Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Königliches Gymnasium

Seit einigen Dutzend Jahren beschäftigen sich viele Selbstverwaltungen polnischer Städte, trotz etlicher Schwierigkeiten, mit der Restaurierung wertvoller Objekte der Architektur und Stadtplanung des 19. und 20. Jahrhunderts. Dies wird durch die zunehmende zeitliche Distanz begünstigt, die es ermöglicht, die Einzigartigkeit dieses Kulturerbes zu erkennen. Das besondere Interesse an diesem Thema ist sogar zu einem Erkennungsmerkmal von Städten wie z. B. Danzig, Stettin oder Breslau geworden. Aber auch Allenstein hat viele interessante Denkmäler, die der Stadt bis heute dienen, aus jener Zeit bewahrt.

Das 135 Jahre alte neugotische Gebäude des Königlichen Gymnasiums in Allenstein, in dem heute das Adam-Mickiewicz-Gymnasium Nr. 1 untergebracht ist, die älteste Schule der Region im Nachkriegspolen, ist zweifelsohne beachtenswert. Das Gebäude ist ein lebendiges Denkmal der Geschichte der modernen Bildung in Ostpreußen sowie Ermland und Masuren. Bis 1945 gab es hier das erste konfessionslose Gymnasium, das im 19. und 20. Jahrhundert eine elitäre Oberschule war.
Der Bau dieser staatlichen Bildungseinrichtung war mit der rasanten demographischen, wirtschaftlichen, räumlichen und administrativen Entwicklung Allensteins am Ende des 19. Jahrhunderts verbunden. Die Gründung eines Gymnasiums – einer staatlichen Schule, die auf höhere Studien vorbereitete – war einer der Indikatoren für die Bedeutung der Stadt.

 

 

Gymnasium für Jungen

Die Geschichte der Schule reicht bis ins Jahr 1878 zurück, als die Stadtverwaltung und der Stadtrat beschlossen, ein Gymnasium für Jungen einzurichten, das aus Mitteln der Stadt unterhalten werden sollte, wofür man die Zustimmung der preußischen Regierung erhielt. Ursprünglich befand sich das Gymnasium im Gebäude der Volksschule in der heutigen ul. Pieniężnego (Wilhelmstraße). Im April 1886 wurde mit dem Bau eines neuen Gymnasiumgebäudes begonnen. Dieser dauerte über ein Jahr und kostete etwa 200.000 Reichsmark. Die Schule, bereits als Königliches Allensteiner Gymnasium benannt, wurde der staatliche Obhut übergeben. Im September 1887 fand die offizielle Eröffnung der Schule statt, bei der das Schultheater eine gekürzte Fassung der „Iphigenie in Tauris“ von Johann Wolfgang von Goethe aufführte.
Die Schule war ein klassisches Gymnasium – mit Griechisch- und Lateinunterricht. Ihr erfolgreicher Abschluss gab einem das Recht, an Universitäten zu studieren. Die Abiturprüfungen umfassten Deutsch, Latein, Griechisch und Mathematik. Englisch und Hebräisch waren optional. Viele bedeutende Persönlichkeiten deutscher und polnischer Nationalität, ob katholisch, protestantisch oder mosaisch, legten in dieser angesehenen Einrichtung ihre Reifeprüfung ab, darunter der deutsche Geologe Kurt von Bülow, der römisch-katholische Priester Jan Hanowski; der deutsche Schriftsteller und Übersetzer Georg Hermanowski, der evangelische Pfarrer Georg Künstler, der deutsch-jüdische Architekt Erich Mendelsohn und der deutsche Literaturwissenschaftler Erich Trunz.

