Wer mit der „Goldenen Brücke des Dialogs“ ausgezeichnet wird, muss etwas Großes in Sachen Verständigung geleistet haben. Unter den Preisträgern sind immerhin Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl und Premierminister a.D. Tadeusz Mazowiecki (+). In diesem Jahr ging der Preis an das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW).
Stephan Erb leitet das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) in Potsdam, Paweł Moras in Warschau. Das deutsch-polnische Gespann kennt sich seit 18 Jahren. Man merkt es ihnen an: Blicke, Gesten und Scherze wie man sie unter alten Freunden kennt. Und welche Sprache sprechen beide miteinander?
„Polnisch und deutsch parallel. Wer anfängt,hat gewonnen“, sagt Stephan Erb und lacht. Paweł Moras nickt eifrig und fügt hinzu: „Aber Stephan spricht viel besser polnisch als ich deutsch.“ Alles Quatsch, wendet Erb ein. Moras widerspricht. Nüchtern betrachtet muss sich keiner der beiden mit seinen Sprachkenntnisse verstecken, im Gegenteil. Dabei das Wichtigste: die Partner verstehen sich, der Dialog funktioniert.
DPJW mit „Goldener Brücke des Dialogs“ geehrt
Verständigung war das Stichwort am 8. Dezember 2016 auf dem Sankt-Annaberg bei der Verleihung der „Goldenen Brücke des Dialogs“. Eine Jury, darunter die deutsche Konsulin in Oppeln Sabine Haake, kürte in diesem Jahr das Deutsch-Polnische Jugendwerk. Den Preis vergibt das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Mraschallamt als Ehrenauszeichnung neben den Kategorien „Mensch“, „Institution“ und „Organisation“ seit 2010 alle drei Jahre. Bereits Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl und Premierminister a.D. Tadeusz Mazowiecki (+) haben ihn erhalten – eine große Sache also. Die klotzigeTrophäe nahmen Stephan Erb und Paweł Moras gemeinsam entgegen. „Das ist eine große Ehre für uns“, sagen sie in einer kurzen Ansprache. „Doch eigentlich gehört der Preis all den Menschen, die hinter den von uns geförderten Projekten stehen.“
Das leistet das DPJW
Das DPJW ist eine internationale Organisation, 1991 gegründet. Es fördert mittlerweile über 3000 deutsch-polnische Projekte im Jahr, darunter Schüleraustausche und Praktika. Immer öfter sind auch Drittländer wie die Ukraine und Weißrussland beteiligt. Die Mission: durch persönliche Kontakte Vorurteile über den Nachbarn abbauen, einander verstehen lernen und die Erfahrung an die Folgegeneration weitergeben. Von diesem Konzept würden sogar weitaus mehr Menschen als nur die am Projekt teilnehmenden Jugendlichen profitieren, erklärt Moras. In den Austausch sei die gesamte Familie involviert, häufig sogar die Großeltern. „Die Jugendlichen werden zu Multiplikatoren. Damit schaffen sie das Fundament unserer nachbarschaftlichen Zusammenarbeit.“ Auch jahrzehntelange Kontakte zwischen den Institutionen in Polen und Deutschland hängen an den Projekten. Paradebeispiel ist die seit 25 Jahren andauernde Partnerschaft zwischen dem Mainzer Willigis-Gymnasium und der Oppelner Chopin-Musikschule. „Musik verbindet“, sagt Moras. „Aber unser eigentliches Ziel ist, dass aus gemeinsamen Proben und Konzerten Freundschaften entstehen, die bleiben.“ Freundschaften knüpften auch die Lehrer beider Schulen, Hannelore Swartman aus Mainz und Hubert Prochota aus Oppeln. In diesem Jahr dirigierte Swartman in der Oppelner Philharmonie ihr letztes Konzert, sie hat sich in den Ruhestand verabschiedet, wolle aber den Kontakt mit ihrem polnischen Kollegen weiterpflegen.
Auszeichnung in weiteren Kategorien
Hubert Prochota führt nun den Austausch mit dem Mainzer Nachfolger weiter. Für seinen Einsatz wurde auch er in diesem Jahr mit der „Brücke des Dialogs“ in der Kategorie „Mensch“ ausgezeichnet. In der Kategorie Organisation räumte den Preis der Verein Malapanetal ab, als Institution die Eichendorff-Schule in Solarnia, die selbst die finanzielle Förderung des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes in Anspruch nimmt. „Dass Institutionen ausgezeichnet werden, deren Projekte wir fördern, macht uns sehr stolz und glücklich. Das ist für uns die größte Auszeichnung“, sagen Erb und Moras.
Dialog jetzt wichtiger denn je
Die quasi doppelte Auszeichnung wundert den Chef des HDPZ, Lucjan Dzumla, nicht. „Jeder, der mit Jugendlichen und deutsch-polnischem Austausch zu tun hat, wird früher oder später mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk in Kontakt kommen.“ Er selbst habe auch von den Förderungen für einen Austausch zwischen Turawa, Oppeln und NRW profitiert. „Das DPJW ist deshalb so wichtig, weil es Kontakte fördert und damit den Dialog.“ Und der sei zurzeit besonders wichtig: „Man spürt gerade in der Politik, dass die Menschen aufgehört haben, miteinander zu sprechen“, bedauert Dzumla.
Nach dem politischen Kurswechsel in Polen
Die aktuelle politische Lage in Polen wird in Europa gerade heiß diskutiert. Zu einem Rückgang von deutsch-polnischen Projekten habe der politische Kurswechsel in Polen aber nicht geführt. „200 Projekte blieben in diesem Jahr sogar ohne Förderung“, bedauern die DPJW-Chefs. Sie sind sich sicher, dass das Interesse auch in Zukunft nicht abreißen werde, dank der starken über die Jahre gewachsenen Beziehungen zwischen den Akteuren auf deutscher und polnischer Seite. Moras geht sogar noch weiter und regt zu neuem Austausch an, beispielsweise zwischen den Jugendlichen der Deutschen Minderheit in Polen und der Polonia in Deutschland (Interessanterweise gehören die Mitglieder der deutschen Minderheit laut dem sog. „Wohnprinzip“ des DPJW zu den polnischen Projektpartnern bei dem deutsch-polnischen Austausch, Entsprechendes gilt für die Polonia).
In diesem Sinne sei die „Goldenen Brücke des Dialogs“, so Moras und Erb, auch eine Auszeichnung für die deutsch-polnischen Beziehungen der letzten 25 Jahre.
Marie Baumgarten
Audio: Juliane Preiß
Die Brücke des Dialogs ging im Jahr 2011 an Helmut Kohl