Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Eine Westpreußin als Mäzenatin Goethes

Arthur Schopenhauer . Portrait von Ludwig Sigismund Ruhl (1815)
Arthur Schopenhauer . Portrait von Ludwig Sigismund Ruhl (1815)

Sie war eine der markantesten, beliebtesten und meist gelesenen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Ihrer Heimatstadt Danzig setzte sie ein einzigartiges Denkmal: Vor 250 Jahren wurde Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer, geboren.

 

Johanna Schopenhauer kam als Johanna Henriette Trosiener in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Danzig zur Welt – die Familie wohnte in der Heilig-Geist-Gasse (heute ulica Św. Ducha) und erhielt eine für das Danziger Bildungsbürgertum übliche Erziehung für höhere Töchter. Achtzehnjährig heiratete sie auf elterlichen Druck hin den 19 Jahre älteren Kaufmann Heinrich Floris Schopenhauer, einen sehr wohlhabenden und gebildeten Mann, der Johanna trotz der ungücklich verlaufenden Ehe einen luxuriösen Lebensstil und mehrere Europareisen ermöglichte. So reiste Johanna 1787 mit ihrem Mann sowie 1803 mit ihrem Mann und Sohn Arthur nach Großbritannien –  ihre persönlichen Erfahrungen veröffentlichte sie in ihrem Buch „Reise durch England und Schottland” (1818). Besonders eine längere Tour durch das Hochland von Schottland sowie die ausführlichen Beobachtungen des Lebens in London trugen viel zum kontinentalen Großbritannienbild des frühen 19. Jahrhunderts bei.

 

Als die Freie Stadtrepublik Danzig 1793 an Preußen fiel, zog ihr republikanisch eingestellter Mann mit seiner Familie nach Hamburg, wo die Tochter Adele geboren wurde, die ihrer Mutter zeitlebens zur Seite stand. In Hamburg konnte sich Johanna jedoch nicht einleben und zog nach dem Tod ihres Mannes nach Weimar um. Sie traf dort Anfang Oktober 1806, wenige Tage vor der Plünderung der Stadt durch die Truppen Napoleons, ein. Ihr mutiges und bedachtsames Auftreten gegenüber den Franzosen verschaffte ihr schnell einen guten Ruf bei den Weimarern, die unter französischen Zwangseinquartierungen zu leiden hatten. Johanna wurde in kurzer Zeit mit allen Weimarer Größen befreundet. In der folgenden Zeit wurde Johannas Haus zu einem der Mittelpunkte des kulturellen Lebens – ihre Teegesellschaften wurden rasch zum gesellschaftlichen Treffpunkt für Diskussionen und Lesungen. Johanna war es auch, die Goethe half, seine langjährige Geliebte und Mutter seines Sohnes August, Christiane Vulpius, in die Weimarer Gesellschaft einzuführen. Dafür dankte Goethe  ihr zeitlebens.

 

Zu ihren Gästen und engen Freunden wurde unter anderem der Kunstschriftsteller Karl Ludwig Fernow, ein großer Kenner der italienischen Kunst und Literatur. Fernow wurde 1802 Professor für Ästhetik in Jena und 1804 Bibliothekar der Herzogin Anna Amalia in Weimar. Er hatte Johanna in die Kunstgeschichte eingeführt und zur schriftstellerischen Tätigkeit angeregt. Nach dem Tod Fernows verfasste sie eine Lebensbeschreibung von Carl Ludwig Fernow (1810) – ursprünglich nur dazu gedacht, die Schulden Fernows zu begleichen. Doch der Erfolg des Buches ermutigt Johanna ihre Schreibtätigkeit fortzusetzen. Johanna erwies sich als begabte Schriftstellerin von scharfer kritischer Beobachtungsgabe sowie elegantem Stil. Ihr literarisches Werk umfasst insgesamt 24 Bände: Erzählungen, Romane, Biographien, Reise- und Kunstbeschreibungen. Ihr erster Roman „Gabriele“ (3 Bände, 1818/20) wurde von Goethe gewürdigt.

 

Ihr letztes Werk waren ihre Lebenserinnerungen „Jugendleben und Wanderbilder“ (herausgegeben von ihrer Tochter Adele 1839, Nachdruck 1958), die jedoch unvollendet blieben. In ihnen schildert sie ihre Eindrücke und Erlebnisse ihrer Jugendzeit in Danzig: sorgfältig beobachtet und anschaulich dargestellt, vor allem die Sitten und Gebräuche sowie das Leben in der alten Hansestadt. Diese Lebenserinnerungen wurden so zu einem wertvollen kulturhistorischen Zeitdokument Danzigs.

 

1813 freundete sich Johanna Schopenhauer mit dem jungen Regierungsrat Georg Friedrich von Gerstenbergk an, der in Johannas Wohnhaus einzog. Sohn Arthur war strikt gegen diese Beziehung, sodass es zu einem Bruch zwischen Mutter und Sohn kam – Arthur zog daraufhin nach Dresden. 1819 geriet das Danziger Geschäftshauses, bei dem Johanna ihr ganzes Vermögen angelegt hatte, in Zahlungsschwierigkeiten. Sie verlor den Großteil ihres Vermögens und zog 1829 nach Bonn, um sich finanziell einzuschränken. 1837 zog sie nach Jena um, nachdem ihr der Großherzog von Weimar eine Pension bewilligte.

 

Johanna Schopenhauer starb am 16. April 1838 in Jena. Ihr Grab auf dem Johannisfriedhof blieb bis heute erhalten.

 

Johannes Rasim

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