 

Das ehemalige Königliche Gymnasium, heute Adam-Mickiewicz-Lyzeum Nr. 1. Rechts Adam Mickiewiczs Büste von Balbina Świtycz-Widawska
Foto: Urząd Miasta Olsztyn

 

Mickiewicz-Schule

In den beiden Weltkriegen diente das Gebäude auch als Lazarett. Glücklicherweise wurde das Bauwerk im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört. Seit 1945 wird das Gebäude als Adam-Mickiewicz-Mittelschule Nr. 1 für die polnische Bildung genutzt, die erfolgreich die Traditionen des Gymnasiums pflegt. Im Jahr 1965 wurde vor der Schule eine Büste des Schulpatrons, entworfen von Balbina Świtycz-Widacka, enthüllt. In den folgenden Jahren wurde das älteste Gymnasium Allensteins einer Grundsanierung unterzogen, die Ausstattung der Klassenräume wurde bereichert, die Funktionalität und Ästhetik der Räume verbessert, neue didaktische Hilfsmittel wurden eingeführt und ein deutsch-polnischer Jugendaustausch, u. a. mit dem Schiller-Gymnasium in Offenburg, initiiert.

Berühmte Absolventen des Ersten Allgemeinbildenden Lyzeums in Allenstein sind unter anderem: der Neurochirurg und Neurologe Wojciech Stefan Maksymowicz, Erzbischof Edmund Piszcz, Metropolit von Ermland, die polnische Schriftstellerin Ewa Schilling sowie der polnische Philosoph und Ethiker Ulrich Schrade.
Die Schule ist die einzige, die ihren ehemaligen Vorkriegscharakter bewahrt hat, denn alle anderen Schulgebäude der Stadt wurden erst nach 1945 gebaut. Das Symbol, das das Allensteiner Gymnasium (76 Jahre) mit den Traditionen des Königlichen Gymnasiums (58 Jahre) verbindet, ist das Gemälde „Iphigenie in Tauris“ des deutschen Landschaftsmalers Heinrich Gärtner (1828-1909). Das Werk wurde 1892 im Auftrag von Dr. Otto Sieroka, Direktor des Königlichen Klassischen Gymnasiums, gemalt und hing zwei Jahre später an der Wand der prächtigen Aula der Schule.

 

Iphigenie auf Tauris – das Gemälde von Heinrich Gärtner geht 1894 in die Königliches Gymnasium in Allenstein.
Fot. I LO Olsztyn.

Iphigenie

Es zeigt Iphigenie an der Felsenküste von Tauris stehend im Profil, dem Betrachter zugewandt und den Blick auf das Meer gerichtet. Im Hintergrund sind Orestes und Pylades zu sehen. Der Legende nach handelt es sich um eine tragische Figur: Iphigenie wurde von ihrem Vater, der sich aufmachte, Troja zu erobern, geopfert. Aus der weiteren Beschreibung geht hervor, dass Iphigenie gerettet und sehr weit weggebracht wurde, nämlich nach Tauris, d. h. auf die heutige Krim. Für die alten Griechen war es das Ende der zivilisierten Welt. Auf dem Gemälde wird Iphigenie als Exilantin dargestellt, die jeden Tag ans Meer geht und in die Ferne schaut. Im Jahr 1989 wurde das Gemälde offiziell in das Nationale Denkmalregister eingetragen.

„Bei der Wahl des Themas ließ sich Heinrich Gärtner vom humanistischen Charakter seines Gymnasiums, das die Liebe zu Heimat und Volk pflegte, leiten. Solche Merkmale waren auch für die mythologische Iphigenie charakteristisch“, erläutert Jolanta Skrzypczyńska, die Direktorin des Ersten Allgemeinbildenden Lyzeums in Allenstein. Und sie fügt hinzu: „Obwohl Iphigenie eine mythologische Figur ist, die neben viel bekannteren Helden der Geschichte des Trojanischen Krieges auftritt, nimmt sie einen wichtigen Platz im Gedächtnis derer ein, die sie 127 Jahre lang auf dem Monumentalgemälde in der Schulaula wahrgenommen haben. So begleitete sie nicht nur die Schüler und Lehrer jener Zeit, sondern auch die Verwundeten und Leidenden des Krieges. Und seit 1945 hat sie Generationen um Generationen von Schülern bei wichtigen Prüfungen und anderen Zeremonien begleitet. Es geht ihr sehr gut, obwohl bei Restaurierungsarbeiten 2007 neben ihrem Kopf neun Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurden. Ihre gute Form verdankt sie wohl den zeitlosen humanistischen Werten, die in diesem Gebäude seit über hundertdreißig Jahren hochgehalten werden.“

 

Alfred Czesla

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