Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mangel an Fahrern

Die Zeiten, in denen sich der Fahrer eines 40-Tonners frei und unabhängig fühlte, sind unwiderruflich vorbei. Zeitdruck, mangelnder Respekt, Einsamkeit und niedrige Löhne kennzeichnen die Logistikbranche. Deshalb werden in YouTube- und Instagram-Kampagnen händeringend neue Mitarbeiter gesucht.


Denn jedes Jahr gehen in Deutschland 35.000 LKW-Fahrer in den Ruhestand und nur 15.000 neue setzen sich ans Steuer. Infolgedessen klagt die Branche seit Jahren über einen Mangel an Arbeitskräften. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Einer davon sind die starren Ausbildungsbedingungen für Unternehmen und Mitarbeiter“, sagt Maximilian Pretzel, Sprecher des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). Auch die Anforderungen der jungen Fahrer haben sich verändert, beispielsweise im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: „Außerdem herrscht in der Branche an den Laderampen oft ein rauer Umgangston, der manche ebenfalls von dem Beruf abschrecken kann“, erklärt Maximilian Pretzel.

Wie auf den Inseln
Es sei daran erinnert, dass in der Vergangenheit viele Kraftfahrer ihren Führerschein im Rahmen ihres Grundwehrdienstes kostenlos gemacht haben. Nach seiner Abschaffung kam es auch bei diesen Fahrern zu einem Mangel. Was passiert, wenn es zwar Lkws gibt, aber niemanden, der sie fährt, kann man heute in Großbritannien beobachten. Strenge Visabestimmungen nach dem Brexit haben zu einem eklatanten Fachkräftemangel in der Logistikbranche geführt. Der Branchenverband Road Haulage Association schätzt, dass im Vereinigten Königreich rund 100.000 Lkw-Fahrer fehlen. Die Folge sind massive Probleme bei der Versorgung mit Benzin und Lebensmitteln. Infolgedessen hat das Militär vor Kurzem seine Hilfe angeboten. Auch Deutschland könnte sich in einer ähnlichen Situation befinden. Dort werden die Warnungen vor einem ähnlichen Szenario immer lauter, wenn nicht bald Maßnahmen gegen den Fahrermangel ergriffen werden: „Auch in Deutschland bricht die Versorgung langsam ein“, sagt Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), und fügt hinzu: „Eine ähnliche Situation wie in England könnte in Deutschland schon in zwei oder drei Jahren eintreten. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen endlich aufwachen und entschlossen gemeinsam gegen den Fahrermangel vorgehen.“

Deutschland leidet unter einem Mangel an Lkw-Fahrern
Foto: Kober Buchloe/Wikipedia

Unter Lohndruck
Diese Warnungen werden jedoch u. a. von der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen: „Ich glaube nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland von diesem Problem betroffen ist“, sagt Stefan Thyroke, Leiter des Bereichs Spedition und Logistik bei ver.di. Seiner Meinung nach könnte die Zahl der LKW-Fahrer kurzfristig sogar zunehmen, da viele von ihnen jetzt aus Großbritannien in die EU kommen: „Alle reden vom Fahrermangel, aber eigentlich geht es nur um den Mangel an einheimischen Fahrern“, betont Stefan Thyroke. Fahrer aus osteuropäischen Ländern kompensieren seit Langem den Nachwuchsmangel in Deutschland und anderen Ländern. Aus der Sicht von Branchenexperten schafft dies jedoch neue Probleme. Viele Fahrer von Transportunternehmen in Osteuropa fahren teils legal, teils illegal unter den Bedingungen ihres Herkunftslandes. Manche kehren nur zweimal im Jahr nach Hause zurück. Die deutschen Verkehrsunternehmen stehen daher unter Lohndruck, was den Fachkräftemangel noch verschärft: „Es ist gut zu wissen, dass die Entsenderichtlinie der Europäischen Union seit einigen Jahren vor Ausbeutung und Niedriglöhnen schützen soll, aber die Realität sieht anders aus“, sagt Dirk Engelhardt von der Branchengewerkschaft BGL. Zur Durchsetzung der Vorschriften sind digitale Kontrollen erforderlich.

Über 10.000 Euro
Das wirft die Frage auf: Könnten Unternehmen nicht auch mehr für ihre eigene Attraktivität tun? Zum Beispiel kostenlose Führerscheinpakete als Teil der Ausbildung einführen? „Bislang übernehmen die Unternehmen nur in Ausnahmefällen die Kosten für teure, aber notwendige Weiterbildungsmaßnahmen für Lkw-Fahrer“, kritisiert Gewerkschafter Stefan Thyroke, während Dirk Engelhardt ergänzt: „Für mittelständische Unternehmen ist das zu teuer.“ Für den Erwerb des Führerscheins und der grundlegenden Qualifikationen, die für den Beruf des Kraftfahrers erforderlich sind, werden mehr als 10.000 Euro benötigt. Um die derzeitige Situation zu verbessern und optimistischer in die Zukunft dieses Sektors zu blicken, müssen sich also vor allem die Rahmenbedingungen und das Image des Berufsstandes ändern. Dann werden sich die jungen Leute dafür interessieren. Andernfalls werden sich die Probleme und Schwierigkeiten weiter auftürmen.

K. Ś.

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