Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Bernd Fabritius: ein Mann der Tat

 

Mit Bernard Gaida, dem Vorsitzenden des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) und Chef der AGDM in Europa sprach Krzysztof Świerc

 

 

Prof. Dr. Bernd Fabritius (links) und Bernard Gaida
Foto: facebook.com/bdv.fabritius

 

 

In der vergangenen Woche sprachen Sie in München mit Prof. Dr. Bernd Fabritius (CSU), dem Beauftragten der deutschen Bundesregierung für nationale und ethnische Minderheiten und Aussiedler. Welche Themen kamen dabei auf den Tisch?

Wir haben während des Gesprächs vieles „angefasst“, wobei ein sehr großer Teil des Gesprächs neuen Projekten gewidmet war, die wir zur Zeit umsetzen und die weitgehend dem enormen Engagement von Bernd Fabritius zu verdanken sind. Gemeint sind der Bau einer Schule des Vereins Pro Liberis Silesiae in Oppeln-Malino, das Dokumentations- und Ausstellungszentrums der Deutschen Minderheit in Oppeln, das Forschungszentrum der Deutschen Minderheit, der LernRAUM.pl und das Projekt Deutsch AG.

 

Die oben genannten Projekte werden in diesem Jahr durchgeführt – einem schwierigen Jahr wegen der Corona-Pandemie. Hat das negative Auswirkungen auf den Fortschritt der Arbeit an den von Ihnen erwähnten Vorhaben?

Leider werden sich einige dieser Projekte zwangsläufig verzögern, nicht zuletzt aus behördlichen Gründen. Schließlich waren etwa Baugenehmigungen erforderlich und es mussten auch Projekte gemacht werden, die verschiedene Abstimmungen erforderten, die aber während der Pandemie nur schwer zu erreichen waren. Dadurch gibt es nun einige Verzögerungen, über die Bernd Fabritius und ich in München ebenfalls gesprochen haben. Bei diesen Projekten handelt es sich übrigens um Jahresprojekte und wir müssen sie ungeachtet dessen, was in diesem Jahr geschehen ist, zum Abschluss bringen. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch gelingen wird, wenn auch nur durch immense Anstrengungen vieler Menschen. Hierzu hat Bernd Fabritius sogar seine Bereitschaft erklärt, an einem bestimmten Punkt zu uns zu kommen, um den Fortschritt dieser Projekte zu sehen.

 

Während des Münchner Treffens wurde auch der Besuch des stellvertretenden Bundestagspräsidenten Thomas Oppermann (SPD) in Oppeln ausführlich diskutiert. Was sind die Echos dieser Visite?

Ich erlaubte mir, über diesen Besuch zu berichten. Wie sich aber herausstellte, war Bernd Fabritius sehr gut darüber im Bilde, denn Thomas Oppermann hatte ihm bei seiner Rückkehr nach Deutschland persönlich seine Eindrücke mitgeteilt. Unter anderem zeigte er sich sehr positiv überrascht von der Arbeitsweise und der Rolle der deutschen Minderheit in der Region Oppeln. Während seines Besuchs war er übrigens nicht nur bei uns, sondern auch beim Marschall der Woiwodschaft. Es ist ganz klar, dass die positive Beurteilung unserer Tätigkeit durch den stellvertretenden Bundestagspräsidenten für uns von großer Bedeutung ist. Bernd Fabritius wusste übrigens auch, dass Thomas Oppermann einen ganzen Tag in der Hauptstadt der Woiwodschaft Oppeln verbracht hat, dass er das Gebäude besichtigte, das derzeit zu einem Dokumentations- und Ausstellungszentrum der deutschen Minderheit umgebaut wird, dass er den VdG mit seiner Anwesenheit ehrte und dass er von unseren Koordinatoren Berichte über alle Projekte erhielt, die wir dank des entsprechenden Bundestagsbeschlusses verfolgen.

 

Ein Thema Ihres Gesprächs mit Bernd Fabritius war die Lobbyarbeit für deutsche Minderheiten in Deutschland.

Ja, und eines der Instrumente für die Lobbyarbeit zu diesem Thema ist die bei der AGDM eingerichtete Ausstellung über die 25 deutschen Minderheiten in Europa, die seit drei Jahren durch den Alte Kontinent wandert. Leider wird sie aufgrund der Corona-Pandemie derzeit in Ungarn gelagert und wartet auf die Gelegenheit, weiterziehen zu können, was höchstwahrscheinlich ab September dieses Jahres möglich sein wird. Die Pandemie hat übrigens sechs Monate aus der Marschroute dieser Ausstellung herausgeschnitten, falls natürlich nicht noch etwas Schlimmeres passiert. Zur Erinnerung: Die finanzierende Stelle hatte diese Ausstellung für drei Jahre geplant, was bedeutet, dass sie Ende dieses Jahres ihren Abschluss findet. Ich war deshalb bemüht, Bernd Fabritius davon zu überzeugen, dass wir gern eine Verlängerung dieses Zeitraums erwirken würden. Außerdem spricht vieles dafür, dass wir uns darauf geeinigt haben, dass paradoxerweise gerade in Deutschland die Notwendigkeit besteht, die bei der AGDM entstandene Ausstellung über die 25 deutschen Minderheiten in Europa an mehreren Orten zu zeigen.

