Am Skat erkennt man den Schlesier – noch vor zehn, fünfzehn Jahren hörte man in oberschlesischen Dorfgaststätten oder in der Eisenbahn: „Achtzehn, Zwanzig, Zwo, Null…“.Am 7. September werden im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen der Skat und seine Geschichte wieder lebendig.
Für die „Europäischen Tage des kulturellen Erbes“ entschied man sich im Dokumentationszentrum,an denSkat als immaterielles, deutsches Kulturerbe zu erinnern. „Auf die Idee, Skat zum Motto einer generationsübergreifenden Begegnung zu machen, brachten uns Freunde vom Forschungszentrum der deutschen Minderheit in Oppeln“, so BognaPiter, die im Dokumentationszentrum in der ulicaSzpitalna 11 für Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungen zuständig ist. Sie berichtet von Archivmaterial aus der Gründungszeit der Strukturen der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien um 1989/90, die belegen, dass „das Skatspiel eine wichtige Rolle für die deutsche Minderheit spielte. Plakate, Handzettel oder Chronikeinträge zeugen von regulären Skatbegegnungen, die auch als Vorwand zum Deutschsprechen dienten“, sagt Piter. Und weil im Dokumentationszentrum ein großer Teil der Dauerausstellung der in den 90er-Jahren gegründeten Gesellschaft der deutschen Minderheit gewidmet ist, sei es passend, an das Lieblingsspiel der hiesigen Deutschen zu erinnern, so die aus Posen stammendePiter. Sie hatte keine Mühe, Experten für die Skatbegegnung im Raum Oppeln zu finden, die Geschichte und Spielregeln des Skats erklären werden.
Beliebt auch bei Betrügern
Quellen belegen, dass sich das Spielen mit Karten als solches im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts in allen gesellschaftlichen Schichten ausbreitete. Für Schlesien ist es erstmals 1453in einem Bericht von Johannes Capistramus aus Breslau belegt. Das Kartenspielen war bald so beliebt, dass sich manche Kriminelle auf den Betrug bei Kartenspielen mit Geldeinsätzen in Gasthäusern spezialisierten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnte illegaler Spielkartendruck in Schlesien wegen Steuerhinterziehung sogar mit lebenslänglicher Zwangsarbeit bestraft werden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Spielkarten noch handwerklich hergestellt, die Produktion war jedoch bereits staatlich lizenziert. Zirka 150 Spielkartenmacher, vor allem in Breslau, Schweidnitz (Świdnica), aber auch im oberschlesischen Neisse (Nysa), hatten in Hochzeiten mit der Produktion der Karten ihren Lebensunterhalt verdient. Zwei Verlage konnten sich später jedoch mit den Druck von Spielkarten durchsetzen. Es waren dies die Werkstätten der Familie Tiratschek in Breslau und der Verlag Flemming &Wiscott in Glogau (Głogów). Zwischen 1924 und 1945 hat der Glogauer Verlag allein 156 verschiedene Kartenspiele herausgegeben.
Aus Altenburg in die Welt
Das Skatspiel entstand erst um 1810/15 herum in Altenburg in Thüringen aus Elementen mehrerer anderer Kartenspiele, wie etwa dem spanischen l’hombre, dem italienischen Tarock, dem ursprünglich aus dem Erzgebirge stammenden Schafkopf, aus Deutsch Solo und anderen. Dem Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge zufolge ist der Begriff Skat vom italienischen „scartare“ = „aus dem Kartenspiel entfernen“ abgeleitet, was auf das Abwerfen zweier Karten im Tarock zurückzuführen ist. Der Deutsche Skatverband (DSkV) wurde 1899 in Halle an der Saale gegründet. Bereits in der Entstehungsphase gab es regionale Differenzen, ob mit dem Deutschen oder dem Französischen Blatt oder als „Kompromiss“ mit „Kongresskarten“ (halb und halb) gespielt werden sollte. Schlesien blieb, wie Sachsen und Thüringen, dabei bis heute Bastion der deutschen Karten.
