Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Neue Gründe und eine polnische Fassung

Das neue Buch ist jetzt auf Polnisch zu haben

Mit seinem Buch „111 Gründe, Polen zu lieben“ hat der Schriftsteller und Mitarbeiter des Deutschen Poleninstituts in Darmstadt Matthias Kneip ein großes Lesepublikum in Deutschland erreicht. Jetzt erschien die dritte Auflage des Buches mit 11 Bonusgründen.

 

Neben den deutschsprachigen können nun auch die polnischen Leser erfahren, was die 111 Gründe sind, für die Mathias Kneip Polen liebt, denn vor kurzem ist im polnischen Verlag Grupa M-D-M die polnische Version des Buches erschienen, das  sowohl auf der Warschauer Buchmesse, auf der Deutschland als Ehrengast geladen war, sowie im polnischen Fernsehen vorgestellt wurde.

 

Das Buch in beiden Sprachversionen soll damit Lesern aus beiden Ländern die Möglichkeit zum Austausch und zur Diskussion gegeben. Denn obwohl das politische Verhältnis aktuell angespannt ist, gibt es einen regen gesellschaftlichen Austausch zwischen Polen und Deutschland. So existieren z.B. bereits über 1000 Schulpartnerschaften, die vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk unterstützt werden, als dessen offizieller Botschafter Matthias Kneip sich engagiert.

 

Für den polnischen Leser ist die deutsche Perspektive des Buches von Kneip auf Polen interressant, für viele Oberschlesier dagegen kann die neue erweiterte deutsche Fassung ein Grund sein, sich das Buch zu kaufen. Denn unter den elf neuen Bonusgründen, gibt es auch einen über Oberschlesien, da Mathias Kneips Familie aus dieser Region stammte.

 

Exklusiv für unsere Leser drucken wir mit freundlicher Unterstützung des Autors und des Verlages Schwarzkof & Schwarzkopf diesen Bonusgrund ab.

 

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Weil meine Urgroßmutter in Oberschlesien begraben liegt

 

Als wir 1985 unseren ersten gemeinsamen Familienausflug nach Oberschlesien machten, begleiteten wir Kinder diese Reise mit unseren Eltern in die Orte ihrer Kindheit mit gemischten Gefühlen. Oberschlesien klang irgendwie verstaubt, belastet, so gar nicht nach Ferien. Wir wussten auch nicht viel über die Geschichte unserer Eltern, außer, dass ihre Heimatstadt Oppeln nach dem Krieg zu Polen kam, dass meine Eltern als Kinder die polnische Sprache erlernen mussten und – dass sie sich in dem neuen Polen eigentlich ganz wohl gefühlt haben (im Gegensatz zu meinen Großeltern). Als meine Mutter aber plötzlich am alten Friedhof in Oppeln das Auto anhielt und uns aussteigen ließ mit der Begründung, sie wolle das Grab ihrer Oma suchen, die 1958 gestorben und hier beerdigt worden war, schauten wir uns überrascht an. Unsere Urgroßmutter? Hier, so weit weg von Zuhause, in diesem fremden Land beerdigt? Wir konnten das eigentlich nicht glauben.

 

Sie verstarb, kurz bevor ihre Tochter, also meine Großmutter, Polen 1958 im Zuge der Familienzusammenführung verließ. Sie starb aus Protest gegen diesen Heimatverlust, erklärte meine Mutter uns mit einem Lächeln auf den Lippen.

 

Während sie sich aufmachte, auf dem riesigen Gelände des Friedhofs das Grab von damals zu suchen, amüsierten wir Kinder uns über die kompliziert auszusprechenden Namen auf den Grabsteinen: Szczepanek, Miszczak, Szewczyk, usw. Plötzlich hörten wir einen Schrei, der mein Leben ein klein wenig veränderte. Meine Mutter hatte auf diesem alten und völlig verwahrlosten Friedhof tatsächlich das Grab ihrer Großmutter gefunden. Wir rannten sofort hin und mein Staunen kannte keine Grenzen. „Klara Picke“, stand dort, „geboren 1886, gestorben 1958“. Ein alter Stein, mit einer kleinen Jesusfigur darauf. Meine Urgroßmutter! In Gedanken malte ich mir aus, welche historischen Ereignisse sie durchlebt haben musste, wie sie den Krieg überstanden hatte, und – warum mir ihr Name so fremd war. Wir fuhren weiter.

 

Seit diesem Tag habe ich keine Reise nach Oberschlesien unternommen, während der ich nicht ein leises Gebet gesprochen und eine Rose an diesem Grab abgelegt habe, das bis auf den heutigen Tag existiert. Es ist für mich zu jenem Fixpunkt unserer Familiengeschichte geworden, in dem sich unsere deutsche, polnische und oberschlesische Vergangenheit manifestiert. Ein Ort, an dem ich Ruhe finde und innehalte stellvertretend für so viele Familien, die eine ähnliche Geschichte durchlebt haben wie die meinige. Aber nicht allen ist es vergönnt, noch ein Grab ihrer Vorfahren im heute polnischen Oppelner Land besuchen zu können. Ein Grab, das standgehalten hat über die Wirrnisse der Zeit hinweg.

 

Mitte der 1990er Jahre habe ich an der Universität Oppeln eine Stelle angetreten, die es mir zugleich ermöglichte, vor Ort die Geschichte meiner Familie zu recherchieren und die alten Wohnorte meiner Großeltern zu besuchen. Ohne Hilfe und Unterstützung jener Polen und Oberschlesier, die heute in der Stadt Oppeln und ihrer Umgebung leben, wäre das nicht möglich gewesen.

 

Die Geschichte hat viele Wunden geheilt, Angehörige der deutschen Minderheit, Polen und Oberschlesier prägen heute gemeinsam das politische und gesellschaftliche Geschehen in Oberschlesien. Im Bewusstsein der historischen Vergangenheit gestalten sie ihre Zukunft, und gerade die junge Generation ist es, der es obliegt, der Region die eigene Identität zu erhalten. Ich jedenfalls fühle mich sehr wohl dort, auch, weil ich ein klein wenig oberschlesisches Blut in mir trage.

 

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