 

Warum insbesondere in Deutschland?

Da das Thema der deutschen Minderheiten außerhalb Deutschlands in der Bundesrepublik selbst nicht so bekannt ist, wie es sein sollte, braucht es jede Form der Popularisierung. Die bei der AGDM geschaffene Ausstellung über 25 deutsche Minderheiten in Europa ist eine dieser Formen. Wir kamen daher überein, eine Kostenschätzung und eine Route für Deutschland zu erstellen. Allerdings lässt uns die Corona-Pandemie im Moment nicht daran denken, mit dieser Ausstellung weit in andere Länder zu gehen. Vielmehr denken wir an kurze Strecken, die bei den zurzeit notwendigerweise geltenden Auflagen leicht zu bewältigen wären, wenn es um Transport, Kontrolle und Instandhaltung geht.

 

Was haben die von Ihnen angesprochenen Projekte denn gemeinsam?

Allem voran sehen sie von ihrer Struktur her eine Fortsetzung vor! Die Fortführung dieser Projekte ist jedoch insoweit schwierig, als man sich wegen der unerwarteten Ausgaben in den nationalen Haushalten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nun redlich Mühe geben muss, um sie am Laufen zu halten. Auch darüber habe ich mit Bernd Fabritius gesprochen. Wir waren uns hierbei auch darin einig, dass die Verlangsamung bei den Bauprojekten zwar womöglich aufgeholt werden kann, aber es gibt auch Projekte, bei denen das Problem anders geartet ist. So ist beispielsweise das Projekt des außerschulischen Deutschunterrichts, das bei uns das Kryptonym Deutsch AG hat, von der Funktionsfähigkeit der Schulen abhängig, und die war während der Pandemie nicht gegeben. Sogar der Unterricht fand online statt, sodass in dieser Situation kaum von außerschulischem Unterricht die Rede sein kann. Trotzdem liegen uns bereits Bewerbungen von Schulen vor, die an außerschulischen Gruppen interessiert sind. Hoffentlich beginnt das Schuljahr am 1. September in einer einigermaßen normalen Form und ohne zusätzliche Einschränkungen, die den außerschulischen Unterricht unmöglich machen würden. Nun, wir erleben die Pandemie als eine anormale Zeit, in der wir trotzdem versuchen, einigermaßen normal zu planen und dabei auf weitere Überraschungen vorbereitet sein müssen.

 

Gibt es noch andere der angesprochenen Projekte, die darunter leiden könnten?

Leider ja, LernRAUM.pl zum Beispiel. Im Hinblick auf dieses Projekt hatten wir geplant, dass unsere DFKs bereits in der ersten Hälfte 2020 Kurse in deutscher Sprache für Angehörige der deutschen Minderheit altersunabhängig anbieten würden. Leider mussten unsere DFKs aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen bleiben und konnten deshalb diese Veranstaltungen nicht organisieren, was unsere Pläne stark beeinträchtigt hat. Glücklicherweise entwickelt sich das Forschungszentrum der Deutschen Minderheit einigermaßen normal. Hier handelt es sich allerdings um wissenschaftliche Arbeit, die in geschlossenen Räumen stattfinden kann und erst in ein oder zwei Jahren sichtbare Ergebnisse bringt.

 

Wie sieht Bernd Fabritius die Situation der deutschen Minderheit in Polen? Erkennt er ihre Probleme und wie reagiert er darauf?

Dieses Thema war nicht Inhalt unseres Treffens, aber ein wichtiger Punkt verdient in diesem Kontext Aufmerksamkeit. Wir bereits erwähnt, sind wir aktuell dabei, im Rahmen des Projekts ein Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen Minderheit in Oppeln aufzubauen und wir haben auch Geld, um den außerschulischen Deutschunterricht zu finanzieren, was indirekt auf die Einschätzung unserer Situation durch Bernd Fabritius zurückzuführen ist, der sich sehr stark in den Prozess eingebracht hat, sodass wir diese Mittel erhalten konnten. Denn bereits Mitte letzten Jahres war er überzeugt, dass das Format des „Runden Tisches“, an dem diese Fragen mit der polnischen Regierung diskutiert wurden, ausgeschöpft ist. In dieser Situation können einige der Postulate des „Runden Tisches“ nur mit deutscher Unterstützung umgesetzt werden. Erinnert sei hierzu auch daran, dass wir am „Runden Tisch“ eine Museumspräsentation über die deutsche Minderheit in Polen als Verpflichtung der polnischen Regierung festgelegt haben. Dieses Projekt wird ja auch unter polnischer Beteiligung verfolgt, wenn auch nicht von der Regierungsseite, sondern von der Regionalverwaltung der Woiwodschaft Oppeln, die sich diesem Projekt erfreulicherweise angeschlossen hat. Das war auf der Ebene des „Runden Tisches“, d.h. auf der Regierungsebene, leider nicht zu erreichen.

