Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Berührungsängste? Was soll’s, jakoś to będzie!

Foto: Marie Baumgarten
Foto: Marie Baumgarten

 

Kolumne: Ein Mainzer blickt auf Schlesien. Heute: Berührungsängste? Was soll’s, jakoś to będzie!

 

Gestern verschlug es mich in Oppeln zum “Großen Schlittern” in die Eishalle Toropol. Warum ich das erzähle? Weil dieses Ereignis bei mir tatsächlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Man sagt ja gerne, dass so viele Dinge aus so vielen Gründen wichtig oder bedeutend sind, doch waren es für mich die vielen kleinen Symbole, die diese Veranstaltung von den anderen unterschied, bei denen ich bisher war.

 

Aber vom Anfang. Seit meinem ersten Tag in der Redaktion höre ich vom „Großen Schlittern“, einer Wohltätigkeitsveranstaltung organisiert vom Bund der Jugend der deutschen Minderheit. Wenn es um Wohltätigkeitsveranstaltungen geht, bin ich meist skeptisch. Oft fühlen sich nur wenige Leute angesprochen und so wird aus DER Veranstaltung schlechthin meist ein Treffen der Organisatoren und deren engster Freunde, die keinen Grund gefunden haben fernzubleiben.

Ich merkte schnell, dass ich dieses Vorurteil in diesem Falle wohl nicht würde halten können. Bei dem Stammtisch in Breslau, von dem ich letzte Woche erzählte, kannten nicht wenige diese Aktion. Ich muss zugeben, dass ich irritiert war. Man erzählte mir von einer großen Veranstaltung mit vielen hundert Besuchern jährlich und dass diese nun zum elften Mal stattfinden würde.

Mein Interesse war geweckt.

 

Foto: Frank Czerner
Foto: Frank Czerner

 

Als ich gestern die bunt geschmückte Eishalle betrat, mit Aufnahmegerät und Fotoapparat bewaffnet, war ich überwältigt. Viele Besucher, gut gelaunte Organisatoren und aus den Boxen dröhnte mir Helene Fischer und Co. entgegen. Ganz atemlos vor Begeisterung fühlte ich mich hier gut aufgehoben. Das hatte ich nicht erwartet. Sobald ich mich gefangen hatte, positionierte ich mich für meine ersten Interviews. Rafał Bartek, Vorsitzender der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft, stellte sich mir und meinen investigativen Fragen. Er berichtete mir von den ersten Jahren, als diese Veranstaltung durchgeführt wurde und den damaligen Überlegungen, wie viel deutsche Musik man beispielsweise spielen könne, ohne die Leute abzuschrecken. Er sprach von gegenseitigen Berührungsängsten zwischen dem BJDM und der Gesellschaft.

 

Berührungsängste – er ließ diesen Begriff so nebenbei fallen, doch mich regte er zum Nachdenken an. Ich fühlte mich ertappt. Die Liste meiner Berührungsängste hier bei der Arbeit in der Redaktion ist lang. Nicht zuletzt auf dieser Liste (um ehrlich zu sein relativ weit oben) steht das Sprechen auf Polnisch. Klar, manch einer wird mir jetzt sagen „Was macht der auch ein Praktikum in Schlesien, wenn er Angst hat Polnisch zu sprechen?“ Vielleicht mache ich es aus genau diesem Grund. Hin und wieder von den Kollegen gezwungen zu werden ein Interview auf Polnisch zu führen, oder mich alleine durchzuschlagen, um die Informationen zu bekommen, die ich brauche, hilft mir ungemein und ich merke, dass ich die anfängliche Panik bei dieser Vorstellung verliere. Ich weiß, dass alles schon irgendwie wird – jakoś to będzie. Langsam baue ich meine Berührungsängste ab.

 

Nun meinte Herr Bartek nicht unbedingt die persönlichen Berührungsängste, sondern viel mehr generelle Ressentiments. Er beschrieb den Bund der Jugend der deutschen Minderheit sinngemäß als Eisbrecher und Zugpferd – die Jugend bricht mit den Vorurteilen und führt die Menschen zusammen; sprachlich, generationsübergreifend und sozial. Dass eine deutsche Jugendorganisation eine Wohltätigkeitsveranstaltung für andere Jugendliche mit Erfolg (!) durchführt, beeindruckt und verbindet. So kam es, dass man an vielen Stellen Menschen deutsch sprechen hörte, während man mich gelegentlich polnisch sprechen hörte und sich alle irgendwie verstanden. An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Die Veranstalter hatten zunächst Angst Deutsches zu wagen, ich hatte (oder habe) Angst das Polnische zu wagen. Beim “Großen Schlittern” trafen wir uns in der Mitte.

 

Frank Czerner

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