„Frühere Einwohner des Oberlandes und ihre Geschichten“ – so lautete das Thema eines Ausflugs, den die Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) im Rahmen des Projekts „Belebung der Begegnungsstätten“ veranstaltete. Mitte Juli ging es dabei unter anderem nach Quittainen (Kwitajny) auf das Gut der Familie von Dönhoff. Auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wartete dort eine Besichtigung in Begleitung einer „Gräfin“.
Mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern und für Heimat soll im Projekt „Belebung der Begegnungsstätten“ den Gesellschaften der deutschen Minderheit in Polen mehr Leben eingehaucht werden. Diese Initiative bietet Raum für Aktivitäten wie die kürzliche Studienfahrt der AGDM in den Nordwesten der Woiwodschaft Ermland-Masuren.
Philosophen, Industrielle und Gutsherren
Der Vormittag der Fahrt galt der Stadt Mohrungen (Morąg) und ihrem größten Sohn, dem Philosophen Johann Gottfried Herder (1744 – 1803); der Nachmittag hingegen der Stadt Elbing (Elbląg) und ihrer Geschichte, unter anderem dem Unternehmer Ferdinand Schichau (1814 – 1896), der mit seiner Werft und den Fabriken die Stadt zu einem industriellen Zentrum machte.
Die Mittagszeit fand die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einer landwirtschaftlich geprägten Gegend unweit von Preußisch Holland (Pasłęk). Die etwas abgelegenen Ecken in den Weiten des früheren Ostpreußen beherbergen bis heute viele Zeugnisse der Gutshöfe des Adels – hier hatten die Familien der Dohnas und der Dönhoffs ein großes Anwesen: Quittainen. Von hier aus machte sich die letzte Verwalterin des Guts, Marion Gräfin Dönhoff (1909 – 2002), die spätere Mitherausgeberin der Wochenzeitung „Die Zeit“, auf ihren langen Ritt in Richtung Westen.
Moderne Technik und verwöhnte Pferde
Wie die Reiseleiterin Magdalena Malinowska während der Anfahrt auf das Dorf erklärte, liege der große Reiz von Quittainen in der deutlich sichtbaren Struktur des Anwesens: Dorf, Wirtschaftsgebäude, Herrenhaus und Kirche: Durch die bis heute vorhandenen Teiche seien dies getrennte Bereiche. Im Dorf wurden die Gäste von den Mitgliedern des Vereins „Mit Geschichte in die Zukunft“ empfangen – mit der Ortsbürgermeisterin Małgorzata Stanisławska im historischen Kostüm als Gräfin an der Spitze. Die Vereinsmitglieder übernahmen auch die Führung durch das Gut.
Die Wirtschaftsgebäude werden größtenteils heute noch genutzt, der Speicher hatte früher sogar eine damals hochmoderne Sauganlage für die Einlagerung des Getreides. Ziemlich verfallen ist dagegen der Pferdestall, in dem früher alle Pferde eine eigene Box mit eigener Schüssel und sogar Porträts an der Wand hatten. Wie Małgorzata Rudek vom Verein erzählte, sei hier auch Alarich, Marion Gräfin Dönhoffs berühmtes Pferd, untergebracht gewesen. Sie selbst wohnte damals nicht im Herrenhaus, sondern in einem anderen Haus nahe der Kirche.
Während die Parkanlage von Quittainen auch heute noch beeindruckt, wirkt das Herrenhaus – nicht zuletzt wegen der aktuellen Renovierung – auf den ersten Blick recht bescheiden. Verirren kann man sich darin dennoch, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ausflugs feststellen konnten. Ein besonderes Erlebnis, da das Gebäude im Alltag geschlossen ist; aber auch das Gut als Ganzes wird die Erinnerung der Allensteiner noch länger begleiten.
Uwe Hahnkamp