Ein zweites Projekt, das trotz Skepsis seitens der polnischen Regierung ebenfalls mit Hilfe von Bernd Fabritius in Gang gekommen ist, ist der außerschulische Deutschunterricht in Form der Deutsch AG.Dieses Projekt ist bedingt durch die Reduzierung der Stundenzahl des Deutschunterrichts in den Klassen 7 und 8 und eine Reaktion auf diese Reduzierung. Zugleich ist es der Versuch einer Ergänzung des Unterrichts, der aufgrund einer ungerechten Auslegung der Vorschriften durch das Bildungsministerium (MEN) nun ausfällt. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, wie Bernd Fabritius unsere Situation in Polen sieht. Kurzum: Er bewertet sie mit seinen Taten! Er hilft uns, Instrumente zu schaffen, mit denen wir trotz des Widerstrebens der polnischen Regierung, uns zu unterstützen, immer noch bestimmte Vorhaben umsetzen können.

 

Vergleicht Bernd Fabritius manchmal die Situation der Deutschen in Rumänien, wo er geboren wurde, mit der der Deutschen in Polen?

Das ist eine natürliche menschliche Neigung, so auch bei Bernd Fabritius, der aus Siebenbürgen stammt und seiner Heimat emotional sehr verbunden ist. Dies zeigt sich nicht nur in seinen Äußerungen, sondern auch in seiner Präsenz bei verschiedenen Veranstaltungen, die mit den Deutschen aus Siebenbürgen, oder allgemeiner, aus Rumänien, in Verbindung stehen. Darum findet dieser Vergleich auch statt. Durch diesen Vergleich wird übrigens der Unterschied zwischen dem sprachlichen Erbe und der Situation der deutschen Minderheit in Rumänien und anderen Ländern des ehemaligen kommunistischen Blocks drastisch sichtbar. Im kommunistischen Rumänien wurde die deutsche Sprache nicht unterdrückt, weil der damalige Präsident dieses Landes, Nicolae Ceausescu, eine etwas andere Politik betrieb als die UdSSR, obwohl Rumänien ja zur Gruppe der kommunistischen Länder gehörte, er selbst ein Kommunist war und eine diktatorische Herrschaft führte. Eine Herrschaft allerdings, die er selbst entwickelt hatte und die er nicht von Moskau übernahm, wobei er manchmal sogar gegen die UdSSR handelte. Dies hatte zur Folge, dass trotz der Deportationen von Deutschen in Rumänien und einer politischen Ideologisierung des Lebens das Schulsystem in deutscher Sprache, das dort seit Jahrhunderten bestand, nicht aufgelöst wurde. Das führte dazu, dass es keine Generationslücke im Deutschunterricht gab, weshalb die deutsche Sprache kontinuierlich von Generation zu Generation weitergegeben und an den Schulen angeboten wurde. Das ist in Rumänien bis heute so.

 

Auf der anderen Seite konnte sich die deutsche Minderheit in Rumänien zahlenmäßig nicht halten. Was ist der Grund dafür?

Die Auswanderung aus Rumänien in den frühen 1990er Jahren war enorm. Manchmal habe ich den Eindruck, dass zu dem Zeitpunkt, da in Schlesien erst die Überlegung aufkam, ob man nach Deutschland gehen soll oder nicht, in Rumänien bereits die gegenteilige Meinung herrschte: am besten so schnell wie möglich wegziehen, denn man weiß ja nicht, wie lange das Ausreisetor noch geöffnet bleiben würde. Die Folge: In nur zwei Jahren gab es einen unglaublichen zahlenmäßigen Rückgang der in Rumänien verbliebenen Deutschen und das bleibt bis heute ein Faktum.

 

 

Plant Bernd Fabritius einen Gegenbesuch in Polen? Wenn ja, wann könnte dies geschehen?

Ich kann Ihnen versichern, dass der Besuch von Bernd Fabritius bei uns noch in diesem Jahr stattfinden wird. Und wer weiß, vielleicht werden dann noch weitere Besuche folgen, worüber wir uns ebenfalls unterhalten haben. Den Termin werden wir aber erst dann festlegen, wenn wir den Stand der Arbeit an unseren beiden Hauptprojekten – dem Ausbau der Schule des Vereins Pro Liberis Silesiae in Oppeln-Malino und dem Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen Minderheit in der ul. Szpitalna in Oppeln – bereits kennen.

 

 

 

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