Exponate des Monats im Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein (Olsztyn) gab es am 12. April erneut eher unscheinbare Ausstellungsstücke zu bewundern. Unter dem Titel „Zündhölzer aus Allenstein“ stellte Rafał Bętkowski vom Museum die erfolgreiche Firma „J. Ladendorff“ vor. Präsentiert wurden Streichholzschachteln, Etiketten dazu sowie ein Luftbild der Fabrik im Zentrum von Allenstein.

Es ist klein, unscheinbar, nützlich und gewinnbringend: das Zündholz. Sein Siegeszug startete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als begonnen wurde, es industriell herzustellen. Bei der damaligen Produktion wurden die Hölzchen aus weichem Holz mit einem Ende in geschmolzenen Schwefel getunkt und getrocknet, danach in eine Zündmasse, die weißen Phosphor enthielt. Ein solches Holz ließ sich an jeder rauen Fläche entzünden.

Rafał Bętkowski während seines Vortrages
Foto: Uwe Hahnkamp

Gefährlich in Produktion und Nutzung

Allerdings kam es manchmal zu Explosionen; giftige Phosphordämpfe führten außerdem zu Krankheiten wie etwa dem Absterben des Unterkiefers. Noch bis 1907 war der weiße Phosphor im Deutschen Kaiserreich erlaubt. Auch erloschen die Hölzchen nicht nach dem Gebrauch und verursachten so Brände. Die Änderung kam mit den „Sicherheits-Zündhölzern“ mit rotem statt weißem Phosphor, der darüber hinaus in die Reibefläche verlagert wurde. Die beiden Komponenten zur Entzündung wurden so getrennt, das Kaliumchlorat blieb am Streichholz selbst.

Die Entwicklung der Streichholzschachtel
Foto: Uwe Hahnkamp

Dadurch kam es zu einer weiteren Erfindung, wie Rafał Bętkowski erklärte: „Mit ihrer genau in die Hülle eingepassten Schublade und der seitlichen Reibefläche ist die Streichholzschachtel ein Stück bewundernswerte Ingenieurskunst.“ Und die Schachtel bot mit ihrem Etikett Platz für Botschaften über das Produkt selbst hinaus – wie etwa die „Hindenburg-Zündhölzer“ oder das vermutlich zur Volksabstimmung 1920 entstandene Design der „Ostpreußen-Hölzer“ zeigen.

Motive Hindenburg und Volksabstimmung
Foto: Uwe Hahnkamp

Von Königsberg nach Allenstein

Produzent dieser als Beispiele genannten Zündhölzer war der lange Zeit einzige Hersteller in Ostpreußen, die „Fabrik Chemischer Zündwaaren von J. Ladendorff“. Gegründet wurde diese 1853 von Josef Ladendorff, einem jüdischen Essigfabrikanten in Königsberg (Królewiec). Der Unternehmer verlegte 1876 die Produktion nach Allenstein, die Leitung übernahm sein Sohn Julius. „Hier gab es den neuen Anschluss an die Eisenbahn, billige Arbeitskräfte und genügend Holz, vor allem Espenholz“, so Rafał Bętkowski zu den Motiven des Umzugs.

Verschiedene Streichholzetiketten der 1920er-Jahre
Foto: Uwe Hahnkamp

Die Fabrik an der Kleeberger Straße gegenüber dem Gericht produzierte drei Sorten Zündhölzer: traditionell mit Phosphor, paraffinierte ohne Schwefel und Phosphor sowie schwedische Sicherheitszündhölzer. Darüber hinaus verkaufte sie auch das klein geschnittene, aber nicht bearbeitete Holz. Zum Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sie über 100 Arbeitskräfte und hatte Vertretungen bis nach Danzig (Gdańsk), Gumbinnen (Gąbin) und Memel (Kłajpeda).

„Arisiert“, verstaatlicht, verschwunden

Nach Julius‘ Tod übernahmeen seine Witwe Julia und später sein Sohn Otto die Firma Ladendorff. Im Rahmen der „Arisierung“ im Jahr 1939 fiel die Firma an Richard Horstmann von der Allensteiner NSDAP.

Genauer Blick auf die Exponate
Foto: Uwe Hahnkamp

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie, dann unter dem Dach des Staatlichen Zündwarenmonopols, als erste Fabrik in Allenstein wieder in Gang gesetzt, beschäftigte über 100 Mitarbeiter und produzierte 3,5 Millionen Schachteln Zündhölzer im Jahr. Wegen fehlender Qualität durch zu wenig Espenholz und abgenutzte Maschinen wurde der Betrieb 1948 geschlossen und die Produktion nach Zanow (Sianów) verlegt. „Für die Allensteiner war das eine vollkommen unverständliche Entscheidung von oben“, sagte Rafał Bętkowski dazu. „Dann wurden die Gebäude erst anderweitig genutzt und Anfang der 1970er-Jahre abgerissen.“ Auch die Fabrikstraße als einzige verbliebene Spur verschwand 2005 unter dem Neubau des Einkaufszentrums. Was bleibt, ist eine urbane Legende.

Uwe Hahnkamp

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