Einheitliche Spielordnung
Genau wie das Fußballspiel fand auch Skat durch den Ersten Weltkrieg zu immenser Verbreitung. Zur Bewährungsprobe für die Einheitlichkeit der Regeln wurde die Gründung der „International Skat Players Association“ (ISPA-World) 1976 in Paris. Deren deutsche Regionalsektion konkurrierte zunächst mit dem Deutschen Skatverband (DSkV). Seit Ende der Neunziger Jahre gab es aber Kontakte, man einigte sich auf eine weltweit einheitliche Spielordnung. Der kleine polnische Skatverband, mit seinen 13 oberschlesischen Kreisverbänden und einem Kreisverband für die Kaschubei, Großpolen und Kujawien, wurde 1994 zunächst sogar im DSkV assoziiert. Bei den wenigen Spielorten außerhalb Oberschlesiens handelt es sich also auch um einstige deutsche Wurzeln.
Für Schlesien ist das Kartenspiel erstmals 1453in einem Bericht von Johannes Capistramus aus Breslau belegt.
Streit ums richtige Bild
Im Streit um die richtigen Spielkarten führte der internationale Verband zwar mittlerweile das „Chemnitzer Bild“ als offizielle Turnierkarte ein, das die französischen Kartensymbole Kreuz, Pik, Herz und Karo in den Farben des Deutschen Blattes zeigt. Während zu deutscher Zeit nationalgeschichtlich bedeutende Orte wie das Hermanns- und das Kyffhäuserdenkmal, das Brandenburger Tor oder auch das Breslauer Rathaus als Motive auf den Karten mit abgebildet waren, wurden mit Ausnahme des Letzteren zu polnischer Zeit auf den eigenen Karten nun auch der Stettiner Hafen oder „echte“ polnische Städte wie Krakau, Sandomir (Sandomierz) oder Warschau aufgenommen. Dem sozialistischen Arbeitsethos verpflichtet gab es nun sogar Maschinenhallen oder Kohlegruben auf den Spielkarten zu sehen sowie auch Motive von Kattowitz, Oppeln und Waldenburg (Wałbrzych). Neben Deutschland und Polen ist das Skatspiel heute übrigens besonders dort verbreitet, wo auch sonst deutsche Minderheiten leben oder sich Auswanderer niederließen – etwa in Nordamerika, Paraguay oder Namibia.
Traditionsreiche Kartenspiele in Schlesien waren vor dem Siegeszug des Skats übrigens Trapola und Karnöffeln. Diese Spiele sind nach 1945 in Schlesien jedoch untergegangen und heute fast vergessen, weil sie besonders unter den vertriebenen Niederschlesiern verbreitet waren.
Gegen das Vergessen
Oberschlesien stemmt sich nun also auch gegen das Aussterben des größten Erfolgsspiels, des spät eingezogenen Skats. Sein Geheimnis ist eben, dass die Wahrscheinlichkeit, genau die gleichen Karten wie im Spiel zuvor wiederzubekommen, minimal ist. Die Zahl der möglichen Kartenverteilungen beträgt nämlich 2.753.294.408.504.640.
Am 7. September können in der OppelnerulicaSzpitalna 11 alte Hasen und absolute Neulinge, von 11 bis 18 Uhr im Reizen und Stechen aufgehen. Voraussetzung ist, dass man sich anmeldet „damit wir wissen, wie viele Tische wir aufbauen sollen. Wir freuen uns auf ganze Familien, denn wir sorgen auch für Kundenbetreuung“, sagt BognaPiter(www.cdwbp.opole.pl). Sie habe zwei Profis eingeladen, die aufpassen, dass „nicht die falsche Damegedrückt wird“. Was das bedeutet? Die Antwort gibt es dort bestimmt.