Die Ursprünge der Oberschlesischen Schmalspurbahn sind wie so vieles in Oberschlesiens Geschichte in der Industrialisierung zu suchen. Die Gruben und Hüttenwerke, die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in dieser Region entstanden, zogen eine erhebliche Nachfrage für Transportdienstleistungen nach sich. Die bisherigen Pferdewagen taten sich mit dem Gewicht von Kohle, Erzen und Eisen schwer. Schon früh entstanden innerbetriebliche Pferdebahnen, was die grundsätzliche Ineffizienz jedoch nicht beheben konnte. Die Lösung hierfür wurde in der Oberschlesischen Schmalspurbahn gefunden.
Abhilfe brachte der Bau der Oberschlesischen Eisenbahn von Breslau über Cosel nach Myslowitz in den Jahren 1841-48. Dies verbesserte den Transport von Gütern in Richtung Berlin und durch Anschlüsse auch weiter nach Österreich und Russland. Eine Herausforderung blieb jedoch der Transport innerhalb des sich schnell urbanisierenden Ballungsgebietes, da viele Fabriken keinen Anschluss an die Bahn hatten.
Entwicklung der Infrastruktur
Die Oberschlesische Eisenbahn AG entschied sich deshalb, ein Schmalspurnetz mit einer Spurbreite von 2 Preußischen Fuß und 6 Zoll, bzw. 785 Millimeter, zu bauen. Die ersten Linien entstanden von 1854-57 von Tarnowitz über Karf (heute Beuthen) nach Antonienhütte (heute Schlesisch Ruda) sowie von Karf, Maczeikowitz (heute Königshütte) nach Janow (heute Kattowitz). Schon 1855 wurde mit Dampflokomotiven experimentiert, jedoch setzten sich diese erst 1872 dauerhaft gegen den Pferdebetrieb durch. Entgegen den Erwartungen der Besitzer entwickelte sich die Schmalspurbahn nicht als Zulieferer zum normalspurigen Netz. Stattdessen wurde die meiste Ware innerhalb der Schmalspur transportiert. Als erste Schmalspurbahn im Reich wurde die Oberschlesische Schmalspurbahn zwischen 1884 und 1904 schrittweise verstaatlicht. Damit einher gingen auch Investitionen in das Streckennetz und den Fuhrpark. So wuchs die Streckenlänge von 113 km im Jahr 1887 auf 164 km im Jahre 1919. Daran angeschlossen waren 208 km privater Netze, die sich in Betrieben befanden. Mit dem wachsenden Netz steigerte sich auch die Menge der transportierten Güter. Diese wuchs von 1.034.125 Tonnen 1870 auf 4.716.614 Tonnen im Jahre 1916.
Schon seit 1993 bietet die Schmalspurbahn im Sommer Passagierfahrten an, die heute eine Tourismusattraktion sind.
Nach der Teilung Oberschlesiens 1922 befanden sich 2/3 der Schmalspurbahn in Polen. Dort entwickelte sich das Netz weiter, während auf deutscher Seite ein Ausbau unterbliebt. Noch vor dem Einmarsch der Roten Armee wurde viel an Infrastruktur demontiert und Brücken gesprengt. Deutlich größere Schäden hinterließen jedoch die sowjetischen Soldaten, die viele Gebäude der Schmalspurbahn anzündeten und 20 km Schienen demontierten, die in die Sowjetunion verfrachtet wurden.
Die größte Bedeutung
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Polnische Staatsbahn die Oberschlesische Schmalspurbahn. Nach der Instandsetzung von Streckennetz und Lokomotiven begann die Periode, in der die Schmalspurbahn ihre größte Bedeutung erreichte. Die kommunistischen Machthaber setzten, wie überall im Ostblock, vor allem auf die Entwicklung der Schwerindustrie und gerade zum Transport von Massengut innerhalb des Industriereviers eignete sich die Schmalspurbahn bestens. Mit 233,5 km erreichte das Streckennetz 1950 seine größte Ausdehnung. Das Rekordjahr war 1955, als 6.022.113 Tonnen Güter (vor allem Steinkohle) und 1.789.935 Passagiere (vor allem zwischen Ratibor und Gleiwitz) von der Schmalspurbahn transportiert wurden. Zu erwähnen ist hierbei, dass die Oberschlesische Schmalspurbahn nur 1,6 % des gesamten schmalspurigen Netzes in Polen repräsentierte, aber für 47,2% des schmalspurigen Gütertransports und 5,2% des Personentransports im Land verantwortlich war.
Ab Mitte der 60er Jahre machte die wachsende Bedeutung des Straßengütertransports der Schmalspurbahn zu schaffen. Ende der 60er Jahre ersetzten schwere Diesellokomotiven schrittweise die alternden Dampflokomotiven. Die Wirtschaftskrise der 80er Jahre wirkte sich auch auf die Oberschlesische Schmalspurbahn aus und halbierte zwischen 1980 und 1989 die transportierte Gütermenge. Einige Strecken wurden damals stillgelegt, jedoch blieb das Netz grundsätzlich intakt.
Der schnelle Untergang
Mit der politischen und wirtschaftlichen Wende begann in den 90er Jahren der schnelle Untergang der Oberschlesischen Schmalspurbahn als wichtiger Dienstleister für die Industrie. Die Schließung vieler Gruben und Stahlwerke ließ die Nachfrage einbrechen und die Konkurrenz durch den Straßengütertransport nahm noch einmal zu. Die Restrukturierung der Staatsbahn wurde so umgesetzt, dass viele Lokomotiven und Waggons sowie Schienennetzabschnitte an Schrotthändler verkauft wurden. Illegale Demontage durch Kriminelle taten ihr Übriges. So blieb 1999 nur noch ein Streckennetz von 40 km übrig, welches das Kraftwerk Königshütte mit Kohle aus drei Gruben versorgte. Dies endete jedoch 2001.
Was der Oberschlesischen Schmalspurbahn das Überleben rettete, war im Jahr 2002 die Übernahme der Strecke von Beuthen über Tarnowitz nach Georgenberg durch die angrenzenden Gemeinden. Diese entschieden sich, den Museumsbetrieb zu erhalten. Die Strecke ist nicht nur die älteste im ganzen Netz, sondern verbindet auch das Naturreservat Segiet, das historische Silberbergwerk in Tarnowitz und den See Chechło-Nakło. Schon seit 1993 bietet die Schmalspurbahn im Sommer Passagierfahrten an, die seitdem eine Tourismusattraktion sind. Heute betreibt der Verein „Oberschlesische Schmalspurbahn“ die Verbindung von Beuthen nach Georgenberg. Dank des Engagements vieler Freiwilliger können Einheimische wie Gäste somit bis heute die älteste durchgehend betriebene Schmalspurbahn der Welt erleben.
Martin Wycisk