Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Für ein Europa der Vielfalt

Britta Tästensen aus Dänemark (links) hat nach zwei Jahren als Präsidentin der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV) ihr Amt an Giuanna Beeli (rechts) aus der Schweiz abgegeben. Foto: Marie Baumgarten

 

Es war ein Abschied mit Tränen. Britta Tästensen (25) aus Dänemark hat nach zwei Jahren als Präsidentin der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV) ihr Amt an Giuanna Beeli (24) aus der Schweiz abgegeben. Marie Baumgarten sprach mit beiden über den Ausgang der Wahl und die Zukunft der JEV.

 

 

Giuanna, Sie haben die Wahl ohne Gegenkandidaten für sich entschieden und sind nun nach Britta die zweite Präsidentin in Folge. So viel Frauenpower in der JEV. Macht Sie der Sieg auch als Frau stolz?

Es ist schön, wenn man auch als Frau die Anerkennung bekommt, obwohl das ja mittlerweile normal sein sollte. Eigentlich hab ich darüber gar nicht nachgedacht. Ich bin generell sehr stolz darauf und freue mich, dass die Versammlung mir ihr Vertrauen ausgesprochen hat.

 

 

 

Für Sie beginnt ein neuer Abschnitt im Leben. Aufgeregt?

Ja, ziemlich. Ich habe schon die ersten Termine für Vorstandssitzungen und andere Veranstaltungen. Genau abschätzen kann ich das noch nicht, das macht mich ein bisschen nervös. Aber es tut gut zu wissen, dass ich bei Fragen und Problemen Britta um Rat bitten kann.

 

 

 

Aus welchen Gründen sind Sie der JEV beigetreten?

Ich gehöre der rätoromanischen Minderheit “Rumantsch” in der Schweiz an. “Rumantsch” ist die vierte offizielle Landessprache. Wir haben Wir haben Ortsschilder auf Rumantsch und auch unsere eigenen Medien, können uns eigentlich nicht beklagen. Aber wir sind nur ca. 60.000 Sprecher und die Sprache und Kultur zu wahren ist eine große Herausforderung. Dafür will ich mich einsetzen und auch für Minderheiten, die nicht so viel Rechte haben wie wir.

 

 

 

Ist Rumantsch Ihre Muttersprache?

Ich würde sagen, Rumantsch und Deutsch sind meine Muttersprachen, wobei ich Rumantsch als Hauptmuttersprache bezeichnen möchte. Zu Hause habe ich nur Rumantsch gesprochen, in der Schule und mit den Freunden auch. Da das Rumantsch-Gebiet von Deutsch umgeben und durchdrungen ist, habe ich nebenbei auch Schweizerdeutsch gelernt und in der Schule ab der vierten Klasse Schriftdeutsch. Die Sprache und Kultur sind meine Identität. Auch wenn ich nun seit fast sechs Jahren wegen des Studiums im deutschsprachigen Gebiet wohne, denke ich immer noch auf Rumantsch.

 

 

 

Wohin wollen Sie die Organisation während Ihrer Amtszeit führen? Welche Ziele haben Sie?

Ich möchte die lateinischen Minderheiten stärker einbinden. Das sind zum Beispiel die Dolomiten, die Catalanen, die französischen Sprachminderheiten wie die Bretonen. Sie sind zwar Mitglied, aber nicht aktiv. Das möchte ich gern ändern und sie motivieren.

 

 

 

Britta, Sie haben das Amt heute an Giuanna abgegeben. Der Abschied ist Ihnen sichtlich schwer gefallen.

Es sind viele Tränen geflossen.  Aber es geht weiter nach vorn für die Organisation mit einer neuen Präsidentin, die viel kann, und das ist das Wichtigste. Und auch wenn ich aus dem Vorstand ausgeschieden bin, werde ich als Mitglied weiterhin tätig sein.

 

 

Warum haben Sie sich nicht mehr zur Wahl gestellt?

Ich hätte gerne weitergemacht, aber ab Sommer schreibe ich meine Masterarbeit und dafür brauche ich meine ganze Kraft.

 

 

Sie gehören der Deutschen Minderheit in Dänemark an und haben sich in den letzten beiden Jahren als JEV-Präsidentin für die Stärkung von Minderheiten in Europa eingesetzt. Sie kamen dabei viel rum, haben Politiker getroffen, Reden gehalten. Das hat Sie sicher geprägt. Wer sind Sie heute und wer waren Sie vor zwei Jahren?

Ich war sehr unsicher. Jetzt kann ich meine Meinung viel stärker vertreten. Ich habe gelernt, an mich zu glauben, ich weiß, dass ich etwas kann. Meine größte Veränderung: Ich habe gelernt, lösungsorientiert zu denken. Das ist sehr viel Wert.

 

 

 

Wenn Sie auf die letzten zwei Jahre in der JEV zurückblicken, was macht Sie besonders stolz?

Wir haben die JEV inhaltlich sehr weit nach vorn gebracht mit sehr vielen Workshops. Wir haben beispielsweise intensiv daran gearbeitet, wie man gegen Fremdenfeindlichkeit vorgehen kann. Wir wollten unsere Mitglieder befähigen, Brückenbauer zwischen den Völkern zu werden und das auch nach außen zu tragen. Für ein Europa der Vielfalt, und nicht für ein Europa der Grenzen. Ich denke, das ist uns gelungen. Was mich darüber hinaus besonders Stolz macht, ist der Zusammenhalt. Ich habe dadurch viele Freunde gefunden.

 

 

 

Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin?

Viel Freude an der Arbeit, so wie ich sie hatte! Denn wenn man keine Freude hat, verliert man die Motivation. Und sie soll wissen: Auch wenn es manchmal brennt, wird alles wieder gut und sie kann auf die Unterstützung der anderen bauen.

 

 

 

Welche Herausforderungen sehen Sie beide, Britta und Giuanna, für die Zukunft der Minderheiten in Europa? Welche Rolle spielt dabei die JEV?

 

Britta:

Die nationalen Bewegungen gehen nach innen, die Grenzen werden viel sichtbarer. Dabei könnten die Minderheiten übersehen werden, weil die Länder sich nur auf sich fokussieren. Da müssen wir aufmerksam sein.

 

 

Giuanna:

Brücken bauen und die Gemeinschaft stärken über die Grenzen hinweg, das hat sich die Organisation auf die Fahne geschrieben. Offenheit ist unsere Art, nationalen, nach innen gekehrten Bewegungen entgegenzutreten und Minderheiten sichtbar zu machen.

 

 

 

 Die JEV-Präsidentschaftswahl fand am 29.03.2018 in Oppeln statt. Die JEV-Mitglieder waren hier zum einwöchigen „Osterseminar“ zusammengekommen, um sich zu Minderheiten-Botschaftern ausbilden zu lassen.

JEV ist der Jugendverband der Föderalistischen Organisation Europäischer Volksgruppen (FUEN).

 

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