Seit einiger Zeit denkt die deutsche Minderheit in Polen darüber nach, politisch nicht mehr als Wählerwahlkomitee, sondern als eigenständige Partei zu agieren. Damit wäre sie aber nicht frei von Kritik, wie ein Beispiel aus Südtirol zeigt.
„Wenn Vorfahren ihre Existenz, die Gesundheit und ihr Leben im Einsatz für die Bevölkerung und ihre Heimat auf das Spiel gesetzt haben und wir nun feststellen müssen, dass allmählich alles über Bord geworfen wird, dann ist es schon verwunderlich“, schrieb in einem offenen Brief an die Südtiroler Volkspartei (SVP) der lokale Aktivist Alfred Sebastian Moser. Moser schreibt weiter, dass es – und er meint damit die Minderheitenanliegen – „mit Schönreden vonseiten der Politik nicht getan ist“ und es „Mut und den ernsthaften Willen, die Anliegen einer Minderheit zu verteidigen“ brauche. Hintergrund der Kritik ist ein angeblich zu geringes Interesse an den Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Italien. Dabei handelt es sich bei der SVP um den politischen Arm von Italiens Deutschen. Anders als bei der deutschen Minderheit in Polen, wird die dortige Volksgruppe von einer Partei – und nicht von einem Wählerwahlkomitee – politisch vertreten.
Wie jetzt aber die Kritik zeigt, kann eine solche Lösung sehr schnell zu Konflikten führen. Während ein Wahlkomitee stark vor allem an die Interessen der eigenen Volksgruppe, gebunden ist, muss sich eine Partei viel mehr auch den allgemeinen politischen Herausforderungen widmen und läuft Gefahr dadurch die eigenen Leute zu vernachlässigen – dies wurde auch in der Vergangenheit der SVP vorgeworfen. Dazu wird die Partei auch beschuldigt, sich zu wenig auf die deutsche Identität zu konzentrieren und damit auch starke Assimilation mit der Mehrheitsbevölkerung in Kauf zu nehmen: „Wir tun uns mit der eigenen Identität so schwer, dass es traurig anmuten muss“, schreibt Moser im offenen Brief.
Die heftigen Geschütze, die Moser gegen die SVP in die Hand nimmt, scheinen jedoch einen konkreten Grund als nur die Sorge um die deutsche Identität der Südtiroler zu haben. Bei Alfred Sebastian Moser handelt es sich nämlich um einen Sprecher der Süd-Tiroler Freiheit – einer konservativ orientierten Gegenbewegung der SVP, die regional mit ihr um die Stimmen kämpft. Während die SVP in Südtirol lokal die stärkste Kraft ist, spielt die Südtiroler Freiheit politisch eher eine Nebenrolle. Dazu machte sich die Freiheit bei der letzten Wahlkampagne einen schlechten Namen, indem sie kontroverse Plakate drucken ließ und dabei die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien bestritten hat. Bei einer komplett anderen Ausrichtung, jedoch denselben Wählern, scheinen weitere Konflikte beider Parteien vorprogrammiert zu sein.
Łukasz Biły