Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die ewige Mutter Polin

Die Alice Schwarzer von Kattowitz Dr. Malgorzata Tkacz-Janik (l.) setzt sich für die Befreiung der Frau aus der Rolle der „Matka Polka“ ein. Die Diskussion moderierte Dorota Stasikowska-Woźniak (r.)
Die Alice Schwarzer von Kattowitz Dr. Malgorzata Tkacz-Janik (l.) setzt sich für die Befreiung der Frau aus der Rolle der „Matka Polka“ ein. Die Diskussion moderierte Dorota Stasikowska-Woźniak (r.)

Sie ist die Alice Schwarzer von Kattowitz: Dr. Malgorzata Tkacz-Janik (Grüne). Bei einer Diskussionsrunde in der Hauptstadt der Woiwodschaft Schlesien, die das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und die Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam organisierten, rechnet sie mit dem Frauenbild der Mutter Polin ab.

 

Seit der Romantik prägt die „Mutter Polin“ (Matka Polka) das Rollenbild der Frau in der polnischen Gesellschaft. Die Mutter Polin repräsentierte die Kontinuität der Nation. Wenn die Männer sich in den Aufständen schlugen oder zur politischen Emigration getrieben wurden, sorgte sie nicht nur für das Haus. In illegalen Kursen unterrichtete sie die Kinder des Dorfes in polnischer Sprache und Schrift, unterwies sie im Glauben, brachte ihnen religiöse Lieder und Volksweisen bei. Sie trug die Verantwortung für die nationale Erziehung der künftigen Generation. Spätestens nach der politischen Wende glaubte man diesen Stereotyp überwunden, Frauen belegten Führungspositionen in der Politik, sie waren besser ausgebildet, passten sich besser der Marktwirtschaft an.

 

Zurück in alte Muster

 

Doch die neue Regierung wolle zurück zur Matka Polka, befürchtet Malgorzata Tkacz-Janik. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc, Pis) schlage einen rückwärts gewandten, die Geschichte heroisierenden Kurs ein, der die Frauen in alte Rollenmuster zurückwerfe. „PiS will die Frauen aus dem Beruf zurück an den heimischen Herd holen,“ sagt Tkacz-Janik. Sie ist überzeugt, dass das Kindergeld 500 Plus Mittel zu eben diesem Zweck sei: Frauen sollen Kinder kriegen, statt Karriere zu machen. Der Anteil von 25 Prozent Frauen auf politischen Posten könne auf diese Weise zumindest nicht steigen und dem Patriarchat in Polen endlichen ein Ende machen, bedauert sie und plädiert für mehr Gleichberechtigung.

 

Bei der Erziehung fängt es an

 

Die fange schon bei der Erziehung an. In vielen polnischen und schlesischen Familien werden immer noch Rollenbilder vorgelebt, die sich nach einer von Männern regierten Welt ausrichten. Jungs werden zu künftigen Führungspersönlichkeiten erzogen, Mädchen zu Hausfrau und Müttern. Männer müssten lernen, für Ihre Frauen ein Partner auf Augenhöhe zu sein, die Verantwortung und Aufgaben für die Familie zu gleichen Teilen zu splitten. Genauso wichtig: eine Sensibilisierung dafür, dass nicht jede Frau ein Kind möchte, dafür aber eine Karriere. In dieser Hinsicht sei man in Deutschland viel weiter, hat Malgorzata Tkacz-Janik das Gefühl.

 

Ähnliche Lage in Deutschland

 

Doch ganz so stimme das nicht, wendet Roland Feicht von der Friedrich-Ebert-Stiftung ein. Auch in Deutschland sei dieses Rollenbild noch nicht überwunden. Außerdem verdienen Frauen in Deutschland wie in Polen immer noch weniger als Männer auf gleichem Posten. Laut Experten liege das vor allem an dem Verhandlungsgeschick der Männer. Feicht hält deshalb eine Frauenquote für einen gute Lösung. „Wichtig sind auch Diskussionsrunden wie diese hier in Kattowitz. Es ist ein wichtiges Thema, das die Gesellschaft auch in Zukunft beschäftigen wird – in Polen und Deutschland“, ist er überzeugt.

 

Gegenstimmen von Experten suchte man auf dem Podium an diesem Abend vergebens.

 

Marie Baumgarten

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